Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 22.05.2002) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 22. Mai 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat – nachdem der Senat ein erstes freisprechendes Urteil in dieser Sache auf Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin aufgehoben hatte (BGH, Urt. vom 21. August 2001 – 5 StR 89/01) – den Angeklagten nunmehr wegen zweier Fälle der Vergewaltigung der Nebenklägerin, seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau, schuldig gesprochen und hat ihn wegen der ersten im Juli 1998 begangenen Tat unter Einbeziehung einer zwischen beiden Taten, im August 1998, durch Strafbefehl verhängten sechsmonatigen Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten und wegen der zweiten im Oktober 1998 begangenen Tat zu einer weiteren Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist zum Schuldspruch und zum Adhäsionsausspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Oktober 2002 unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Insbesondere ist die Beweiswürdigung des Landgerichts frei von durchgreifenden Rechtsfehlern. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen einer nach § 177 Abs. 3 Nr. 2 StGB qualifizierten Vergewaltigung. Allerdings führt die Revision mit der Sachrüge – allein im Blick auf die zäsurbildende, zum Ausspruch mehrerer Freiheitsstrafen nötigende Besonderheit der Zwischenverurteilung des Angeklagten – zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
Die im wesentlichen gleichartigen Taten des Angeklagten zum Nachteil seiner damaligen Ehefrau stehen in engstem situativen Zusammenhang. Da zwischen ihnen auch ein verhältnismäßig kurzer zeitlicher Abstand lag, hätte für den Normalfall einer Gesamtstrafbildung nach § 54 StGB begründeter Anlaß für eine verhältnismäßig niedrige Erhöhung der Einsatzstrafe bestanden (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 54 Rdn. 10 mit Rechtsprechungsnachweisen). Diese Rechtswohltat ist dem Angeklagten durch das eher zufällige Moment der zäsurbildenden Zwischenverurteilung (Tröndle/Fischer aaO § 55 Rdn. 9) entgangen. Weitere Besonderheiten kommen hinzu: Gegenstand jener Zwischenverurteilung war eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil derselben Geschädigten, die mit den abgeurteilten Taten gleichfalls in verhältnismäßig engem situativen Zusammenhang stand und auch zeitlich nicht besonders weit zurücklag. Da die Bestrafung im Wege des Strafbefehls erfolgte, ist zudem die besondere Warnfunktion, die einer Zwischenverurteilung zu Freiheitsstrafe unter Strafaussetzung zur Bewährung für die Beurteilung der späteren Straftaten zuzubilligen ist, als nicht ganz unerheblich relativiert anzusehen.
Diesen besonderen Umständen war bereits bei der Einzelstrafbemessung, die hier für das Ausmaß des in Fällen der vorliegenden Art besonders zu beachtenden Gesamtstrafübels (vgl. BGHSt 41, 310, 313; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 12) ausschlaggebend ist, in bestimmender Weise Rechnung zu tragen. Zudem waren die weiteren vom Tatrichter zutreffend hervorgehobenen strafmildernden Faktoren eines großen zeitlichen Abstands zwischen Tatbegehung und Aburteilung, der langen, für den zwischenzeitlich nicht mehr straffällig gewordenen Angeklagten belastenden Verfahrensdauer und der zwischenzeitlich eingetretenen Veränderung des damaligen, die Taten prägenden persönlichen Hintergrundes zu beachten. Danach bestand aller Anlaß, ungeachtet der vom Tatrichter zutreffend beurteilten strafschärfenden Gesichtspunkte die Zubilligung minder schwerer Fälle gemäß § 177 Abs. 5 StGB (zweite Alternative) als naheliegend in Betracht zu ziehen. Allein auf diese Weise wäre ein im Ergebnis eher angemessen erscheinendes geringeres Gesamtstrafübel erreichbar gewesen.
Der allein auf die besondere Gesamtstrafsituation zurückgehende Wertungsfehler veranlaßt nicht die Aufhebung von Feststellungen nach § 353 Abs. 2 StPO. Der neue Tatrichter wird allein auf der Grundlage der bisherigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die allenfalls durch neue widerspruchsfreie Feststellungen ergänzbar sind, neue Einzelstrafen zu bemessen sowie erneut eine Gesamtstrafe aus der ersten und der einzubeziehenden Strafe zu bilden haben, insoweit nunmehr unter Berücksichtigung der Grundsätze von BGHSt 36, 378 entsprechend den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Der Senat merkt vorsorglich an, daß der neue Tatrichter, wenn er dem Gesamtstrafübel durch Einzelstrafen aus dem Strafrahmen des § 177 Abs. 5 StGB (zweite Alternative) Rechnung trägt, gleichwohl selbstverständlich nicht das beträchtliche Gewicht der abgeurteilten Taten – etwa durch Zubilligung aussetzungsfähiger Strafen – aus den Augen verlieren darf.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Gerhardt, Brause, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 2560130 |
StraFo 2003, 63 |