Leitsatz (amtlich)

Der Streitwert für eine Klage, mit der ein Miterbe nach § 2039 BGB gegenüber einem anderen Miterben eine Nachlaßforderung auf Hinterlegung einer bestimmten Geldsumme zugunsten des Nachlasses geltend macht, bemißt sich nach dem Betrag der eingeklagten Forderung, abzüglich eines dem Miterbenanteil des Beklagten entsprechenden Betrages.

 

Tenor

Der Streitwert für den Berufungs- und den Revisionsrechtszug wird auf

10.500,00 DM

festgesetzt.

 

Gründe

Die Klägerin, eine Miterbin zu einem Achtel, hat von dem beklagten Testamentsvollstrecker, der am Nachlaß als Miterbe zur Hälfte beteiligt ist, Schadensersatz nach § 2219 BGB gefordert mit dem Hauptantrag, den Beklagten zur Übereignung bestimmter, in der Klageschrift näher bezeichneter Aktien im Nennwert von 3.500,00 DM sowie zur Zahlung von 2.471,84 DM an die Klägerin zu verurteilen, und dem Hilfsantrag, den Beklagten zur Hinterlegung der geforderten Leistungen zugunsten des Nachlasses zu verurteilen. Das Landgericht hat den Hauptantrag für unbegründet befunden; es hat jedoch den Beklagten - dem Hilfsantrag entsprechend - verurteilt, die bezeichneten Wertpapiere sowie 2.471,84 DM nebst Zinsen zugunsten der Erbengemeinschaft zu hinterlegen. Hiergegen hat nur der Beklagte Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Klage abzuweisen. Nachdem das Berufungsgericht der Berufung hinsichtlich des Geldanspruchs zum Teil stattgegeben, das Rechtsmittel aber im übrigen zurückgewiesen hat, verfolgt der Beklagte mit der Revision deinen Antrag auf Klagabweisung weiter, während die Rechtsnachfolger der Klägerin mit ihrer Anschlußrevision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstreben.

Die Sache ist hiernach in den Rechtsmittelzügen nur mit dem Streitwert des Hilfsantrags verhandelt und entschieden worden. Für die Bemessung dieses Streitwertes ist von dem Kurswert der Aktien und dem Betrag der Geldsumme, deren Hinterlegung gefordert worden ist, auszugehen (§ 11 GKG in Verb. mit §§ 3, 6 ZPO). Unerheblich ist, daß die Klägerin an dem Nachlaß, zu dessen Gunsten sie mit der Klage nach § 2039 BGB Hinterlegung begehrt hat, selbst nur zu einem Bruchteil beteiligt gewesen ist und deshalb persönlich möglicherweise nur ein geringeres Vermögenswerten Interesse an der Leistung des Beklagten gehabt hat, da bei Klagen eines Miterben nach § 2039 BGB für den Streitwert nicht das Interesse des klagenden Miterben an der Geltendmachung der Nachlaßverbindlichkeit, sondern der volle Wert der geforderten Leistung maßgebend ist (RGZ 149, 193; 156, 263, 264; JW 1937, 22811; SeuffArch. Bd. 92, 58; BGH LM § 6 ZPO Nr. 5). Von dem so ermittelten Wert der Forderung ist jedoch - da der Beklagte an dem Nachlaß mitbeteiligt ist - ein dem Miterbenanteil des Beklagten entsprechender Betrag abzusetzen. Richtet sich die Klage nicht gegen einen am Nachlaß unbeteiligten Dritten, sondern gegen einen Nachlaßschuldner, der zugleich Miterbe ist, so ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß auch dem beklagten Miterben ein seinem Erbteil entsprechender Anteil an der geforderten Leistung zukommt und daß deshalb die Klägerin mit dem von ihr geltend gemachten Interesse der Erbengemeinschaft zugleich auch ein Interesse des Beklagten als Miterben verfolgt. Zwar steht der geltend gemachte Anspruch auch in Hohe dieses Anteils rechtlich nicht dem verklagten Miterben, sondern nur der Miterbengemeinschaft als Gesamt band zu. Der zur Hinterlegung verurteilte Miterbe muß deshalb zugunsten des Nachlasses den vollen Forderungsbetrag zunächst hinterlegen und kann nicht etwa einen seinem Miterbenanteil entsprechenden Betrag zurückhalten. Dem Vermögen des verklagten Miterben kommt aber ein seinem Miterbenanteil entsprechender Betrag an der zu hinterlegenden Summe wieder zugute, gleichgültig, ob dieser Betrag bei der Erbauseinandersetzung an ihn zurückgezahlt, mit anderen Empfängen des Miterben aus dem Nachlaß verrechnet oder vor der Erbauseinandersetzung zur Begleichung von Nachlaßschulden verwandt wird. Das rechtfertigt es, diesen dem Beklagten an der eingeklagten Leistung wirtschaftlich verbleibenden Betrag als außer Streit befindlich anzusehen. Deshalb hat bereits das Reichsgericht bei der Bewertung des Streitwertes für die gegen einen Miterben gerichtete Klage auf Hinterlegung des aus der Verwaltung eines Nachlaßgrundstückes erzielten Reinerlöses einen dem Erbteil des Beklagten entsprechenden Anteil an der geforderten Leistung von dem Nennwert der eingeklagten Forderung abgezogen (RG SeuffArch. Bd. 92 Nr. 58) und ist in entsprechender Weise bei der Bewertung einer gegen einen Miterben gerichteten Klage auf Auflassung eines Lendhauses an die Erbengemeinschaft verfahren (RGJW 1937, 22811; vgl. auch RGZ 156, 263, 264). Ebenso hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluß vom 13. Juni 1958 V ZR 268/56 = LM § 6 ZPO Nr. 5 für die gegen einen enterben als Nachlaßschuldner gerichtete Klage auf Berichtigung des Grundbuchs dahin, daß anstelle des Miterben die Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen werde, den nach § 6 ZPO zu bemessenden Streitwert unter Berücksichtigung des Miterbenanteils des Beklagten niedriger als auf den vollen Wert des Grundstücks festgesetzt. Diese das wirtschaftliche Ergebnis mit berücksichtigende. Betrachtungsweise ist auch in vorliegendem Fall geboten (vgl. Gerold, Streitwert III, 29 Anm. 6 S. 101; Willenbücher, Kostenfestsetzungsverfahren und Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte 16. Aufl. § 8 Anm. 43; Rillach, DR 1941, 1447; Baumbach/Lauterbach ZPO 28. Aufl. Anh. 3 zu § 3 [Stichwort: Erbrechtliche Ansprüche]; RGRK BGB 11. Aufl. § 2039 Anm. 16). Allerdings steht ein Teil des Schrifttums auf dem Standpunkt, daß sich der Streitwert bei Klagen der vorliegenden Art stets nach dem vollen Forderungsbetrag zu richten habe, da § 6 ZPO eine andere Betrachtungsweise nicht zulasse (Hillach, Handbuch des Streitwerts in Bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten 2. Aufl. 1954 § 68 IV S. 265; Stein-Jonas-Schönke ZPO 18. Aufl. § 3 I 1 a; § 6 I 1 N. 3 a; Wieczorek ZPO § 3 Anm. B III b 1 S. 81). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß § 6 ZPO nicht in jedem Fall eine rein formale, durch den Betrag der Forderung bestimmte Bewertung verlangt. So ist zwar, wenn ein Pfandrecht Gegenstand des Streites ist, für den Streitwert grundsätzlich der Betrag der gesicherten Forderung maßgebend, abweichend davon jedoch der Wert des Pfandrechts selbst, wenn dieser geringer ist. Auch bei der Streitwertberechnung im Rahmen des § 6 ZPO ist hiernach eine Berücksichtigung des Charakters des Klageanspruchs nicht schlechthin ausgeschlossen.

Dader Beklagte hier zur Hälfte an dem Nachlaß mitbeteiligt ist, wird der Streitwert des Hilfsantrags, über den allein in den Rechtsmittelzügen verhandelt und entschieden worden ist, durch den halben Wert der ursprünglich eingeklagten Forderung bestimmt, wobei Werterhöhungen im Rahmen der §§ 4 ZPO, 11 GKG zu berücksichtigen sind. Das Landgericht hatte den Kurswert der Aktien zunächst - entsprechend der Angabe in der Klageschrift mit rd. 13.700,00 DM, später im Beschluß vom 24. Oktober 1963 mit 15.600,00 DM angenommen; damit ergab sich im ersten Rechtszug ein Wert des Hauptantrages von rd. 18.071,00 DM und ein Wert des Hilfsantrages von rd. 9.036,00 DM. Der Senat hat sich durch Bankauskünfte davon überzeugt, daß die Kurswerte der Aktien nach Beendigung des ersten Rechtszuges gestiegen sind; so betrugen die Kurswerte am 27. Dezember 1963 (Einlegung der Berufung) 17.600,00 DM und am 28. Januar 1965 (Einlegung der Revision) rd. 19.280,00 DM. Bei Berücksichtigung des Zahlungsanspruchs ergäbe sich hiernach für die maßgebenden Zeitpunkte ein Gesamtwert, der um 21.000,00 DM liegt; im Interesse der Einheitlichkeit und der Vereinfachung der Kostenabrechnung hat der Senat daher den Wert des Hilfsanspruchs für beide Rechtsmittelzüge (§ 23 GKG) auf 10.500,00 DM festgesetzt.

Beschluss:

Der Streitwert für den Berufungs- und den Revisionsrechtszug wird auf 10.500,00 DM festgesetzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018625

NJW 1967, 443

NJW 1967, 443 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1967, 202

MDR 1967, 202-203 (Volltext mit amtl. LS)

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