Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 02.06.2006) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 2. Juni 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in sechs Fällen und vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Rz. 2
Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat mit einer Verfahrensbeschwerde Erfolg. Der Generalbundesanwalt hat hierzu – zutreffend – ausgeführt:
„Das Urteil ist auf die Verfahrensrüge hin aufzuheben, weil der absolute Revisionsgrund der verspäteten Urteilsabsetzung vorliegt (§ 275 Abs. 1, § 338 Nr. 7 StPO).
Wie der Beschwerdeführer zutreffend vorträgt, wäre das Urteil nach § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO spätestens sieben Wochen nach seiner Verkündung am Freitag, den 2. Juni 2006, mithin am Freitag, den 21. Juli 2006 zu den Akten zu reichen gewesen (§ 43 Abs. 1 StPO). Dies ist ausweislich des Eingangsvermerks der Geschäftsstelle auf dem Urteil jedoch erst am Montag, den 24. Juli 2006, geschehen (Bd. IV Bl. 633 d.A.).
Auch hat kein Grund für eine ausnahmsweise zulässige Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist bestanden. Die Strafkammer ist nicht etwa durch unvorhersehbare und unabwendbare Umstände an der Einhaltung der Frist zur Urteilsabsetzung gehindert gewesen (§ 275 Abs. 1 Satz 4 StPO): Vielmehr hat der Vorsitzende der Strafkammer … mitgeteilt, dass die aufgrund fehlerhafter Berechnung falsch notierte Absetzungsfrist ursächlich für die Fristüberschreitung gewesen ist.
Ein Irrtum bei der Fristberechnung stellt jedoch keinen die Fristüberschreitung rechtfertigenden Umstand dar (BGH StV 1984, 143; BGH bei Pfeiffer NStZ 1985, 207). Auch eine nur kurze Fristüberschreitung – von hier drei Tagen – führt zwingend zur Urteilsaufhebung (BGH StV 1998, 477; BGH Beschluss vom 12. Oktober 2004 – 5 StR 394/04 [= StraFo 2005, 76]).”
Rz. 3
Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat:
Rz. 4
Die rechtliche Würdigung in dem angefochtenen Urteil (UA 24 f.) ist weithin nicht nachvollziehbar. Insbesondere erschließt sich angesichts der getroffenen Feststellungen nicht, weshalb der Angeklagte nicht auch im Hinblick auf die übrigen geschädigten Verkehrsteilnehmer mit (hier: bedingtem) Tötungsvorsatz und warum er nicht „mit gemeingefährlichen Mitteln” gehandelt haben soll; eine vom Angeklagten nicht beherrschbare Todesgefahr für eine unbestimmte Vielzahl von Menschen ist auf UA 10 ausdrücklich festgestellt.
Das vom Landgericht angenommene Mordmerkmal der Heimtücke (zum Nachteil der Ehefrau) liegt dagegen eher fern.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanović, Sost-Scheible
Fundstellen