Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 10.05.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster (Westf.) vom 10. Mai 2017 wird
- das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II.2 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
das vorgenannte Urteil
aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, und
bb) im Gesamtstrafenausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Die Entscheidung über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „eines Falles des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Opium) in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge” unter Einbeziehung der Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten aus einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt nach einer Teileinstellung des Verfahrens zu einer Änderung des Schuldspruchs und Aufhebung der Gesamtstrafe; im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Entgegen der missverständlich formulierten Urteilsformel hat das Landgericht ausweislich seiner ausführlichen Darlegungen zur rechtlichen Würdigung das abgeurteilte strafbare Verhalten des Angeklagten als zwei materiell-rechtlich selbständige Taten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet und für die Tat am 15. November 2016 (II.2 der Urteilsgründe) eine Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten und für die Tat am 20./21. November 2016 eine Einzelstrafe von vier Jahren verhängt. Die Annahme real konkurrierender Taten hat es damit begründet, dass eine – infolge tateinheitlicher Verknüpfung mehrerer Bewertungseinheiten – einheitliche Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mehrere zu deren Verwirklichung vorgenommene Einfuhren von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht zu einer Tat verbinden könne.
Rz. 3
Der Senat kann über die vom Landgericht vorgenommene Bewertung des Konkurrenzverhältnisses nicht abschließend befinden, ohne von tragenden Entscheidungen anderer Senate des Bundesgerichtshofs abzuweichen. Während der 1. und 2. Strafsenat ebenso wie der erkennende Senat entschieden haben, dass mehrere Taten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch eine einheitliche jeweils teilidentische Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat verbunden werden (vgl. BGH, Urteile vom 18. Juli 1984 – 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 6 f.; vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147, 149; Beschlüsse vom 5. November 1993 – 2 StR 534/93, NStZ 1994, 135; vom 22. Oktober 1996 – 1 StR 548/96, NStZ 1997, 136; Vorlagebeschluss vom 22. Mai 2014 – 4 StR 223/13, Rn. 9 ff.; offengelassen in BGH, Urteil vom 22. August 2012 – 2 StR 530/11, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 13; zweifelnd BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 2 ARs 319/13, NStZ-RR 2014, 81), hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs eine Verklammerung mehrerer Einfuhrtaten von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch ein einheitliches jeweils teilidentisches Delikt des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verneint (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Februar 2011 – 3 StR 3/11; vom 6. Februar 2014 – 3 ARs 7/13, NStZ-RR 2014, 146). Da der Angeklagte durch die Annahme selbständiger, real konkurrierender Taten beschwert ist, kann der Senat die Konkurrenzfrage auch nicht offenlassen.
Rz. 4
Im Hinblick darauf, dass sich der Angeklagte in Haft befindet und die für die Tat II.2 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe neben der Einsatzstrafe von vier Jahren und der im Zuge der nachträglichen Gesamtstrafenbildung einzubeziehenden Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten nicht beträchtlich ins Gewicht fällt, sieht der Senat von der zeitaufwendigen Durchführung eines Anfrageverfahrens nach § 132 Abs. 2 GVG ab und stellt das Verfahren hinsichtlich der Tat II.2 der Urteilsgründe auf Antrag des Generalbundesanwalts aus prozessökonomischen Gründen nach § 154 Abs. 2 StPO ein.
Rz. 5
2. Die Teileinstellung des Verfahrens hat die Änderung des Schuldspruchs, den Wegfall der im Fall II.2 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe sowie die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge.
Rz. 6
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über den Gesamtstrafenausspruch dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. Eine Verweisung in das Beschlussverfahren kann auch dann erfolgen, wenn – wie hier – im Revisionsverfahren eine Einzelstrafe durch Einstellung in Wegfall kommt und nur deshalb über die Gesamtstrafe neu zu befinden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. August 2017 – 4 StR 275/17, Rn. 4; vom 13. März 2014 – 4 StR 537/13, NStZ-RR 2014, 222 [Ls]).
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Franke, Bender, Quentin
Fundstellen
Dokument-Index HI11398691 |