Verfahrensgang
LG Erfurt (Urteil vom 16.10.2019; Aktenzeichen 170 Js 60500/19 1 Ks) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 16. Oktober 2019 im Strafausspruch aufgehoben; die zugrundeliegenden Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Verfahrensbeanstandungen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen ohne Erfolg. Auch hat die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler aufgezeigt.
Rz. 3
2. Indes hält der Strafausspruch sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 4
a) Das Landgericht ist ohne durchgreifenden Rechtsfehler von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten (§ 21 StGB) zum Tatzeitpunkt ausgegangen. Bei der Strafrahmenwahl hat es angenommen, dass unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkte, wegen der erheblich verminderten Schuldfähigkeit und „erst unter weiterer Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes des § 23 Abs. 2 StGB” von einem minder schweren Fall im Sinne des § 213 Alt. 2 StGB auszugehen sei (zur Prüfungsreihenfolge vgl. Senat, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271).
Rz. 5
b) Die Strafkammer hat dabei nicht erkennbar bedacht, dass der zweifach gemilderte Strafrahmen des § 212 StGB für den Angeklagten günstiger ist als der Strafrahmen des § 213 StGB. Das Tatgericht ist zwar bei der Strafrahmenwahl nicht verpflichtet, den jeweils für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen zugrunde zu legen; es unterliegt vielmehr seiner pflichtgemäßen Entscheidung, welchen Strafrahmen es wählt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2015 – 5 StR 201/15). Es hat aber in einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob es den nach § 49 StGB gemilderten Regelstrafrahmen oder denjenigen eines minder schweren Falls anwendet (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 1987 – 3 StR 341/87, BGHR StGB § 1 Strafrahmenwahl 4; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 933 mwN). Hieran fehlt es in dem angefochtenen Urteil; dies nötigt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Rz. 6
c) Die auch ansonsten rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden vom aufgezeigten Wertungsfehler nicht berührt, sie können Bestand haben. Der neue Tatrichter kann ergänzende, zu den getroffenen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.
Unterschriften
Franke, Krehl, Meyberg, Grube, Schmidt
Fundstellen
Dokument-Index HI13938055 |