Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
Macht der von den Wohnungseigentümern hierzu ermächtigte Verwalter Ansprüche der Wohnungseigentümer gerichtlich geltend, handelt es sich nicht um eine unerlaubte Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Dem Verwalter kann hierfür von den Wohnungseigentümern eine Sondervergütung bewilligt werden, die er nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung abrechnen darf.
Normenkette
RBerG Art. 1 § 3 Nr. 6; WEG § 21 Abs. 3, § 27 Abs. 2 Nr. 5
Verfahrensgang
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beschwerdeführer werden der Beschluß der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 1. Oktober 1991 und der Beschluß des Amtsgerichts Charlottenburg vom 10. September 1990 aufgehoben, soweit der Eigentümerbeschluß vom 7. Januar 1989 für nichtig erklärt wurde. Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses vom 7. Januar 1989 wird auch insoweit zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens trägt die Beteiligte zu 1. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Verfahren wird für alle Instanzen auf 5.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer einer Wohnanlage in B; der weitere Beteiligte ist ihr Verwalter. In der Eigentümerversammlung vom 7. Januar 1989 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich folgendes:
„Der Verwalter wird ermächtigt, Rückstände gerichtlich für die WEG geltend zu machen. Dafür erhält er eine Sondervergütung in der Höhe, die ein Rechtsanwalt für die Vertretung einer Mehrheit von WEer erhalten würde (Berechnungsgrundlage: Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung).”
Die Beteiligte zu 1 hat den Beschluß angefochten. Das Amtsgericht hat auf ihren Antrag festgestellt, daß der Beschluß insoweit nichtig ist, als dem Verwalter eine Sondervergütung zugesagt wurde. Die sofortige Beschwerde der anderen Beteiligten hat das Landgericht zurückgewiesen. Ihre sofortige weitere Beschwerde möchte das Kammergericht zurückweisen. Es sieht sich hieran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Juli 1986 (zitiert bei Bielefeld, WEG-Recht, Rechtsprechung in Leitsätzen 1984-1986, S. 162) gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 Abs. 1 WEG, 28 Abs. 2 FGG).
Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, die Zusage einer Sondervergütung sei nichtig, weil die Verfahrensführung eines Verwalters ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts gegen das Verbot der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten verstoße und die Vereinbarung einer Sondervergütung nach Maßgabe der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung unter dem Gesichtspunkt einer ordnungsgemäßen Verwaltung erheblichen rechtlichen Bedenken begegne. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Köln in der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung die Meinung vertreten, ein derartiger Beschluß widerspreche weder gesetzlichen Bestimmungen noch den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Von dieser, die Auslegung von § 21 Abs. 3 WEG und Art. 1 §§ 1, 3, 5 RBerG betreffenden Rechtsauffassung will das vorlegende Gericht abweichen. Dies trägt die Vorlage.
III.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs. 1 WEG, §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG) und auch begründet. Soweit der Eigentümerbeschluß vom 7. Januar 1989 für nichtig erklärt wurde, können die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht aufrechterhalten bleiben.
1. Die Vergütungsregelung in dem angefochtenen Eigentümerbeschluß verstößt nicht gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB).
a) Die Ermächtigung des Verwalters. Rückstände für die Wohnungseigentümer geltend zu machen, führt allerdings zu einer Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Art. 1 § 1 RBerG. Das Rechtsberatungsgesetz ist in erster Linie als Berufsordnungsgesetz der Rechtsbeistände aufzufassen (vgl. Altenhoff/Busch/Kampmann/Chemnitz, RBerG 9. Aufl. Rdn. 10 m.w.N.). Es will einerseits die Rechtsuchenden vor den Gefahren einer unzureichenden und nicht sachgemäßen Betreuung schützen, andererseits Schutz gegen den Wettbewerb von Personen gewähren, die keinen standesrechtlichen, gebührenrechtlichen und ähnlich im Interesse der Rechtspflege gesetzten Schranken unterliegen (BGHZ 15, 315, 317; 37, 258, 261). Die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen, darf deshalb nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist (Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG). Davon ausgenommen sind zunächst nur solche Tätigkeiten wirtschaftlicher Art, bei denen sich die damit notwendig verbundene rechtliche Beratung in jedermann geläufigen Formen abspielt und daher ihrer Art nach nicht mehr als Betätigung auf rechtlichem Gebiet empfunden wird (vgl. BGH, Urt. v. 12. März 1987, I ZR 31/85, NJW 1987, 3005). Dies liegt bei der Verwaltung von gemeinschaftlichem Eigentum regelmäßig nicht vor.
b) Die Ermächtigung des Verwalters in dem angefochtenen Eigentümerbeschluß ist jedoch durch die Ausnahmeregelung des Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG gedeckt.
aa) Die dem Verwalter durch § 27 WEG gesetzlich zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse können zwar nicht allein deshalb von dem grundsätzlichen Verbot des Art. 1 § 1 RBerG ausgenommen werden. Ausnahmeregelungen des Rechtsberatungsgesetzes finden sich nur in Art. 1 §§ 2, 3, 5, 6 und 7 RBerG, die als erschöpfend aufgezählte Spezialbestimmungen eng auszulegen sind (Altenhoff/Busch/Kampmann/Chemnitz Rdn. 241). § 27 WEG selbst kommt als Ausnahmebestimmung insoweit nicht in Betracht, weil diese Ausnahmen nur im Rechtsberatungsgesetz selbst vorgesehen sind. Anderenfalls wäre die Aufzählung bestimmter Berufsgruppen und Personen im Rechtsberatungsgesetz überflüssig, weil sich deren Befugnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ebenfalls bereits aus anderen gesetzlichen Bestimmungen ergibt (vgl. § 1 BRAO, § 1 BNotO, § 6 KO, § 152 ZVG, § 1985 BGB).
bb) Die Ausnahmebestimmungen des Art. 1 §§ 2, 3 Nr. 1 bis 5, 7, § 5 Nr. 2, §§ 6 und 7 RBerG sind hier nicht einschlägig. Offen bleiben kann, ob die Tätigkeit des Verwalters nach dem Wohnungseigentumsgesetz im Rahmen der ihm durch § 27 WEG zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse unter die Ausnahmeregelungen des Art. 1 § 5 Nr. 1 oder Nr. 3 RBerG fällt (vgl. BayObLGZ 1991, 165, 168; KG NJW 1991, 1304, 1305). Denn für den Verwalter nach dem Wohnungseigentumsgesetz kommt jedenfalls die Ausnahmeregelung des Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG zum Tragen. Zu der in dieser Bestimmung ausdrücklich genannten Tätigkeit als Zwangsverwalter, Konkursverwalter oder Nachlaßpfleger gehört nach dieser Regelung auch die Tätigkeit sonstiger für ähnliche Aufgaben behördlich eingesetzter Personen. Dazu zählen auch Personen, die zwar im Regelfall nicht vom Gericht bestellt werden, deren Tätigkeit hinsichtlich der ihnen zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse jedoch mit derjenigen der ausdrücklich genannten Personen vergleichbar ist (Altenhoff/Busch/Kampmann/Chemnitz Rdn. 321 f).
Dies gilt auch für den Verwalter nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Die ihm nach § 27 WEG gesetzlich zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse sind den Tätigkeiten der in Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG genannten Personen Ähnlich. Zwar wird er in der Regel nicht vom Gericht ernannt, sondern von den Wohnungseigentümern bestellt. Allein dies rechtfertigt es jedoch nicht, ihn von der Ausnahmeregelung auszuschließen. § 20 Abs. 2 WEG bestimmt zwingend, daß ein Verwalter bestellt werden muß; unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 WEG ist er vom Gericht zu bestellen. Der gerichtlich bestellte Verwalter hat in jeder Hinsicht die gleiche Stellung wie ein von den Wohnungseigentümern bestellter (vgl. Palandt/Bassenge, BGB 52. Aufl. § 26 WEG Rdn. 4). Das Wohnungseigentumsgesetz laßt es ausdrücklich zu, den Verwalter durch Eigentümerbeschluß zur Geltendmachung von Ansprüchen der Wohnungseigentümer zu ermächtigen. Seiner rechtsbesorgenden Tätigkeit für die Wohnungseigentümer im Rahmen dieses gesetzlich vorgesehenen Aufgabenbereiches stehen die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes daher nicht entgegen.
2. Der Senat vermag dem vorlegenden Gericht nicht darin zu folgen, daß die dem Verwalter durch Eigentümerbeschluß eingeräumte Befugnis zur Verfahrensführung anders zu beurteilen ist. Zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die den Wohnungseigentümern zustehen, können diese den Verwalter durch Mehrheitsbeschluß ermächtigen (§ 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG). Wird die Ermächtigung erteilt, ist der Verwalter nach einhelliger Ansicht als Verfahrensbevollmächtigter der Wohnungseigentümer anzusehen (vgl. Palandt/Bassenge § 27 WEG Rdn. 16 m.w.N.). Er darf einen Rechtsanwalt mit der Vertretung der Wohnungseigentümer im gerichtlichen Verfahren beauftragen (BayObLGZ 1988, 287, 289 f; 1991, 165, 168; OLG Frankfurt, DWE 1984, 126). Sofern nicht besondere Verfahrensvorschriften dies gebieten (vgl. § 78 ZPO, § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG), ist er hierzu aber nicht verpflichtet. Auch die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen für die Wohnungseigentümer durch den Verwalter ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts ist jedenfalls durch Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG gedeckt (a.A. wohl Deckert, DWE 1991, 10 f). Wie die Möglichkeit einer entsprechenden Ermächtigung der Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG zeigt, gehört auch die Verfahrensführung zu seinem Aufgabenbereich. Dabei ist es unerheblich, ob die Tätigkeit als Verwalter geschäftsmäßig ausgeübt wird oder nicht (Altenhoff/Busch/Kampmann/Chemnitz Rdn. 319). Wer fremde Rechtsangelegenheiten besorgt, muß dazu in eigener Person befugt sein (BGH, Urt. v. 24. Juni 1987, I ZR 74/85, MDR 1988, 26; OLG Schleswig. AnwaltsBl 1989, 245). Eine unerlaubte Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten würde nicht dadurch zu einer erlaubten, daß der Verwalter sich dabei der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient. Es ist auch nicht ersichtlich, daß für einen Verwalter in jedem Falle ein zwingendes Bedürfnis zur Verfahrensführung nur unter Einschaltung eines Rechtsanwalts besteht, weil er seine Verwaltertätigkeit im Rahmen des ermächtigenden Eigentümerbeschlusses anders nicht sachgerecht erledigen könnte.
3. Auch die Zusage einer Sondervergütung an den Verwalter in Höhe der Honorarsätze der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, die eine Verfahrensführung durch den Verwalter selbst ermöglichen soll, verstößt damit nicht gegen das Verbot der unerlaubten Rechtsbesorgung und ist weder aufgrund von Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung noch nach anderen Gesetzesbestimmungen verboten (vgl. Mußgnug, NJW 1989, 2037; Rau, NJW 1991, 1278 Fn. 2). Dies gilt folgerichtig auch insoweit, als in dem Eigentümerbeschluß bestimmt ist, daß der Verwalter für den Fall der gerichtlichen Geltendmachung von Rückständen eine Sondervergütung erhält, die ein Rechtsanwalt für die Vertretung einer Mehrheit von Wohnungseigentümern erhalten würde. Auch wenn die Tätigkeiten des Verwalters im Rahmen der ihm vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse mit der Verwaltervergütung grundsätzlich abgegolten sind, ist die Gewährung einer zusätzlichen Vergütung für besondere, darüber hinausgehende Leistungen, wie die auf einem besonderen Eigentümerbeschluß beruhende (§ 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG), einen weitergehenden Aufwand verursachende gerichtliche Geltendmachung von Rückständen, grundsätzlich zulässig (BayObLG WE 1988, 200, 201; OLG Köln, NJW 1991, 1302, 1303; Palandt/Bassenge § 21 WEG Rdn. 3 m.w.N.; Schnauder WE 1991, 179, 184; a.A. KG NJW 1991, 1304, 1305).
Die Vergütungszusage in dem angefochtenen Eigentümerbeschluß steht auch im Einklang mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG). Danach muß sich eine derartige Sondervergütung der Höhe nach in angemessenem Rahmen halten und den voraussichtlichen zusätzlichen besonderen Zeit- und Arbeitsaufwand im Einzelfall berücksichtigen. Dieser läßt sich bei der Beschlußfassung noch nicht endgültig absehen, sondern nur nach Erfahrungswerten abschätzen. Es bestehen deshalb keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, insoweit durch Eigentümerbeschluß eine pauschale Sondervergütung festzulegen. Dadurch wird dem Verwalter, dem eine besondere Vergütungsregelung dieser Fälle sonst nicht zur Verfügung steht, der im Einzelfall schwer zu führende Nachweis seiner Zeit- und Arbeitsaufwendungen erspart. Wenn dies dem Willen der Mehrheit der Wohnungseigentümer entspricht und entsprechend beschlossen wird (§ 21 Abs. 3 WEG), bestehen keine sich aus dem Gesetz ergebenden Bedenken dagegen, wenn der Verwalter in derartigen Fällen im Verhältnis zu den Wohnungseigentümern eine Sondervergütung nach den sich am Wert des Gegenstandes ausrichtenden Pauschgebühren der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung und im Rahmen der dort vorgesehenen Erhöhungsbeträge abrechnen darf. Denn damit ist eine etwaige Forderung des Verwalters in etwa absehbar und auch der Höhe nach begrenzt. Ob eine andere Regelung denkbar und zweckmäßiger wäre, hat bei der gerichtlichen Entscheidung über die Anfechtung eines sich im Rahmen des § 21 Abs. 3 WEG haltenden Eigentümerbeschlusses keine Beachtung zu finden (vgl. Palandt/Bassenge § 43 WEG Rdn. 7 m.w.N.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 48 Abs. 2 WEG.
Unterschriften
H, V, L-L, T, Sch
Fundstellen
Haufe-Index 512668 |
BGHZ |
BGHZ, 327 |
NJW 1993, 1924 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |