Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 21.03.2017) |
AG Halle-Saalkreis (Urteil vom 03.05.2016) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom 21. März 2017
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und
- dahin geändert, dass die Erklärung der Erledigung der mit Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 angeordneten Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in 13 Fällen sowie wegen „besonders schweren Fall(s) des Diebstahls” in zwei Fällen unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 und unter Einbeziehung der dort festgesetzten Einzelstrafen sowie unter Einbeziehung der Strafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 12. Januar 2016 und vom 23. September 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es die in dem Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt.
Rz. 2
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision und erhebt die nicht näher ausgeführte Sachrüge. Die Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 3
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat weder zum Schuldspruch noch hinsichtlich der vom Landgericht verhängten Einzelstrafen einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Jedoch kann der Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben (1.). Darüber hinaus hat die Erklärung der Erledigung der im Urteil des Amtsgerichts Halle vom 3. Mai 2016 angeordneten Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu entfallen (2.).
Rz. 4
1. Die vom Landgericht vorgenommene Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 sowie aus den Strafbefehlen dieses Gerichts vom 12. Januar 2016 und vom 23. September 2016 begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 5
Der Angeklagte wurde u.a. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Eisleben vom 14. August 2015 wegen gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Landgericht konnte nicht sicher feststellen, ob diese Geldstrafe bei Erlass des angefochtenen Urteils bereits vollständig vollstreckt war. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass diesem Strafbefehl mit Blick auf die hier einbezogenen Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 – jedenfalls teilweise – zäsurbildende Wirkung zukommt. Denn das Urteil vom 3. Mai 2016 hatte (auch) fünf Taten zum Gegenstand, die der Angeklagte vor Erlass des Strafbefehls des Amtsgerichts Eisleben vom 14. August 2015 beging.
Rz. 6
Der Angeklagte kann durch einen möglichen Rechtsfehler in der Gesamtstrafenbildung hier beschwert sein. Bei der unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) vorzunehmenden Bildung der neuen Gesamtstrafe werden auch mit Blick auf die nach den bisher getroffenen Feststellungen ebenfalls noch nicht erledigten Verurteilungen des Angeklagten durch das Amtsgericht Halle (Saale) vom 12. Januar 2016 und vom 23. September 2016 gegebenenfalls weitere Zäsuren zu prüfen sein.
Rz. 7
2. Das Landgericht hat ferner die in dem einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 3. Mai 2016 angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu Unrecht für erledigt erklärt.
Rz. 8
Die Grundsätze der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB), wonach dem Angeklagten der Vorteil der Gesamtstrafe in demselben Umfang gewährt werden soll, wie er ihn bei gemeinsamer Aburteilung aller Taten im ersten Urteil gehabt hätte, finden gemäß § 55 Abs. 2 StGB auch auf eine in dem früheren Urteil erkannte Maßregel Anwendung und haben Vorrang vor § 67f StGB (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1981 – 4 StR 622/81, BGHSt 30, 305, 307; Urteil vom 11. September 1997 – 4 StR 287/97, BGHR StGB § 64 Anordnung 4; Beschluss vom 8. November 1991 – 2 StR 409/91). Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nicht erneut über die Verhängung der Maßregel sachlich zu entscheiden ist, sondern die frühere Maßregelanordnung aufrechterhalten bleiben muss (BGH, jeweils aaO). Die Entscheidung, diese Maßregel mangels fortbestehender Erfolgsaussicht für erledigt zu erklären, obliegt allein der Strafvollstreckungskammer (§ 463 Abs. 1 i.V.m. § 462a StPO).
Rz. 9
Die Anordnung des Landgerichts, die Maßregel im vorliegenden Fall für erledigt zu erklären, muss daher entfallen. Die nach § 55 Abs. 2 StGB erforderliche Entscheidung wird im Rahmen der erforderlichen Neubeurteilung der Gesamtstrafenlage zu treffen sein.
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Franke, Bender, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 11714377 |
NStZ-RR 2018, 172 |
StV 2019, 245 |