Leitsatz (amtlich)
›Die nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 des Vereinsgesetzes strafbare Verwendung eines Kennzeichens liegt nicht vor, wenn das Kennzeichen der verbotenen Vereinigung durch eine geringfügige Veränderung die Gestalt eines Zeichens annimmt, das von legalen Vereinigungen oder Institutionen benutzt und vom unbefangenen Betrachter diesen zugeordnet wird (hier: Kopfwinkel als Rangabzeichen der Bundeswehr).‹
Verfahrensgang
Gründe
Der Angeklagte ist vom Landgericht wegen Verwendens von Kennzeichen eines vollziehbar verbotenen Vereins nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision ist begründet.
Nach den Urteilsfeststellungen nahm der nach Funden bei einer Wohnungsdurchsuchung der rechtsextremen Szene zuzurechnende Angeklagte im Mai 1997 an einer allgemein zugänglichen "Euro-Party" auf einem öffentlichen Platz in Berlin teil. Er trug dabei an seiner Jacke in Halsnähe deutlich sichtbar ein metallenes Abzeichen, welches das Landgericht ungeachtet geringfügiger Abweichung als das von der "Wiking-Jugend e.V." benutzte Vereinssymbol der "Odalrune" angesehen hat. Die Wiking-Jugend e.V. ist eine rechtsextremistische, gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Vereinigung, gegen die der Bundesminister des Innern durch Verfügung vom 10. November 1994 ein sofort vollziehbares Organisationsverbot erlassen hat. Die Abweichung des vom Angeklagten getragenen Abzeichens von der Odalrune, einer auf der Spitze stehenden Raute, deren beide unteren Seitenlinien über die untere Spitze hinaus verlängert sind und einen nach unten offenen Winkel bilden, besteht darin, daß die beiden seitlichen Spitzen der Raute abgeflacht sind und dadurch ein Sechseck entsteht. In genau dieser Gestalt ist das Abzeichen als sog. Kopfwinkel Teil des Dienstgradabzeichens der Bundeswehr für Hauptfeldwebel und Oberfähnriche. Das Landgericht hat die Abweichung des vom Angeklagten getragenen Abzeichens von der Odalrune, dem Vereinssymbol der Wiking-Jugend e.V., als unwesentlich angesehen und hat angenommen, daß das Tragen des Abzeichens nach den Gesamtumständen, insbesondere mit Rücksicht auf das nach Kleidung und Haartracht "szenetypische" Auftreten des Angeklagten (schwarze Schuhe mit Stahlkappe, blaue Jeans, Poloshirt, dunkelblaue Bomberjacke, kurzgeschorene Haare) bei lebensnaher Betrachtung nicht anders als die Verwendung des von der Wiking-Jugend e.V. benutzten Vereinssymbols der Odalrune zu werten sei. Die Einlassung des Angeklagten, daß er das am Ende seiner Wehrdienstzeit erhaltene Abzeichen zur Erinnerung an einen beliebten Hauptfeldwebel getragen habe, hat das Landgericht als eine nach den Umständen unwahre Schutzbehauptung gewertet.
Der vom Landgericht festgestellte Sachverhalt rechtfertigt den Schuldspruch nicht. Mit dem Tragen des mit dem sog. Kopfwinkel der Bundeswehr identischen Abzeichens hat der Angeklagte nicht, wie dies in § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG zur Strafbarkeit (u.a.) vorausgesetzt wird, das Kennzeichen einer mit einem vollziehbaren (Organisations-)Verbot belegte Vereinigung öffentlich verwendet. Zwar benutzt die vollziehbar verbotene Wiking-Jugend e.V. ebenso wie vor ihr andere rechtsextremistische Vereinigungen (so der bereits 1961 verbotene Bund Nationaler Studenten - BNS; vgl. Bonefeld DRiZ 1993, 430, 432 Fn. 22) die Odalrune als Vereinssymbol. Dieses Kennzeichen hat der Angeklagte indes nicht getragen. Schon vor der Tatbestandserweiterung auf zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen in § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl I S. 3186) ist zwar in der Rechtsprechung zu § 86 a StGB (der die Verwendung von nationalsozialistischen Kennzeichen und von Kennzeichen aus bestimmten Gründen rechtskräftig verbotener Vereinigungen betreffenden Strafvorschrift) auch die Verwendung eines geringfügig veränderten Kennzeichens als tatbestandsmäßig beurteilt worden, wenn das Zeichen trotz der Veränderung dem unbefangenen Betrachter den Eindruck des verbotenen Kennzeichens und damit zugleich dessen Symbolgehalt vermittelte (OLG Köln NStZ 1984, 508; OLG Hamburg NStZ 1981, 393; OLG Oldenburg NStZ 1988, 74; vgl. aber auch BGHSt 25, 128, 130). Ein solcher Fall lediglich geringfügiger Kennzeichenveränderung, der sich von dem - durch eine § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB entspechende Erweiterung auf zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen gerade nicht ergänzten - Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG ohne Überschreitung der Grenze zur verbotenen Analogie erfassen ließe, liegt jedoch nicht vor, wenn die Veränderung des Kennzeichens wie hier dazu führt, daß es die Gestalt eines Zeichens annimmt, das von legalen Vereinigungen oder Institutionen benutzt und vom unbefangenen Betrachter diesen zugeordnet wird. Soweit das Landgericht demgegenüber darauf verweist, daß der Kopfwinkel als Rangabzeichen der Bundeswehr nur an der Uniform getragen werden darf und von daher eine Zuordnung zur Bundeswehr im vorliegenden Fall von vornherein ohne Rücksicht auf die Motive des Angeklagten ausscheidet, läßt es außer acht, daß es durchaus auch Fälle mißbräuchlichen Tragens militärischer Abzeichen ohne einen politischen Hintergrund gibt. Die auf Einzelfälle beschränkte Ausnutzung der Ähnlichkeit von Kennzeichen legaler Organisationen mit verbotenen Symbolen für die Zwecke solcher illegalen Vereinigungen reicht für sich nicht aus, um die Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG zu begründen. Daß die Wiking-Jugend e.V. den Kopfwinkel der Bundeswehr in einer Weise als eigenes Symbol usurpiert hätte, daß dieses Zeichen nach allgemeiner Anschauung - zumindest auch - als Kennzeichen dieser verbotenen Vereinigung erscheinen müßte, hat das Landgericht nicht festgestellt. Auch aus dem weiteren Hinweis auf die Gesamtumstände, unter denen der Angeklagte aufgetreten ist, insbesondere auf die "szenetypische Bekleidung" ergibt sich keine tragfähige Begründung für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG. Vielmehr muß ein verbotenes Kennzeichen in seinem auf die verbotene Vereinigung hinweisenden Symbolgehalt im wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Von den Gesamtumständen der Verwendung kann die Feststellung des verbotenen Kennzeichens als solches ohne nachteilige Folgen für die Rechtssicherheit und die Bestimmtheit des Tatbestands nicht abhängig gemacht werden. Soweit in der Rechtsprechung den Gesamtumständen der Kennzeichenverwendung Bedeutung für die Strafbarkeit nach der entsprechenden Strafvorschrift des § 86 a StGB beigemessen worden ist, ist das zum Zweck einer dem Sinn der Strafnorm entsprechenden tatbestandseingrenzenden Auslegung des Begriffs des Verwendens geschehen (vgl. BGHSt 28, 30) und nicht zum Zweck einer dem Analogieverbot widersprechenden tatbestandserweiternden Strafbarkeitsbegründung, wie sie bei Zugrundelegung der Auffassung des Landgerichts schwerlich zu umgehen wäre.
Der Senat verkennt nicht die Gefahr, daß sich rechtsextremistische Anhänger der Wiking-Jugend e.V. die Ähnlichkeit der Odalrune mit dem Kopfwinkel der Bundeswehr bewußt für ihre Zwecke im Sinne einer Solidarisierung mit der verbotenen Vereinigung zunutze machen und daß insoweit vor dem Hintergrund der Erwägungen, die zur Tatbestandserweiterung in § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz geführt haben (vgl. BT-Drucks. 12/6853 S. 23), ein Strafbarkeitsbedürfnis gesehen werden kann. Zwar kann diesem Strafbarkeitsbedürfnis, wie dargelegt, durch § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG nicht entsprochen werden. Jedoch kommt dann, wenn sich beweiskräftig feststellen läßt, daß das öffentliche Tragen des Kopfwinkels bewußt Teil einer von Anhängern der Wiking-Jugend e.V. organisierten Solidaritätsaktion war, eine Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 VereinsG in Betracht, weil von einer solchen Aktion eine fördernde Wirkung auf den organisatorischen Zusammenhalt der verbotenen Vereinigung ausgehen kann. Da dafür im Fall des Angeklagten aufgrund der vom Landgericht festgestellten Gesamtumstände, insbesondere wegen des bei der Wohnungsdurchsuchung sichergestellten, auch auf die Wiking-Jugend e.V. hinweisenden Propagandamaterials Anhaltspunkte bestehen und entsprechende Feststellungen nicht von vornherein völlig auszuschließen sind, verweist der Senat die Sache zu entsprechender tatrichterlicher Prüfung zurück an eine andere nach § 74 a GVG berufene Strafkammer, deren Zuständigkeit für Straftaten nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 VereinsG auch nach der Änderung durch Art. 2 Nr. 2 des 6. Strafrechtsreformgesetzes vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 164, 186) aufrechterhalten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 2993576 |
NJW 1999, 435 |
NStZ 1999, 87 |
StraFo 1999, 63 |