Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 13.01.2020; Aktenzeichen 500 Js 30/19 34 KLs 39/19) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 13. Januar 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einstellung im Übrigen wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen und wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte Mitglied einer aus drei, zeitweise auch vier Personen bestehenden Gruppierung, die in D. einen schwunghaften Straßenhandel mit Kokain betrieb. Kopf der Gruppierung war der gesondert Verfolgte H., während die anderen Personen sich vorwiegend als „Läufer” betätigten. Das Aufgabenfeld des Angeklagten bestand in seiner Beteiligung am Portionieren, dem Verkauf auf der Straße und der Einweisung neuer „Läufer”. Am 5. und 6. Februar 2018 half der Angeklagte jeweils beim Portionieren von 30 Gramm Kokain in einzelne Bubbles mit (Fälle 1 und 2). In der Zeit von Februar 2018 bis zum 5. Juni 2018 portionierte er gemeinsam mit zwei anderen Personen bei mindestens zehn Gelegenheiten jeweils 50 Gramm Kokain in einzelne Bubbles. Davon hat das Landgericht einen Fall wegen Strafklageverbrauchs eingestellt (Fälle 3 bis 11). Zwischen dem 3. Juli 2018 und dem 31. August 2018 begleitete der Angeklagte bei mindestens 20 Gelegenheiten einen Straßenverkäufer und sicherte ihn ab, während dieser jeweils 0,2 Gramm Kokain an Abnehmer veräußerte. Außerdem übergab der Angeklagte in dieser Zeit selbst bei fünf Gelegenheiten auf Geheiß eines anderen Bandenmitglieds an einen Käufer jeweils 0,2 Gramm Kokain (Fälle 12 bis 36). Das Kokain hatte jeweils einen Wirkstoffgehalt von 80 % Kokainhydrochlorid.
Rz. 3
2. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Gehilfentätigkeit des Angeklagten als selbständige Taten der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen sowie der Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 25 Fällen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die naheliegende Möglichkeit, dass mehrere Beihilfehandlungen zu einer Tat im Rechtssinne zusammenzufassen sind, nicht erörtert.
Rz. 4
a) Sind an mehreren Taten – insbesondere an einer Deliktserie – mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Dies gilt wegen der Akzessorietät der Beihilfe aber dann nicht, wenn mehrere an sich selbstständige Beihilfehandlungen eine Haupttat fördern. In einem solchen Fall werden die Beihilfehandlungen zu einer Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst. Fördert ein Gehilfe das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, bestimmt sich die Frage, ob insoweit eine oder mehrere Taten im Rechtssinne vorliegen, nach den Grundsätzen zur tatbestandlichen Bewertungseinheit, also danach, ob verschiedene Betätigungen des Haupttäters auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2020 – 4 StR 23/20, Rn. 4; Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12, Rn. 12; BGH, Beschluss vom 5. August 2014 – 3 StR 340/14, Rn. 5).
Rz. 5
b) Feststellungen zu der oder den Haupttaten, die der Angeklagte durch seine Tätigkeiten gefördert hat, hat das Landgericht nicht getroffen. Es hat vielmehr die Beihilfehandlungen des Angeklagten bewertet, ohne einen Bezug zu einer Haupttat herzustellen, obwohl es sich nach den getroffenen Feststellungen aufdrängte, dass der Angeklagte durch mehrere an sich selbstständige Tätigkeiten dieselbe Haupttat des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) unterstützte. Angesichts der Bandenstruktur der Gruppierung und des schwunghaften, gut organisierten Absatzsystems unter Hinzuziehung von „Läufern” sowie angesichts des zeitlichen Zusammenhangs der ausgeurteilten Beihilfehandlungen liegt es nahe, dass der oder die Haupttäter im Tatzeitraum über größere Betäubungsmittelmengen verfügten, die lediglich sukzessive in Teilmengen dem Angeklagten und den weiteren Tatbeteiligten zur Vorbereitung des Absatzes bzw. zum Straßenhandel überlassen wurden. Vor diesem Hintergrund war es erforderlich, Feststellungen zu den Haupttaten zu treffen, um prüfen zu können, ob mehrere Tätigkeiten des Angeklagten zu einer Tat im Rechtssinne zusammenzufassen sind.
Rz. 6
Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die konkurrenzrechtliche Bewertung der Beihilfehandlungen des Angeklagten rechtlich unzutreffend und er hierdurch beschwert ist. Der neue Tatrichter wird daher Feststellungen zu der bzw. den vom Angeklagten geförderten Haupttat(en) zu treffen und die Beihilfehandlungen des Angeklagten diesen zuzuordnen haben.
Rz. 7
c) Es kommt deshalb nicht mehr entscheidend darauf an, dass das Landgericht bei der Strafrahmenwahl nicht ausdrücklich bedacht hat, dass auch die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund begründenden Umstände zur Annahme eines minder schweren Falles führen können (vgl. zur Prüfungsreihenfolge BGH, Beschluss vom 24. Juni 2020 – 2 StR 466/19).
Unterschriften
Sost-Scheible, Bender, Quentin, Bartel, Lutz
Fundstellen
Haufe-Index 14204795 |
NStZ-RR 2020, 375 |