Leitsatz (amtlich)
Zur (hier verneinten) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer nicht befolgten mündlichen Anweisung des Rechtsanwalts an seine Büroangestellte, eine Rechtsmittelfrist zu notieren.
Normenkette
FamFG § 63; ZPO § 233
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 06.05.2011; Aktenzeichen II-5 UF 104/10) |
AG Mönchengladbach-Rheydt (Beschluss vom 06.05.2010; Aktenzeichen 19 F 9/10) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des OLG Düsseldorf vom 6.5.2011 wird auf Kosten der Antragsgegnerin verworfen.
Wert: 5.320 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Antragsteller und Antragsgegnerin sind geschiedene Eheleute. Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller die Abänderung eines 1994 geschlossenen Unterhaltsvergleichs beantragt. Das AG hat den Vergleich dahin abgeändert, dass der Antragsteller ab Dezember 2009 keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu zahlen hat.
Rz. 2
Der Beschluss ist der Antragsgegnerin am 11.5.2010 zugestellt worden. Mit einem am 2.6.2010 beim AG eingegangenen Schriftsatz hat die Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde beantragt. Das OLG hat durch Beschluss vom 20.10.2010 Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Der Beschluss des OLG ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 27.10.2010 zugestellt worden. Mit einem am 18.11.2010 beim OLG eingegangenen Schriftsatz hat die Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in die von ihr versäumte Wiedereinsetzungsfrist hinsichtlich der Beschwerdefrist beantragt. Ferner hat sie die Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist beantragt.
Rz. 3
Die Antragsgegnerin hat ihr Gesuch damit begründet, dass eine Mitarbeiterin ihres Verfahrensbevollmächtigten entgegen der von diesem mündlich erteilten Anweisung die Wiedereinsetzungsfrist nicht im Fristenkalender notiert habe. Die Akte sei stattdessen in die Registratur eingelegt worden. Das Versäumnis sei erst anlässlich eines von der Mitarbeiterin mit dem Verfahrensbevollmächtigten vereinbarten Rücksprachetermins am 15.11.2010 aufgefallen.
Rz. 4
Das OLG hat beide Wiedereinsetzungsgesuche zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Rz. 5
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
Rz. 6
1. Nach der Auffassung des OLG hat die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen sei. Vielmehr beruhe die Fristversäumung auf einem Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten, welches sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse.
Rz. 7
Ein Organisationsverschulden liege darin, dass der Verfahrensbevollmächtigte das Empfangsbekenntnis betreffend den Verfahrenskostenhilfe bewilligenden Beschluss zurückgesandt habe, ohne zuvor die Eintragung der Fristen sichergestellt zu haben. Durch die mündliche Anweisung an die Mitarbeiterin, die Beschwerdefrist nebst Vorfrist zu notieren, sei das Organisationsverschulden nicht geheilt worden. Zwar dürfe sich der Rechtsanwalt grundsätzlich darauf verlassen, dass eine mündliche Anweisung auch befolgt werde. Jedoch sei die Mitarbeiterin arbeitsmäßig besonders hoch belastet gewesen. Bei dieser Sachlage habe eine mündliche Anweisung nicht ausgereicht. Selbst wenn man aber die Anweisung ausreichen lasse, so müssten bei Rechtsmittelfristen besondere Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Anweisung in Vergessenheit gerate und die Eintragung der Rechtsmittelfrist unterbleibe. Solche Vorkehrungen seien hier jedenfalls mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht glaubhaft gemacht worden. Die allgemeine Anweisung, zur Überprüfung der Notierung der Frist die Handakte noch einmal dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorzulegen, reiche hierzu nicht aus. Soweit in einem später eingereichten Schriftsatz vorgebracht worden sei, dass die Anweisung gelautet habe, die Fristen sofort zu notieren, könne die Erheblichkeit dieses Vorbringens dahinstehen, weil dieses erst nach Ablauf der Antragsfrist für die Wiedereinsetzung erfolgt sei und es sich nicht um nach § 139 ZPO aufklärungsbedürftige Angaben gehandelt habe.
Rz. 8
2. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §§ 117 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Es fehlt indessen an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.
Rz. 9
Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH und verletzt die Antragsgegnerin auch nicht in ihren Verfahrensgrundrechten.
Rz. 10
Das OLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Wiedereinsetzungsfrist versäumt ist und ein der Antragsgegnerin zuzurechnendes Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten nicht ausgeräumt ist, weil keine hinreichenden Sicherheitsvorkehrungen zur Notierung der Rechtsbeschwerdefrist (und Wiedereinsetzungsfrist) getroffen worden sind.
Rz. 11
Zwar darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche Einzelweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (vgl. BGH v. 21.4.2010 - XII ZB 64/09, FamRZ 2010, 1067; v. 9.12.2009 - XII ZB 154/09, MDR 2010, 400 jeweils m.w.N.). Erteilt der Rechtsanwalt dagegen lediglich eine mündliche Anweisung, eine Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende Sicherheitsvorkehrungen dagegen getroffen werden, dass diese nicht in Vergessenheit gerät und die Eintragung der Frist unterbleibt (BGH v. 25.3.2009 - XII ZB 150/08, FamRZ 2009, 1132 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Rz. 12
Wenn der Rechtsanwalt keine schriftliche Weisung erteilte, hätte er demnach seine Angestellte zumindest anweisen müssen, die Frist sofort zu notieren, damit sie nicht wieder in Vergessenheit geraten konnte. Eine dementsprechende Weisung hat die Antragsgegnerin aber in ihrem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt. Das später ergänzte Vorbringen ist nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist erfolgt und vom OLG daher zu Recht nicht berücksichtigt worden. Es handelt sich hier auch nicht um Vorbringen, das im Rahmen von § 139 ZPO nachgeholt werden konnte. Auch insoweit befindet sich der angefochtene Beschluss im Einklang mit der Senatsrechtsprechung (vgl. BGH v. 25.3.2009 - XII ZB 150/08, FamRZ 2009, 1132 Rz. 23 ff.).
Rz. 13
Die von der Rechtsbeschwerde angeführte Entscheidung des BGH vom 4.11.2003 (VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689) steht schließlich nicht entgegen. In dieser Entscheidung ist zwar eine Wiedervorlageanweisung als mögliche Sicherheitsvorkehrung angesprochen, zugleich aber darauf hingewiesen, dass dazu selbstverständlich auch deren Vermerk gehöre. Entsprechendes ist hier nicht glaubhaft gemacht worden.
Fundstellen
Haufe-Index 2947038 |
EBE/BGH 2012 |
FamRZ 2012, 863 |
FuR 2012, 316 |
NJW-RR 2012, 743 |
JurBüro 2012, 392 |
AnwBl 2012, 559 |
FPR 2012, 5 |
MDR 2012, 538 |
VersR 2013, 778 |
FamRB 2012, 146 |
BRAK-Mitt. 2012, 124 |