Entscheidungsstichwort (Thema)
versuchte schwere räuberische Erpressung
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der Großen Strafkammer bei dem Amtsgericht Bremerhaven vom 6. Oktober 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bremen zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision hat mit einer auf die Verletzung von § 338 Nr. 1 StPO gestützten Verfahrensrüge Erfolg.
Die Rüge ist zulässig, weil – wie die Revision vollständig mitgeteilt hat – die große Strafkammer die Hauptverhandlung nicht nach § 222a Abs. 2 StPO zur Prüfung der Besetzung unterbrochen hat (§ 338 Nr. 1 lit c StPO).
Die Rüge ist auch begründet. Die Revision beanstandet zu Recht, daß das Landgericht in der Besetzung mit nur zwei Berufsrichtern (und zwei Schöffen) entschieden hat, obwohl es einen entsprechenden Beschluß nach § 76 Abs. 2 GVG nicht gefaßt hatte. Ein solcher Beschluß war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil das Hauptverfahren zunächst vor dem Schöffengericht eröffnet worden war, das die Sache gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 StPO an das Landgericht verwiesen hatte. Zwar sieht § 76 Abs. 2 GVG nach seinem Wortlaut die Möglichkeit für die große Strafkammer, über ihre variable Besetzung zu beschließen, (nur) „bei der Eröffnung des Hauptverfahrens” vor. Nach Sinn und Zweck dieser durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I S. 50) eingeführten Regelung (vgl. BT-Drs. 12/1217 S. 19, 46 f.) kann aber nichts anderes gelten, wenn die Zuständigkeit des Landgerichts durch eine Verweisung der Sache nach §§ 225a, 270 StPO begründet wird (BGHSt 44, 361, 362; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 76 GVG Rdn. 4; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 76 GVG Rdn. 5).
Da es hier an einer Beschlußfassung der großen Strafkammer gänzlich fehlt, kann offenbleiben, ob unter Geltung des Rechtspflegeentlastungsgesetzes die regelmäßige Besetzung der großen Strafkammer die mit zwei Richtern (BGHSt 44, 361, 362) oder die mit drei Richtern (BGHSt 44, 328, 331) ist, und ob anhand des Regel-/Ausnahmeverhältnisses einem Eröffnungsbeschluß (oder einem Übernahmebeschluß gemäß § 225a Abs. 3 StPO), der sich zur Besetzung nicht ausdrücklich verhält, konkludent eine Entscheidung für die eine oder andere Besetzung entnommen werden kann (vgl. dazu auch BGHR GVG § 76 Abs. 2 – Besetzungsbeschluß 1).
Unterschriften
Tepperwien, Basdorf, Schluckebier, Gerhardt, Raum
Fundstellen
Haufe-Index 556873 |
wistra 2001, 24 |
NStZ-RR 2001, 244 |
StV 2001, 155 |
StraFo 2000, 333 |