Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortige Beschwerde gegen einen Insolvenzeröffnungsbeschluss durch den Schuldner bei gleichzeitigem Vorliegen von Fremdanträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung einer Beschwerde gegen eine Insolvenzeröffnung ist nach § 34 II, §§ 6, 7 InsO, § 574 I S. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, wenn die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordern.
2. Einem Schuldner, welcher die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen selbst beantragt hat, steht gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die sofortige Beschwerde nicht zu. Ein bloßer Sinneswandel des Schuldners nach Antragstellung, der nicht zur Rücknahme des Insolvenzantrags vor Verfahrenseröffnung geführt hat, begründet ebenso wenig die für eine Beschwerdebefugnis erforderliche formelle Beschwer eines Antragstellers wie ein Irrtum über die ursprünglichen Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung.
3. Eine abweichende Beurteilung rechtfertigt sich nicht, wenn auch Fremdanträge vorlagen und der Schuldner bereits vor der Eröffnung zum Ausdruck gebracht hat, dass seiner Ansicht nach ein Insolvenzgrund nicht gegeben war, er aber gleichwohl seinen Antrag nicht zurückgenommen hat.
Normenkette
InsO §§ 6-7, 34 Abs. 2; ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 29.06.2010; Aktenzeichen 14 T 11848/10) |
AG München (Entscheidung vom 07.05.2010; Aktenzeichen 1542 IN 981/10) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 29. Juni 2010 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 14.875.129,52 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Mit Schreiben vom 22. März 2010 beantragte die Schuldnerin, vertreten durch ihre damaligen Geschäftsführer, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Am selben Tag wurde der weitere Beteiligte zu 2 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 14. März 2010 zeigte der jetzige Geschäftsführer der Schuldnerin seine Bestellung sowie die Abberufung der bisherigen Geschäftsführer an. Am 21. April 2010 beantragten vier Gläubigerinnen, darunter die weitere Beteiligte zu 1, ebenfalls die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Alle Anträge wurden mit Beschluss vom 21. April 2010 zu einem einheitlichen Eröffnungsverfahren verbunden. Am 26. April 2010 ordnete das Insolvenzgericht ein allgemeines Verfügungsverbot an. Gegen diesen Beschluss legte die nunmehr durch den neuen Geschäftsführer vertretene Schuldnerin sofortige Beschwerde ein.
Rz. 2
Am 7. Mai 2010 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2 zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist als unzulässig verworfen worden. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin weiterhin die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses erreichen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 2, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Insolvenzgerichts.
Rz. 4
1. Wie der Senat bereits entschieden hat, steht dem Schuldner, welcher die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen selbst beantragt hat, gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die sofortige Beschwerde nicht zu (BGH, Beschluss vom 18. Januar 2007 – IX ZB 170/06, ZIP 2007, 499). Ein bloßer Sinneswandel des Schuldners nach Antragstellung, der nicht zur Rücknahme des Insolvenzantrags vor Verfahrenseröffnung geführt hat, begründet ebenso wenig die für eine Beschwerdebefugnis erforderliche formelle Beschwer des Antragstellers wie ein Irrtum über die ursprünglichen Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung (BGH, Beschluss vom 18. Januar 2007 – IX ZB 170/06, aaO Rn. 14). An dieser Rechtsprechung, deren Richtigkeit von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogen wird, hält der Senat fest.
Rz. 5
2. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist der vorliegende Fall nicht deshalb abweichend zu beurteilen, weil auch Fremdanträge vorlagen und die Schuldnerin bereits vor der Eröffnung zum Ausdruck gebracht hatte, dass ihrer Ansicht nach ein Insolvenzgrund nicht gegeben war. Die Schuldnerin hat ihren Antrag – was hier trotz des Wechsels in der Person des Geschäftsführers rechtlich möglich gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 – IX ZB 122/07, ZIP 2008, 1596 Rn. 5 ff) – nicht zurückgenommen. Dann kann sie auch nicht verlangen, so gestellt zu werden, als hätte sie die Rücknahme erklärt. Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich in diesem Zusammenhang nicht.
Rz. 6
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Fundstellen