Leitsatz (amtlich)
Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil, durch das der Einspruch gegen ein aufgrund mündlicher Verhandlung ergangenes Versäumnisurteil verworfen wird, kann nicht auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage gestützt werden.
Normenkette
ZPO § 513 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. Dezember 1998 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 27.500 DM.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus abgetretenem Recht die Zustimmung zur Löschung einer Auflassungsvormerkung. In dem auf den 12. Mai 1998 bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung war der Beklagte säumig. Das Landgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil stattgegeben. Auf rechtzeitigen Einspruch des Beklagten hat es Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache auf den 16. Juli 1998 bestimmt. Auch in diesem Termin war der Beklagte nicht vertreten. Auf Antrag der Klägerin wurde sein Einspruch durch „zweites” Versäumnisurteil verworfen.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht durch Beschluß gemäß § 519 b Abs. 2 ZPO als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich seine sofortige Beschwerde.
II.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe zur Begründung seiner Berufung nicht dargetan, daß er in dem Verhandlungstermin, in welchem das zweite Versäumnisurteil gegen ihn erging, nicht säumig gewesen sei. Ob die Klage schlüssig sei und ob ihr im Termin vom 12. Mai 1998 durch Versäumnisurteil habe stattgegeben werden dürfen, sei wegen der in § 513 Abs. 2 ZPO angeordneten Beschränkung nicht zu prüfen.
Das hält der Nachprüfung durch den Senat stand.
III.
Nach § 513 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterliegt ein zweites Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist (§ 345 ZPO), der Berufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, daß ein Fall der Versäumung nicht vorgelegen habe.
Der Beklagte ist zum Termin vom 16. Juli 1998 ordnungsgemäß geladen worden. In der mündlichen Verhandlung war er nicht vertreten. Da er hiergegen nichts vorträgt, ist seine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts unbegründet.
Für die Säumnis im Termin vom 16. Juli 1998 ist ohne Bedeutung, ob das Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Klage die geltend gemachte Rechtsfolge rechtfertigt und im Termin vom 12. Mai 1998 gegen den Beklagten durch Versäumnisurteil erkannt werden durfte (§ 331 Abs. 2 ZPO).
1. Insoweit verhält es sich anders als bei einem Vollstreckungsbescheid. Dieser steht nach § 700 Abs. 1 ZPO einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. Ist der Beklagte in dem zur mündlichen Verhandlung über seinen Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid bestimmten Termin säumig, darf der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid anders als der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil nur dann gemäß § 345 ZPO verworfen werden, wenn die in § 331 Abs. 1, Abs. 2 1. Halbsatz ZPO für eine Entscheidung durch Versäumnisurteil bestimmten Voraussetzungen vorlagen (§ 700 Abs. 6 ZPO). Die Prüfung der Schlüssigkeit der Klage und der Zulässigkeit des Erlasses des Vollstreckungsbescheids sind in dem zur mündlichen Verhandlung bestimmten Termin trotz Säumnis des Beklagten nachzuholen. Das findet seinen Grund darin, daß eine richterliche Prüfung der vollstreckbaren Entscheidung bis dahin nicht stattgefunden hat (MünchKomm-ZPO/Prütting, § 345 Rdn. 15; Löwe, ZZP 83 (1970), 266 ff; BT-Drucks. 7/2729 S. 103). Sofern diese Prüfung zu dem Ergebnis führt, daß die Voraussetzungen für den Erlaß eines Vollstreckungsbescheids nicht vorlagen, ist der Vollstreckungsbescheid trotz Säumnis des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben, § 700 Abs. 6 Halbs. 2 ZPO.
Der Gleichlauf von Prüfungsumfang und -pflicht des Einspruchsrichters einerseits und Berufungsfähigkeit andererseits führt in diesem Fall dazu, daß die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil, durch das der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid verworfen wird, trotz der in § 513 Abs. 2 ZPO bestimmten Beschränkung auch darauf gestützt werden kann, daß die Voraussetzungen für den Erlaß eines Vollstreckungsbescheids nicht vorgelegen haben (BGHZ 73, 87, 89 ff; 112, 367, 371 ff).
2. Ist dagegen aufgrund mündlicher Verhandlung durch Versäumnisurteil gegen den Beklagten erkannt, sind die Zulässigkeit der Klage, ihre Schlüssigkeit und die Voraussetzungen für den Erlaß eines Versäumnisurteils in dem versäumten Termin richterlich geprüft. Eine erneute Prüfung sieht § 345 ZPO im Rahmen der Entscheidung über den Einspruch nicht vor. Die in § 700 Abs. 6 ZPO getroffene Regelung würde ansonsten die Anordnung einer Prüfung bedeuten, die ohnehin vorzunehmen war.
Der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ist vielmehr ohne weiteres zu verwerfen, wenn die Partei, die den Einspruch eingelegt hat, in dem auf den Einspruch bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung wiederum nicht erscheint, nicht vertreten ist oder nicht verhandelt (OLG Düsseldorf, MDR 1987, 769; Alternativkommentar-ZPO/Ankermann, § 513 Rdn. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., § 513 Rdn. 6; MünchKomm-ZPO/Prütting, § 345 Rdn. 9; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, § 513 Rdn. 18; Musielak/Stadler, ZPO, § 345 Rdn. 4; Musielak/Ball, aaO, § 513 ZPO Rdn. 8; Jauernig, Zivilprozeßrecht, 24. Aufl., § 67 II 3, S. 249; Marcelli, NJW 1981, 2558, 2559; Schreiber, ZZP 105 (1992) 79, 80; Boemke, ZZP 106 (1993) 371, 380; Stahlhacke, Festschrift für Egon Schneider, S. 109, 118 ff).
Die gegenteilige Auffassung (LAG Hamm, NJW 1981, 887; LAG Frankfurt/Main, NZA 1993, 816; OLG Bremen, OLG-Report 1995, 62; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 345 Rdn. 7ff; Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., § 513 Rdn. 4; Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 345 Rdn. 4; Zöller/Gummer, aaO, § 513 Rdn. 6 a; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 107 VI, S. 620; Hoyer, Das technisch zweite Versäumnisurteil, S. 165 ff; Braun, ZZP 93 (1980) 443, 461; Orlich, NJW 1980, 1782, 1783; Vollkommer, ZZP 94 (1981), 91, 94; ders., JZ 1991, 828; Schneider, MDR 1985, 375, 378; Peters, JZ 1986, 859, 860) findet keine Stütze im Gesetz.
a) Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung von §§ 330 ff ZPO ist die Säumnis. Eine Partei ist im Sinne von §§ 330 ff ZPO säumig, wenn sie trotz ordnungsgemäßer Bestimmung eines notwendigen Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht nach Aufruf der Sache am hierzu bestimmten Ort nicht erscheint, bei notwendiger Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht durch einen beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist oder nicht zur Sache verhandelt (Alternativkommentar-ZPO/Pieper, vor § 330 Rdn. 8 ff; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, Übers. vor § 330 Rdn. 4 ff; Musielak/Stadler, aaO, vor §§ 330-347 Rdn. 5 ff; Stein/Jonas/Grunsky, aaO, vor § 330 Rdn. 7 ff; Thomas/Putzo, aaO, Vorbem. zu § 330 Rdn. 2 ff; Zöller/Vollkommer, aaO, vor § 330 Rdn. 2 ff). Ein Unterschied zwischen der Säumnis im ersten Termin, in einem Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung oder in einem auf Einspruch gegen ein Versäumnisurteil bestimmten Termin besteht nicht.
Gegen ein Versäumnisurteil findet der Einspruch statt (§ 338 ZPO). Durch einen zulässigen Einspruch wird der Prozeß in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand (§ 342 ZPO). Verbliebe es hierbei, hätte es eine Partei durch wiederholte Säumnis und jeweils wiederholten Einspruch in der Hand, eine prozeßabschließende Entscheidung beliebig zu verzögern. Um dies zu verhindern, schließt § 345 ZPO den Einspruch gegen ein „zweites” Versäumnisurteil aus (Hahn, Die Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. 2, S. 298; MünchKomm-ZPO/Prütting, aaO, § 345 Rdn. 4, 14). Dem entspricht die in § 513 Abs. 2 ZPO bestimmte Beschränkung des Gegenstands der Anfechtung eines solchen Urteils im Berufungsverfahren.
b) Diese Beschränkung gilt nur insoweit nicht, als zur Begründung der Berufung geltend gemacht wird, die Säumnis im Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch sei unabwendbar gewesen (RGZ 166, 246, 247; BAG, NJW 1972, 790; BGH, Urt. v. 27. September 1990, VII ZR 135/90, NJW 1991, 42, Alternativkommentar-ZPO/Ankermann, § 513 Rdn. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 513 Rdn. 4; Musielak/Ball, aaO, § 513 Rdn. 8; Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 513 ZPO Rdn. 8; Thomas/Putzo, aaO, 21, § 513 Rdn. 4; Zöller/Gummer, aaO, § 513 ZPO Rdn. 7a; Braun, ZZP 93 (1980), 449 f; ders. JuS 1983, 622). Grund hierfür ist die Tatsache, daß Grundlage eines Urteils nicht die Versäumung eines Verhandlungstermins sein kann, an dessen Wahrnehmung eine Partei unverschuldet gehindert war (vgl. § 233 ZPO).
c) Für eine weitergehende Einschränkung von § 513 Abs. 2 ZPO besteht kein Anlaß.
Hat die Säumnis in einem Termin zur mündlichen Verhandlung zu einer Entscheidung durch Versäumnisurteil geführt, ist die unterlegene Partei zu besonders sorgfältiger Prozeßführung gehalten. Darauf, ob das Versäumnisurteil nicht prozeßordnungsgemäß ergangen ist, kommt es nicht an (offengelassen in BGHZ 97, 341, 349). Die materiell-rechtlichen und die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Verurteilung des Beklagten sind bei Erlaß des „ersten” Versäumnisurteils durch das erkennende Gericht geprüft worden. Dem Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs ist durch die ordnungsgemäße Ladung Genüge getan (BGHZ 97, 341, 347 f).
d) Gegen die Sanktionsfolge von § 345 ZPO kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, diese sei ungerecht, wenn das erste Urteil aufgrund fehlerhafter Schlüssigkeitsprüfung nicht habe ergehen dürfen (a.M. OLG Stuttgart, MDR 1976, 51; Rosenberg/Schwab/Gottwald, aaO, S. 620). Im Einspruchstermin besteht für die unterlegene Partei die Möglichkeit, das Gericht auf einen Fehler seiner Schlüssigkeitsprüfung hinzuweisen. Die Partei, gegen die durch Versäumnisurteil erkannt ist, weiß, daß sie nicht erneut säumig sein darf (Musielak/Stadler, aaO, § 345 Rdn. 4; Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 513 Rdn. 14). Sie kann gerade nicht mehr darauf vertrauen, daß das Gericht in dem auf den Einspruch bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung die Schlüssigkeit der Klage nunmehr anders beurteilen werde (OLG Hamm, NJW 1991, 1067; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 513 Rdn. 18; a.M. BAG, NJW 1974, 1103, 1104). Daher ist es konsequent, an das erneute – auf schuldhafter Säumnis beruhende – Ausbleiben der Partei in dem auf den Einspruch bestimmten Verhandlungstermin die schärfere Sanktion des endgültigen Prozeßverlustes ohne nochmalige Überprüfung des ersten Versäumnisurteils zu knüpfen (BGHZ 97, 341, 345; Stahlhacke, aaO, S. 119).
e) Dem steht auch nicht die in § 342 ZPO enthaltene Regelung entgegen, nach der bei einem zulässigen Einspruch der Prozeß in die Lage zurückversetzt wird, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand (vgl. BAG, NJW 1971, 1198, 1199). § 345 ZPO ist lex specialis zu § 342 ZPO (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 345 Rdn. 6; Musielak/Stadler, aaO, § 345 Rdn. 4). Der Einspruch dient der Beseitigung der Folgen der Terminsversäumung. Die Überprüfung des durch den Einspruch angefochtenen Urteils ist nicht Ziel, sondern Folge des Einspruchs. Das neuerliche Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung steht deshalb der Sache nach einem Verzicht auf den Einspruch gleich (Musielak/Stadler, aaO, § 345 Rdn. 4; Boemke, ZZP 106, (1973), 371, 379). Die Wirkung von § 342 ZPO tritt nur dann ein, wenn es nach der Einspruchseinlegung zur mündlichen Verhandlung in Anwesenheit beider Parteien kommt (Prütting, JuS 1975, 150, 154; K. Lehmann, Die Berufung gegen das technisch zweite Versäumnisurteil, Diss. Köln 1989, S. 127, 132). Dem entspricht es, daß im Falle der Säumnis des Einspruchsführers sein Einspruch gemäß § 345 ZPO zu verwerfen und nicht, wie im Falle eines zulässigen, jedoch nicht begründeten Einspruchs gegen ein erstes Versäumnisurteil, nach mündlicher Verhandlung das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten ist, wie § 343 ZPO bestimmt (MünchKomm-ZPO/Prütting, § 345 Rdn. 11; ders., JuS 1975, 150, 154; K. Lehmann, aaO, S. 132).
4. Soweit im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 2. Februar 1994 (JZ 1995, 523) ausgeführt ist, vor der Verwerfung des Einspruchs gegen ein zweites Versäumnisurteil sei die Schlüssigkeit der Klage erneut zu prüfen, gebietet dies nicht die Anrufung des gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes, weil die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht darauf beruht (vgl. Gemeinsamer Senat, BGHZ 88, 353, 356). Eine Abweichung gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist nicht gegeben, wenn die Rechtsauffassungen zwar nicht voll übereinstimmen, aber zum selben Ergebnis führen (Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, 2. Aufl., § 2 Rdn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, Anhang nach § 140 GVG Rdn. 1).
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Schneider, Krüger, Klein
Fundstellen
Haufe-Index 538863 |
BGHZ |
BGHZ, 351 |
NJW 1999, 2599 |
BGHR |
EBE/BGH 1999, 226 |
NJW-RR 1999, 1737 |
JR 2000, 285 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 1734 |
ZAP 1998, 711 |
ZfIR 1999, 622 |
JA 1999, 917 |
JZ 1999, 1174 |
MDR 1999, 1017 |
NJ 1999, 649 |
VersR 2000, 123 |
ZZP 1999, 491 |
MittRKKöln 1999, 236 |
LL 1999, 640 |