Tenor
Zuständig ist das Amtsgericht Fulda.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt mit einer am 7. Februar 1992 zum Amtsgericht Kerpen (OLG-Bezirk Köln) eingereichten Stufenklage vom Beklagten Auskunft und Unterhalt für sich und drei aus der Ehe der Parteien hervorgegangene minderjährige Kinder. Die Klage wurde dem Beklagten am 28. März 1992 unter der in der Klageschrift genannten Anschrift in Steinau (Amtsgerichtsbezirk Gelnhausen) persönlich zugestellt. Mit Schriftsatz vom 21. April 1992 bestellte sich für den Beklagten ein Prozeßbevollmächtigter und rügte die örtliche Zuständigkeit, weil der Beklagte in Flieden (Amtsgerichtsbezirk Fulda) wohne. In dem auf den 23. Juni 1992 anberaumten Termin erließ das Amtsgericht Kerpen auf Antrag der Klägerin einen Beschluß, durch den es sich für (örtlich) unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Fulda (OLG-Bezirk Frankfurt am Main) verwies. Nachdem zwischenzeitlich der Versuch dieses Gerichts, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, gescheitert war, verwies es durch Beschluß vom 20. Januar 1993 den Rechtsstreit an Amtsgericht Kerpen in der durch Vortrag der Klägerin hervorgerufenen Annahme, daß dort inzwischen ein Scheidungsantrag rechtshängig geworden sei (§ 621 Abs. 3 ZPO), nahm den Vorgang aber wieder in eigene Zuständigkeit zurück, nachdem sich herausgestellt hatte, daß keine Partei einen Scheidungsantrag gestellt hatte. Mit Schriftsatz vom 17. Juni 1993 bestellten sich für den Beklagten neue Prozeßbevollmächtigte mit der Anzeige, der Beklagte sei zwischenzeitlich in den Bezirk des Amtsgerichts Kerpen verzogen. Auf Antrag beider Parteien verwies das Amtsgericht Fulda daraufhin mit Beschluß vom 28. Juni 1993 den Rechtsstreit erneut an Amtsgericht Kerpen. Dieses lehnte mit Verfügung vom 23. Juli 1993 die Übernahme ab.
Amtsgericht Fulda hat mit Beschluß vom 10. August 1993 die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des örtlichen zuständigen Gerichtes vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung durch den Bundesgerichtshof nach § 36 Nr. 6 ZPO sind gegeben. Mit den Familiengerichten Fulda und Kerpen haben sich zwei Amtsgerichte, die in verschiedenen OLG-Bezirken liegen, nach Eintritt der Rechtshängigkeit im Sinne von § 36 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt. Die Entscheidung des Amtsgerichts Kerpen vom 23. Juli 1993, die abschriftlich beiden Parteien übersandt wurde, enthält zwar keine ausdrückliche Erklärung der Unzuständigkeit; aus ihrem Gesamtinhalt ergibt sich jedoch zweifelsfrei, daß dieses Gericht seine örtliche Zuständigkeit verneint. Weder der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Fulda noch die einem Rückverweisungsbeschluß gleichkommende Verfügung des Amtsgerichts Kerpen sind für die Parteien anfechtbar (§ 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
2. Das Amtsgericht Fulda ist als zuständig zu bestimmen, denn es ist durch den (ersten) bindenden Verweisungsbeschluß Amtsgerichts Kerpen vom 23. Juni 1992 zuständig geworden und bleibt an die dadurch begründete Zuständigkeit ungeachtet eines danach eingetretenen Wohnsitzwechses Beklagten gebunden (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
a) Die Bindungswirkung des Beschlusses vom 23. Juni 1992 wäre nur dann nicht gegeben, wenn der Verweisung jede gesetzliche Grundlage gefehlt und sie auf Willkür beruht hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluß BGHZ 71, 69, 72). Dafür liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Zwar könnte der Umstand, daß die Klage dem Beklagten persönlich an einem Ort zugestellt worden ist, der im Amtsgerichtsbezirk Gelnhausen liegt, dafür sprechen, daß der Beklagte an diesem Ort seinen Wohnsitz begründet hatte. Das ist jedoch nicht zwingend und kann letztlich offenbleiben. Denn nachdem der Beklagte bereits zwei Monate vor Erlaß des Verweisungsbeschlusses hatte mitteilen lassen, daß er in Flieden (Amtsgerichtsbezirk Fulda) wohne, beruhte der auf den Antrag der Klägerin ergangene Verweisungsbeschluß an dieses Gericht jedenfalls nicht auf Willkür. Selbst wenn der Beklagte im Zeitpunkt der Rechtshangigkeit noch nicht im Bezirk des Amtsgerichts Fulda gewohnt haben sollte und die Verweisung an dieses Gericht rechtsfehlerhaft gewesen wäre, würde keine Ausnahme von dem Grundsatz rechtfertigen, daß selbst auf Verfahrensmängeln beruhende Verweisungsbeschlüsse grundsätzlich wirksam und bindend sind (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 2. März 1988 – IVb ARZ 6/88 – und vom 15. Mai 1991 – XII ARZ 9/91 – ZPO § 281 Abs. 2 Satz 2, Verweisung, fehlerhafte 1 und Bindungswirkung 4). Von dieser Bindungswirkung ist Amtsgericht Fulda auch selbst ausgegangen, indem es das übergegangene Verfahren aufgenommen und weiterbetrieben hat.
b) An der Zuständigkeit Amtsgerichts Fulda hat sich auch nichts dadurch geändert, daß dieses Gericht durch Beschluß vom 20. Januar 1993 das Verfahren schon einmal an Amtsgericht Kerpen zurückverwiesen hatte. Seinerzeit war das Amtsgericht Fulda von der später als irrig erkannten Annahme ausgegangen, beim Amtsgericht Kerpen sei zwischenzeitlich ein Scheidungsantrag rechtshängig geworden, so daß die Voraussetzungen § 621 Abs. 3 ZPO eingetreten seien. Dieser Beschluß ist indessen dadurch gegenstandslos geworden, daß das Amtsgericht Kerpen unter Hinweis auf den tatsächlichen Sachstand die Übernahme abgelehnt und die Akten zurückgesandt hat, worauf das Amtsgericht Fulda das Verfahren durch Terminsanberaumung wiederum weiterbetrieben hat.
c) Der erneute Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Fulda vom 28. Juni 1993 bindet Amtsgericht Kerpen nicht. Dieser Rückverweisung steht die fortdauernde Bindungswirkung der Erstverweisung entgegen. Diese entfällt nur ausnahmsweise mit der Folge, daß eine erneute Prüfung der örtlichen Zuständigkeit gerechtfertigt ist, etwa wenn der Streitgegenstand nach der Erstverweisung verändert wird (vgl. BGH, Beschluß vom 17. Mai 1989 – I ARZ 254/89 – a.a.O. Rückverweisung 1 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Wohnsitz Beklagten gehört vielmehr zu denjenigen Umständen, die die örtliche Zuständigkeit des Prozeßgerichtes begründen und deren Veränderung nach Eintritt der Rechtshändigkeit die Zuständigkeit unberührt laßt (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
d) Das Hindernis für eine Rückverweisung entfiel schließlich auch nicht dadurch, daß beide Parteien die Verweisung Rechtsstreits an das Amtsgericht Kerpen beantragt haben, in dessen Bezirk sie nunmehr auch beide wieder wohnen und ihre Prozeßbevollmächtigten jeweils die Kanzlei betreiben. Ein übereinstimmender Verweisungsantrag stellt noch keine Zuständigkeitsvereinbarung dar; die Vorschrift des § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO stände im übrigen auch der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung entgegen, wenn sie erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit geschlossen wird. Deshalb bedarf es auch keiner Prüfung der Frage,- ob im Rahmen des gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses überhaupt eine Vereinbarung über die örtliche Zuständigkeit zulässig ist (vgl. Senatsbeschluß vom 2. März 1988 a.a.O.).
3. Soweit infolge der gesetzlichen Regelung in § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO Bestimmungsverfahren zu dem Ergebnis führt, daß in dem Rechtsstreit ein an sich (örtlich) unzuständiges Gericht zu entscheiden hat, verletzt diese Folge nicht den Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Denn sie ergibt sich aus dem vom Gesetzgeber bewußt festgelegten Vorrang der Bindungswirkung, deren Sinn darin besteht, den für die Beteiligten stets mißlichen Streit über die Zuständigkeit bald zu beenden und zur Sachentscheidung zu gelangen (vgl. 71, 15, 18; 71, 69, 74).
Unterschriften
Blumenröhr, Nonnenkamp
Fundstellen