Leitsatz (amtlich)

1. Mangels Erklärungslast des Schuldners führt das Unterlassen des Bestreitens einer Rechtsnachfolge nicht zum Wegfall der Beweisbedürftigkeit i.S.d. § 727 ZPO, sondern erst ein ausdrückliches Geständnis des Schuldners nach § 288 ZPO.

2. Die Anhörung des Schuldners steht im Ermessen des Gerichts. Eine Ermessensreduzierung mit Anhörungspflicht tritt nur in Ausnahmefällen ein; ein solches Ausnahmefall liegt vor, wenn der Antragsteller substantiiert darlegt, dass im Fall einer Anhörung des Schuldners mit einem Zugeständnis der Rechtsnachfolge zu rechnen ist.

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Beschluss vom 02.06.2004; Aktenzeichen 2 O 1335/01)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 05.07.2005; Aktenzeichen VII ZB 23/05)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten R. gegen den Beschluss der Rechtspflegerin beim LG Ravensburg v. 2.6.2004, AZ: 2 O 1335/01, wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 1.047,64 Euro.

 

Gründe

I. Der Rechtsstreit der Parteien wurde durch Prozessvergleich v. 15.10.2001 abgeschlossen. Nach Ziff. 5 dieses Vergleichs haben der Kläger 1/3 und der Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Am 13.1.2004 erließ die Rechtspflegerin beim LG Ravensburg einen Kostenfestsetzungsbeschluss, wonach von dem Beklagten an den Kläger der Betrag von 1.047,64 Euro zu erstatten ist.

Mit Schreiben v. 28.4.2004 beantragte die R., für den Kostenfestsetzungsbeschluss v. 13.1.2004 die Rechtsnachfolgeklausel zu erteilen, weil der Kläger bei der R. rechtsschutzversichert gewesen und von ihr von den Anwalts- und Gerichtskosten freigestellt worden sei. Gemäß § 67 VVG sei damit ein Forderungsübergang eingetreten. Nach einem Hinweis der Rechtspflegerin, die Rechtsnachfolge sei in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Form nachzuweisen, bezog sich die R. auf die Bestätigung des Klägervertreters bezüglich der Kostenübernahme durch die Rechtsschutzversicherung und auf Entscheidungen anderer OLG nebst Entscheidungsbesprechung. Mit Beschl. v. 2.6.2004, der R. am 14.6.2004 zugestellt, hat die Rechtspflegerin beim LG Ravensburg den Antrag auf Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich das am 23.6.2004 beim LG Ravensburg als Erinnerung bezeichnete Rechtsmittel.

Die Rechtspflegerin beim LG Ravensburg hat mit Schreiben v. 24.6.2004 erklärt, sie helfe dem Rechtsmittel nicht ab, und hat die Akte dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Gegen die Ablehnung der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für einen Rechtsnachfolger durch den Rechtspfleger der ersten Instanz ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 567 Abs. 1 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht bei Erreichen der gesetzlich erforderlichen Beschwer eingelegt.

Die Beschwerde ist allerdings unbegründet, weil die Rechtspflegerin beim LG Ravensburg zu Recht festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 727 Abs. 1 ZPO für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zugunsten der Beschwerdeführerin nicht vorliegen.

1. a) Die Beschwerdeführerin hat die Rechtsnachfolge nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen.

I. Dieser qualifizierte Nachweis war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Rechtsnachfolge bei dem Gericht offenkundig gewesen wäre. Offenkundig ist eine Tatsache, wenn sie zumindest am Gerichtsort der Allgemeinheit bekannt oder ohne besondere Fachkunde wahrnehmbar oder sie dem entscheidenden Organ, hier der Rechtspflegerin, aus ihrer jetzigen oder früheren amtlichen Tätigkeit bekannt ist (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 291 Rz. 1; enger Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 726 Rz. 49). An einer Offenkundigkeit i.S.d. § 291 ZPO fehlt es bei den Fragen, ob der Kläger bei der Beschwerdeführerin rechtsschutzversichert war, ihm Deckungsschutz zugesagt worden war und Zahlungen erfolgt sind, so dass dahingestellt bleiben kann, ob im Rahmen des § 727 ZPO ein engerer Begriff der Offenkundigkeit anzuwenden wäre.

Gerichtskundigkeit und damit Offenkundigkeit i.S.d. § 727 ZPO tritt bezüglich der Rechtsnachfolge der Beschwerdeführerin nicht schon durch die Vorlage des Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers ein, wonach die Beschwerdeführerin die Kosten für die vorgenannte Sache übernommen hat. Es handelt sich dabei um schlichten Vortrag in einem laufenden Verfahren.

c) Das bloße Nichtbestreiten der Rechtsnachfolge durch den Schuldner ist für eine Klauselerteilung nicht ausreichend (OLG Stuttgart v. 10.7.1990 - 8 W 76/90, MDR 1990, 1021 = Rpfleger 1990, 519; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 727 Rz. 20, m.w.N. auch zu abweichenden Auffassungen).

Hier liegt bereits deshalb kein Nichtbestreiten gem. § 138 Abs. 3 ZPO vor, weil die Rechtspflegerin des LG den Beklagten als Schuldner nicht angehört hat. Nach dem Wortlaut des § 730 ZPO kann der Schuldner auf einen Antrag gem. § 727 ZPO geh...

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