Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Versorgungsausgleich zwischen iranischen Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
Zwischen iranischen Ehegatten findet gem. Art. 8 III des Deutsch-Iranischen Niederlassungsabkommens (v. 17.2.1929 - RGBl. 1930 II 1006) ein Versorgungsausgleich auch dann nicht statt, wenn ein Ehegatte während der Ehe in Deutschland Versorgungsanrechte erworben hat; Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB findet insoweit keine Anwendung.
Normenkette
EGBGB Art. 17 Abs. 3 S. 2; Deutsch-Iranisches Niederlassungsabkommen Art. 8 III
Verfahrensgang
OLG Köln (Beschluss vom 17.05.2001; Aktenzeichen 21 UF 35/01) |
AG Köln (Urteil vom 10.11.1999) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des 21. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Köln v. 17.5.2001 wird auf Kosten der Antragstellerin
zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 511 EUR (= 1.000 DM)
Gründe
I.
Die Ehe der Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) mit dem Vater des Antragsgegners (im Folgenden: Ehemann) wurde durch Urteil des AG Köln v. 10.11.1999 nach iranischem Recht geschieden; beide Ehegatten waren iranische Staatsangehörige. Während der Ehezeit hatte der Ehemann inländische Rentenanwartschaften erworben.
Das AG hat den Antrag der Ehefrau, den Versorgungsausgleich durchzuführen, zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Ehefrau blieb erfolglos. Mit der vom OLG zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt die Ehefrau ihr Begehren auf Durchführung des Versorgungsausgleichs weiter. Am 25.2.2005 - während des Verfahrens der weiteren Beschwerde - ist der Ehemann verstorben und von dem jetzigen Antragsgegner beerbt worden. Die Ehefrau hat beantragt, dem Verfahren Fortgang zu geben. Der jetzige Antragsgegner hat mitgeteilt, dass er gegen eine Durchführung des Versorgungsausgleichs zu Gunsten der Ehefrau - seiner Mutter - keine Einwände erheben wolle; von der Möglichkeit, durch einen beim BGH zugelassenen Anwalt eine Stellungnahme abzugeben, hat er keinen Gebrauch gemacht.
II.
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
Das iranische Recht kennt keinen Versorgungsausgleich. Die Regelungen des deutschen Versorgungsausgleichsrechts finden auf die Ehe der Antragstellerin mit dem Vater des jetzigen Antragsgegners keine Anwendung.
1. Nach Art. 17 Abs. 1 EGBGB unterliegt die Scheidung dem Recht des Staates, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist. Das ist nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB vorrangig das Recht, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten - im vorliegenden Fall also iranisches Recht. Die Voraussetzungen einer Rechtswahl nach Art. 14 Abs. 2 bis 4 EGBGB liegen ersichtlich nicht vor. Diesem Recht unterliegt nach Art. 17 Abs. 3 S. 1 1. Halbs. EGBGB auch der Versorgungsausgleich. Kann der Versorgungsausgleich danach - wie vorliegend nach iranischem Recht - nicht stattfinden, so ist er gem. Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB auf Antrag eines Ehegatten gleichwohl nach deutschem Recht durchzuführen, wenn der andere Ehegatte - wie hier der Vater des jetzigen Antragsgegners - in der Ehezeit eine inländische Versorgungsanwartschaft erworben hat.
Die Regelung des Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB verhilft dem Versorgungsausgleichsbegehren der Antragstellerin hier dennoch nicht zum Erfolg. Nach Art. 3 Abs. 2 EGBGB finden die Kollisionsnormen des EGBGB - hier Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB - nämlich dann keine Anwendung, wenn Regelungen in völkerrechtlichen Verträgen, die unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, dem entgegenstehen. Das ist hier der Fall.
2. Nach Art. 8 III S. 1 des Deutsch-Iranischen Niederlassungsabkommens v. 17.2.1929 (RGBl. 1930 II 1006; im Folgenden: Abkommen; zur Fortgeltung BGH, Urt. v. 6.10.2004 - XII ZR 225/01, BGHZ 160, 332 = BGHReport 2005, 96 m. Anm. Mankowski = MDR 2005, 149 = FamRZ 2004, 1952, 1953 f.) bleiben "in Bezug auf das Personen-, Familien- und Erbrecht ... die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen". Die Anwendung dieser (heimischen) Gesetze kann nach Art. 8 III S. 2 des Abkommens von dem anderen Staat "nur ausnahmsweise und nur insoweit ausgeschlossen werden, als ein solcher Ausschluss allgemein ggü. jedem anderen fremden Staat erfolgt". Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB begründet keinen solchen Ausschluss der Anwendbarkeit des iranischen Rechts, wie sie in Art. 8 III S. 1 des Abkommens vorgeschrieben ist und vorliegend für die Ehescheidung der Ehefrau von ihrem verstorbenen Mann gilt.
Die Frage, ob für die Scheidung iranischer Ehegatten die Regelung des Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB durch Art. 8 III S. 1 des Abkommens ausgeschlossen wird (so OLG Köln v. 17.5.2001 - 21 UF 35/01, FamRZ 2002, 613 [614]; OLG Frankfurt v. 27.1.2003 - 5 WF 210/02, OLGReport Frankfurt 2003, 303 [304]; Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 67; Erman/Hohloch, BGB, 11. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 5; Rahm/Künkel/Paetzold, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Stand 2003, VIII Rz. 873, 918; Klattenhoff, FuR 2000, 49 [52]) oder ob Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB eine Ausnahmeregelung i.S.d. Art. 8 III S. 2 des Abkommens darstellt (so OLG Oldenburg v. 15.3.1995 - 12 WF 29/95, OLGReport Oldenburg 1995, 263 = FamRZ 1995, 1590; Palandt/Heldrich, BGB, 64. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 21; Winkler/von Mohrenfels in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 202) ist allerdings streitig.
Einigkeit besteht dabei, soweit ersichtlich, darüber, dass Art. 8 III des Abkommens - im Gegenzug zur Unterstellung der im Iran lebenden Deutschen unter deutsches Recht - die Behandlung von Iranern in Deutschland nach iranischem Recht zusichert (Art. 8 III S. 1) und ein Abgehen von dieser Zusicherung nur dann gestattet, wenn von den Kollisionsnormen des deutschen Ordre public die Anwendung deutschen Rechts geboten wird (Art. 8 III S. 2). Dieser Charakter des Art. 8 III S. 2 des Abkommens als einer Ordre-public-Klausel folgt dabei nicht nur aus der Entstehungsgeschichte der Norm (vgl. dazu eingehend Krüger, FamRZ 1973, 6 [7 f.]), sondern auch aus deren Wortlaut (vgl. Krüger, FamRZ 1973, 6 [8 f.]; vgl. auch Schotten/Wittkowski, FamRZ 1995, 264 [267]; in diese Richtung auch BGH, Beschl. v. 14.10.1992 - XII ZB 18/92, MDR 1993, 50 = FamRZ 1993, 316). Danach kann die grundsätzlich vorgeschriebene Anwendung iranischen Rechts nur ausnahmsweise und [nicht: Oder!] nur insoweit ausgeschlossen werden, als ein solcher Ausschluss allgemein ggü. jedem fremden Staat erfolgt. Dieser auf Ausnahmefälle beschränkten Bedeutung des Art. 8 III S. 2 des Abkommens würde nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn man die Regelung nicht auf Verstöße gegen den Ordre public begrenzte und sie vielmehr als eine generelle Vorbehaltsnorm verstünde, die es ermöglicht, in Bezug auf iranische Staatsangehörige personen-, familien- und erbrechtliche Fragen weiter gehend der Regelung des deutschen Rechts zu unterstellen, sofern nur für die Angehörigen anderer fremder Staaten eine vergleichbare Kollisionsregel besteht.
Versteht man Art. 8 III S. 2 des Abkommens danach als eine Öffnungsklausel, die es lediglich gestattet, bei Verstößen gegen den Ordre public anstelle des von Art. 8 III S. 1 des Abkommens berufenen iranischen Rechts deutsches Recht anzuwenden, kommt eine Anwendung des Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB auf die Scheidung iranischer Staatsangehöriger nur in Betracht, wenn man auch diese Regelung als einen speziellen Ordre-public-Vorbehalt ansieht. Eine solche Einordnung des Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB wird von Teilen der Rechtsprechung (OLG Oldenburg v. 15.3.1995 - 12 WF 29/95, OLGReport Oldenburg 1995, 263 = FamRZ 1995, 1590) und Literatur (Winkler/von Mohrenfels in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 202; Blumenwitz in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., Art. 6 EGBGB Rz. 4; Schotten/Wittkowski, FamRZ 1995, 264 [267]) in der Tat vertreten. Der Senat folgt dieser Auffassung indes nicht (ebenso OLG Köln v. 17.5.2001 - 21 UF 35/01, FamRZ 2002, 613 f.; OLG Frankfurt v. 27.1.2003 - 5 WF 210/02, OLGReport Frankfurt 2003, 303 f.; OLG Düsseldorf v. 17.7.2002 - 5 UF 24/02, FamRZ 2003, 379 [381]; Staudinger/Mankowsi, 13. Bearb., Art. 17 Rz. 355; Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 67; Rahm/Künkel/Paetzold, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Stand 2003, VIII Rz. 873). Ein Verstoß gegen den Ordre public liegt nur vor, wenn die Anwendung der Rechtsnormen eines anderen Staates zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (vgl. Art. 6 S. 1 EGBGB). Das ist nicht immer schon dann der Fall, wenn nach dem auf die Scheidung anwendbaren ausländischen Recht ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet, ein Ehegatte aber in der Ehezeit inländische Versorgungsanrechte erworben hat (vgl. Art. 17 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 EGBGB) oder wenn die Ehewirkungen zumindest für einen Teil der Ehezeit einem Recht unterlagen, das den Versorgungsausgleich kennt. Art. 17 Abs. 3 S. 2 letzter Halbs. EGBGB lässt es deshalb auch für die Anwendung des deutschen Versorgungsausgleichsrechts genügen, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs "der Billigkeit nicht widerspricht"; dass dessen Unterbleiben aus der Sicht des deutschen Rechts zu untragbaren und deshalb mit dem Ordre public unvereinbaren Ergebnissen führen würde, wird von der Vorschrift also gerade nicht verlangt. Die Gegenansicht, die in Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB eine besondere Ausprägung des Ordre-public-Grundsatzes sieht, überhöht demgegenüber das Gewicht des Versorgungsausgleichs (vgl. Staudinger/Mankowsi, 13. Bearb., Art. 17 Rz. 355), der weltweit zudem bisher ohnehin wenig verbreitet ist (Rahm/Künkel/Paetzold, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Stand 2003, VIII Rz. 873). Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB ist vielmehr wesentlich Ausdruck der Verflechtung mit dem Sozialversicherungsrecht oder dient dem Schutz berechtigter Erwartungen (Staudinger/Mankowsi, 13. Bearb., Art. 17 Rz. 355). Hinter dem von Art. 8 III des Abkommens - auch als Versorgungsausgleichsstatut - vorgegebenen Heimatrecht tritt er zurück.
Fundstellen
BGHR 2005, 1532 |
EBE/BGH 2005, 2 |
FamRZ 2005, 1666 |
NJW-RR 2005, 1449 |
DNotI-Report 2005, 165 |
MDR 2006, 27 |
FamRBint 2006, 1 |