Entscheidungsstichwort (Thema)
Mord
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. März 2000 im Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes verurteilt und die besondere Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) festgestellt. Während der Schuldspruch und der Strafausspruch rechtsfehlerfrei sind, hat die Sachrüge hinsichtlich des Ausspruchs über die besondere Schwere der Schuld Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen sind offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Bei den Angaben des Angeklagten im Polizeifahrzeug handelte es sich um Spontanäußerungen (UA S. 86). Ob der auf Nachfrage des Polizeibeamten erweiterte Aussageteil bei der anschließend – nach Belehrung über die Beschuldigtenrechte – erfolgten förmlichen Vernehmung auf der Dienststelle, auf die allein das Urteil Bezug nimmt, fortgewirkt hat, kann der Senat nicht überprüfen, da Inhalt und Ablauf dieser Vernehmung nicht mitgeteilt werden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Auf einem etwaigen Verfahrensverstoß würde das Urteil zudem schon deshalb nicht beruhen, weil der Angeklagte in seiner richterlichen Beschuldigtenvernehmung vom 11. Dezember 1998 in Anwesenheit seines Verteidigers das Vorhandensein der Zigarettenkippen anders als im Polizeifahrzeug geschehen erklärt hat.
Die die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung vom 12. Juni 1998 betreffende Verfahrensrüge ist unzulässig, da Ablauf und Inhalt der Vernehmung nicht mitgeteilt werden. Zudem war der Angeklagte dort zur Aussage ohne Beisein seines Verteidigers bereit (UA S. 88).
2. Bei der Begründung der besonderen Schwere der Schuld hat das Landgericht dem Angeklagten mehrfach zwei „frühere Übergriffe” (sexuelle Angriffe gegenüber einem zehnjährigen Mädchen im Jahre 1980 und gegenüber einem achtjährigen Mädchen im Jahre 1982) angelastet. Diese Vorfälle durften zur Begründung der Schuldschwere nicht herangezogen werden.
Bei dem ersten Vorfall von 1980 war der damals elfjährige Angeklagte schuldunfähig (§ 19 StGB), so daß das damalige Geschehen bei der Beurteilung der Schuldschwere keine Rolle spielen durfte.
Die zweite Tat von 1982 – der Angeklagte war damals 14 Jahre alt – wurde mit einer jugendrichterlichen Weisung geahndet. Nach § 63 Abs. 4 i.V.m. § 51 BZRG dürfen die Tat und die Verurteilung nicht zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden (vgl. nur BGH StV 1998, 17 und BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 1996 – 1 StR 630/96 – und vom 27. Juni 2000 – 1 StR 232/00 –). Das Verwertungsverbot gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte selbst zu seiner Verteidigung auf diese Tat berufen hatte (BGHSt 27, 108; BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 5; BGH, Beschluß vom 4. Oktober 2000 – 2 StR 352/00 –).
Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Annahme der Schuldschwere auf diesem Rechtsfehler beruht. Zwar liegt die besondere Schwere der Schuld schon aufgrund der Tatumstände der abgeurteilten Tat und der sonstigen rechtsfehlerfrei bewerteten Umstände nahe. Das Revisionsgericht kann seine eigene Wertung nicht an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 – 4 StR 375/00 –). Der Ausspruch über die Schuldschwere war daher aufzuheben; die Feststellungen können bestehen bleiben, da es sich um einen Wertungsfehler handelt.
Unterschriften
Schäfer, Nack, Wahl, Schluckebier, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 547452 |
NStZ-RR 2001, 237 |