Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 17.07.2003) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17. Juli 2003 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten zeigt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Dagegen führt die Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Nach den Feststellungen erreichte den nicht vorbestraften Angeklagten, der gerade in einer Sporthalle an einem Fußballturnier teilnahm, der Hilferuf seines vor der Halle befindlichen Schwagers, er werde von zwei Männern geschlagen, die den Angeklagten bereits auf seinem Weg zum Fußballturnier ohne Anlaß in aggressiver Weise verfolgt und beschimpft und damit eine Schlägerei ausgelöst hatten. Der Angeklagte und sein Bruder eilten darauf nach außen, um ihrem Schwager zu helfen, weitere Veranstaltungsteilnehmer folgten ihnen. Vor der Halle riß der Angeklagte aus einem Gartenzaun einen Holzpfahl und stellte einen der Angreifer aufgebracht zur Rede, wobei sich seine Erregung noch steigerte, als ihn dieser, wie schon zuvor u. a. mit Worten wie „Arschloch” beschimpfte. Darauf hin schlug der Angeklagte mit dem Pfahl in Richtung der Körperseite seines etwa einen Kopf größeren Gegners, traf ihn jedoch am Kopf, weil dieser sich in diesem Augenblick etwas abwandte und bückte. Sein Kontrahent erlitt ein subdurales Hämatom und fiel auf das Pflaster. Der Angeklagte war über die Konsequenz seines Schlages erschrocken und rannte davon. Der Geschädigte mußte sich einer Notoperation am Schädel unterziehen und befand sich mehrere Wochen im Koma. Auch nach der Rehabilitation besteht bei ihm noch eine starke linksseitige Bewegungseinschränkung, die voraussichtlich von Dauer, aber im Ausmaß ungewiß ist.
Die Strafkammer hat eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Ziff. 2 und 5 StGB (mittels eines gefährlichen Werkzeugs und einer das Leben gefährdenden Behandlung) angenommen. Sie hat den Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt und einen minder schweren Fall nach dieser Vorschrift verneint, weil dies nach einer Abwägung der Gesamtumstände nicht gerechtfertigt sei, insbesondere die Schwere der von dem Geschädigten S. erlittenen Verletzung dagegen spreche.
Der Strafausspruch hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, da die Strafzumessungserwägungen zwei durchgreifende Rechtsfehler enthalten:
Die Strafkammer hat die Schwere der vom Geschädigten S. erlittenen Verletzung entscheidend als einen die Annahme eines minder schweren Falles ausschließenden Umstand bewertet und auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne als „ganz erheblich” strafschärfend herangezogen, ohne erkennbar in Rechnung zu stellen, daß der Angeklagte eine solche schwere Kopfverletzung nicht gewollt, sondern gegen die Körperseite seines Gegners gezielt und nur wegen dessen unglücklicher Bewegung den Kopf getroffen hatte. Zwar kann bei der Strafzumessung auch diese nicht gewollte, wohl aber schuldhaft herbeigeführte Folge zugerechnet werden, jedoch nicht mit dem gleichen Gewicht wie bei einem gegen den Kopf gezielten Schlag. Zudem wäre in diesem Zusammenhang relativierend zu berücksichtigen gewesen, daß den Geschädigten wegen seines wiederholten, grundlos aggressiven Vorverhaltens ein erhebliches Mitverschulden trifft.
Die ebenfalls zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwägung, er habe sich „in der Situation ohne Not und ohne ersichtlichen Grund mit einem Kantholz bewaffnet, welches geeignet gewesen sei, erhebliche Verletzungen herbeizuführen”, ist rechtlich bedenklich. Sie steht nicht in Einklang damit, daß der Angeklagte auf die Mitteilung seines Schwagers, er werde von den zwei Männern angegriffen, die ihn zuvor bereits verfolgt hatten, zu Hilfe eilen und sich dabei zu seinem eigenen Schutz bewaffnen wollte (UA S. 7).
Auf diesen Rechtsfehlern beruht das Urteil. Der Senat kann angesichts der gegen den nicht vorbestraften, geständigen und reumütigen Angeklagten verhängten außergewöhnlich hohen Freiheitsstrafe nicht ausschließen, daß die Strafkammer bei zutreffender Bewertung einen minder schweren Fall angenommen hätte, dessen allein auf die Schwere der Verletzung gestützte Ablehnung ohnehin Bedenken begegnet, oder jedenfalls zu einer deutlich niedrigeren Freiheitsstrafe gelangt wäre.
Unterschriften
Tolksdorf, Winkler, RiBGH Pfister ist infolge Urlaubs an der Unterzeichnung gehindert. Tolksdorf, von Lienen, Hubert
Fundstellen