Gründe
I. Die am 16. August 1975 geborene Klägerin ist eheliches Kind des Beklagten aus dessen 1981 geschiedener Ehe. Mit einer am 22. Mai 1991 zum Kreisgericht - jetzt Amtsgericht - Bitterfeld (OLG-Bezirk Naumburg) eingereichten Stufenklage begehrte sie Auskunft und eine Erhöhung des für sie im Scheidungsurteil geregelten Unterhalts. Die Klage wurde dem Beklagten am 29. November 1991 an seinem damaligen Wohnort in R. (OLG-Bezirk Bamberg) durch Niederlegung zugestellt. Aufgrund eines gerichtlichen Hinweises, daß es sich um eine Abänderungsklage handele und Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Kreisgerichts Bitterfeld bestünden, beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. Dezember 1991, von dem eine Abschrift dem Beklagten übersandt wurde, die Verweisung an das zuständige Gericht. In dem auf den 7. Januar 1992 anberaumten Termin - zu dem der Beklagte geladen aber nicht erschienen war - erließ das Kreisgericht Bitterfeld einen Beschluß, durch den es sich für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das Amtsgericht Bamberg verwies. Der Beschluß wurde beiden Parteien am 20. bzw. 21. Februar 1992 zugestellt. Das Amtsgericht Bamberg bewilligte der Klägerin Prozeßkostenhilfe und beraumte eine mündliche Verhandlung auf den 21. Mai 1992 an. In diesem Termin, in dem für die Klägerin niemand erschienen war, erkannte der Beklagte an, der Klägerin die beantragte Auskunft erteilen zu müssen, und erklärte sich mit einer Fortsetzung im schriftlichen Verfahren einverstanden. Nachdem danach das Verfahren nicht weiterbetrieben wurde, verfügte der Richter am 1. Dezember 1992, die Akte wegzulegen.
Die inzwischen volljährig gewordene Klägerin rief mit einem am 26. Juli 1994 beim Amtsgericht Bamberg eingegangenen Schriftsatz das ruhende Verfahren wieder auf und kündigte bezifferte Zahlungsanträge an. Außerdem beantragte sie, das Verfahren an das "nunmehr wieder zuständige Amtsgericht Bitterfeld" zu verweisen, weil der Beklagte inzwischen in den Bezirk dieses Gerichtes zurückgezogen sei. Eine Abschrift dieses Schriftsatzes wurde dem Beklagten am 2. August 1994 mit der Anfrage übersandt, ob er mit der beantragten Verweisung einverstanden sei. Der Beklagte beantwortete sie nicht. Mit - beiden Parteien mitgeteiltem - Beschluß vom 14. September 1994 verneinte das Amtsgericht Bamberg seine (weitere) Zuständigkeit und verwies den Rechtsstreit auf den Antrag der Klägerin an das Amtsgericht Bitterfeld. Dieses lehnte mit Verfügung vom 26. September 1994 die Übernahme ab und legte - nachdem zwischenzeitlich das Amtsgericht Bamberg auf seinem Verweisungsbeschluß beharrt hatte - die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes vor.
II. 1. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung durch den Bundesgerichtshof nach § 36 Nr. 6 ZPO sind gegeben. Die Amtsgerichte Bitterfeld und Bamberg, die in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken liegen, haben sich nach Eintritt der Rechtshängigkeit im Sinne der genannten Bestimmung rechtskräftig für unzuständig erklärt. Beide Beschlüsse sind für die Parteien unanfechtbar (§ 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
2. Das Amtsgericht Bamberg ist als zuständig zu bestimmen, denn es ist durch den Verweisungsbeschluß des damaligen Kreisgerichts Bitterfeld vom 7. Januar 1992 zuständig geworden und bleibt an die dadurch begründete Zuständigkeit ungeachtet eines danach eingetretenen Wohnsitzwechsels des Beklagten gebunden (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Durch die Zustellung der Klageschrift war auch der im Wege der Stufen klage erhobene, seinerzeit noch nicht bezifferte Zahlungsanspruch rechtshängig geworden (Senatsbeschlüsse vom 13. April 1988 - IVb ARZ 13/88 - und vom 8. Juni 1988 - IVb ARZ 28/88 - BGHR ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 2 Stufenklage 1 und 2 m.w.N.). Umstände, die ausnahmsweise einer Bindungswirkung entgegenstünden, sind nicht ersichtlich. Das Amtsgericht Bamberg hat seine Zuständigkeit daher seinerzeit auch zu Recht nicht in Zweifel gezogen, vielmehr das Verfahren übernommen und durch Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Klägerin und die Anberaumung des Verhandlungstermins vom 21. Mai 1992 weiterbetrieben.
3. Der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Bamberg vom 14. September 1994 bindet das Amtsgericht Bitterfeld nicht. Dieser Rückverweisung steht die fortdauernde Bindungswirkung der Erstverweisung entgegen. Diese entfällt nur ausnahmsweise mit der Folge, daß eine erneute Prüfung der örtlichen Zuständigkeit gerechtfertigt wäre, etwa wenn der Streitgegenstand nach der Erstverweisung verändert wird (vgl. BGH Beschluß vom 17. Mai 1989 - I ARZ 254/89 - BGHR ZPO § 281 Abs. 2 Satz 2 Rückverweisung 1 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Insbesondere endete die Rechtshängigkeit der Stufenklage nicht dadurch, daß der Rechtsstreit von den Parteien nicht betrieben wurde und der Richter nach der Aktenordnung verfügt hatte, die Akten wegzulegen (vgl. Senatsbeschluß vom 24. März 1993 - XII ARZ 3/93 - BGHR ZPO § 621 Abs. 2 Anhängigkeit 1 m.w.N.; Zöller/Greger ZPO 19. Aufl. § 261 Rdn. 7). Ebensowenig veranlaßte der Wohnsitzwechsel eine erneute Prüfung. Denn der Wohnsitz des Beklagten gehört zu denjenigen Umständen, die die örtliche Zuständigkeit des Prozeßgerichts begründen und deren Veränderung nach Eintritt der Rechtshängigkeit die Zuständigkeit unberührt läßt (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
Das Hindernis für eine Rückverweisung entfiel schließlich auch nicht dadurch, daß der Beklagte der von der Klägerin beantragten Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Bitterfeld - in dessen Bezirk nunmehr beide Parteien wieder wohnen - nicht widersprochen hat. Denn selbst ein ausdrückliches Einverständnis oder ein gleichlautender Antrag des Beklagten würde die Rechtslage nicht verändert haben, weil die Vorschrift des § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO auch der Wirksamkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung entgegensteht, wenn diese erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit geschlossen wird (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 2. März 1988 - IVb ARZ 6/88 - BGHR ZPO § 281 Abs. 2 Satz 2 Verweisung, fehlerhafte 1).
4. Infolge der gesetzlichen Regelung in § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO führt das Bestimmungsverfahren hier zwar zu dem Ergebnis, daß in dem Rechtsstreit ein örtlich weit entferntes Gericht zu entscheiden hat, das nicht zuständig wäre, wenn die von der Klägerin bezifferten Unterhaltsansprüche isoliert, d.h. außerhalb einer Stufenklage mit einer im Juli 1994 eingereichten Klage geltend gemacht worden wären. Das ist indessen hinzunehmen. Die eingetretene Folge ergibt sich aus dem vom Gesetzgeber bewußt festgelegten Vorrang der Bindungswirkung, deren Sinn darin besteht, den für die Beteiligten stets mißlichen Streit über die Zuständigkeit bald zu beenden und zur Sachentscheidung zu gelangen (vgl. BGHZ 71, 15, 18; 71, 69, 74).
Fundstellen
Haufe-Index 2993312 |
DRsp IV(418)272a-b |
DRsp IV(418)277b |
FamRZ 1995, 729 |
NJW-RR 1995, 513 |
EzFamR ZPO § 254 Nr. 2 |