Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Beschluss vom 19.10.2001) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.925,13 EUR (= 15.520,– DM) festgesetzt.
Tatbestand
I. Der Kläger hat gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts vom 24. November 1999, das ihm am 14. Dezember 1999 zugestellt worden ist, durch seine Prozeßbevollmächtigten am 14. Januar 2000 per Telefax Berufung eingelegt. Nach dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist teilte der stellvertretende Vorsitzende des Berufungssenats den Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit, es sei beabsichtigt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden sei. Auf dieses am 14. März 2000 zugestellte Schreiben hin beantragte Rechtsanwalt Dr. A. für den Kläger mit am 24. März 2000 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, wobei er zugleich einen Abdruck der in seinen Akten befindlichen Berufungsbegründung vorlegte. Zur Begründung trug er vor, man habe, nachdem die Berufungsbegründung bereits am 7. Februar 2000 fertiggestellt und am 9. Februar 2000 geändert worden sei, in der Kanzlei zugewartet, ob der Kläger noch Änderungswünsche gehabt habe. Da dies bis zum Dienstende der Sekretariatsmitarbeiter am Tag des Fristablaufs nicht der Fall gewesen sei, habe er, Dr. A., soweit erinnerlich, die Berufungsbegründung an diesem Tag auf dem Nachhauseweg in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen. Die Richtigkeit dieser Angabe werde an Eides Statt versichert.
Entscheidungsgründe
II. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe die Frist zur Berufungsbegründung versäumt, weil der entsprechende Schriftsatz erst am 24. März 2000 bei Gericht eingegangen sei, die Berufungsbegründungsfrist aber schon am 14. Februar 2000 geendet habe. Der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers sei unbegründet, weil sich aus seinem Vortrag nicht hinreichend ergebe, daß eine unverschuldete Fristversäumung vorliege. Der Zusatz „soweit erinnerlich” in dem auffallend knappen Vorbringen seines Prozeßbevollmächtigten weise eine deutliche Einschränkung des Vorbringens auf. Offen bleibe insbesondere, ob sich der Prozeßbevollmächtigte an den geltend gemachten Vorgang mit der für eine Wiedereinsetzung notwendigen Gewißheit erinnere. Außerdem gehe aus dem Vorbringen nicht deutlich hervor, ob sich der Prozeßbevollmächtigte beim Einwerfen der Sendung nochmals versichert habe, um welches Schriftstück es sich gehandelt habe.
Gegen diesen ihm am 6. November 2001 zugestellten Beschluß hat der Kläger durch seine Prozeßbevollmächtigten am 20. November 2001 Beschwerde eingelegt. Mit ihr greift er insbesondere die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung der von seinem Prozeßbevollmächtigten Dr. A. abgegebenen Erklärung an.
III. Die gemäß § 519 b Abs. 2 Halbsatz 2, § 547, § 577 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO a.F. statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Berufung des Klägers wäre rechtzeitig begründet worden und damit zulässig, wenn – wie der Kläger vorbringt – davon auszugehen wäre, daß die Berufungsbegründungsschrift bereits am 14. Februar 2000 in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen worden und nachfolgend im Bereich des Gerichts verlorengegangen war. Dem stünde der Umstand nicht entgegen, daß auf diesem Schriftsatz nach dem Vortrag des Klägers das gerichtliche Aktenzeichen gefehlt hat; denn aufgrund der in dem Schriftsatz enthaltenen Angaben über die Parteien des Rechtsstreits war seine Zuordnung zu dem mit der Berufungseinlegung eingeleiteten Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht gleichwohl ohne weiteres möglich.
2. Das Berufungsgericht hat den dem Kläger als Rechtsmittelführer insoweit obliegenden vollen Beweis (vgl. BGH, Beschl. v. 4.6.1992 – IX ZB 10/92, NJW-RR 1992, 1338, 1339; Beschl. v. 7.12.1999 – VI ZB 30/99, NJW 2000, 814; Urt. v. 24.4.2001 – VI ZR 258/00, NJW 2001, 2722, 2723, jeweils m.w.N.) aufgrund der Angaben in der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts Dr. A. als nicht erbracht angesehen. In einem solchen Falle ist die insoweit gebotene Prüfung lediglich unter Heranziehung dieser Versicherung nicht möglich. Vielmehr könnte eine abschließende prozeßordnungsgemäße Klärung der Frage, ob die Berufungsbegründung rechtzeitig bei Gericht eingereicht worden war, nur nach einer die volle Überzeugungsbildung ermöglichenden Beweiserhebung durch Vernehmung des Rechtsanwalts Dr. A. erfolgen. Zwar hat sich der Kläger im bisherigen Verfahren – wegen seines Irrtums, die vorgelegte Versicherung sei ausreichend – nicht auf die Vernehmung dieses Zeugen berufen. Indessen wäre bereits das Berufungsgericht, hätte es das aufgezeigte verfahrensrechtliche Erfordernis erkannt, von Amts wegen gehalten gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, daß zur Prüfung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels das vorgelegte Glaubhaftmachungsmittel nicht ausreichte. Es hätte daher schon im Berufungsverfahren dem Kläger Gelegenheit gegeben werden müssen, Zeugenbeweis anzutreten (BGH NJW 2000, 814).
Bei dieser Sachlage sieht der Senat davon ab, das zur Klärung der Frage, ob die Berufung rechtzeitig begründet worden ist, erforderliche Beweisverfahren selbst durchzuführen. Vielmehr erscheint es angebracht, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, der auf dem aufgezeigten Verfahrensfehler beruhen kann, die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (BGH NJW 2000, 814 f.).
3. Das Berufungsgericht wird daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren – einen entsprechenden Beweisantritt des Klägers vorausgesetzt – Rechtsanwalt Dr. A. als Zeugen zu der Frage zu vernehmen haben, ob dieser, wie der Kläger geltend macht, die Berufungsbegründung am 14. Februar 2000 in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts eingeworfen hat. Sollte die durchzuführende Beweisaufnahme dieses nicht ergeben, wäre mit Blick auf die Regelung in § 85 Abs. 2 ZPO auch für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wie sie der Kläger beantragt hat, kein Raum.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Büscher, Schaffert
Fundstellen
Haufe-Index 744976 |
Mitt. 2002, 378 |
NJOZ 2002, 1833 |