Verfahrensgang
Tenor
Der Erlaß eines Rechtsentscheids durch den Bundesgerichtshof über die vom 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart mit Beschluß vom 2. September 1985 vorgelegte Rechtsfrage wird abgelehnt.
Tatbestand
I. Aufgrund eines Formularmietvertrages vom 30. März 1962 vermietete der Vater der Klägerin den Beklagten eine Wohnung im zweiten Stock des Hauses Hohenheimer Straße 50 b in Stuttgart, in der die Beklagten bis 1982 wohnten. In § 5 letzter Absatz des Mietvertrages ist bestimmt:
„Der Mieter verpflichtet sich, die Schönheitsreparaturen (den Innenanstrich und die Tapezierung) der Räume auf seine Kosten bei Bedarf ausführen zu lassen”.
Als die Beklagten 1962 in die Wohnung einzogen, waren die Mieträume nicht renoviert. Eine Regelung darüber, wer die Anfangsrenovierung vorzunehmen habe, enthält der Mietvertrag vom 30. März 1962 nicht. Die Beklagten nahmen nach ihrem Einzug Schönheitsreparaturen vor. Als sie weitere Räume im Untergeschoß mieteten, ersetzten die Vertragsparteien den Vertrag vom 30. März 1962 durch den Formularmietvertrag vom 3. Juli 1972. In § 7 dieses Vertrages ist folgendes bestimmt:
- „Der Mieter verpflichtet sich, entsprechend dem nachstehend aufgeführten Fristenplan während der Dauer der Mietzeit bei Bedarf die Schönheitsreparaturen … auf eigene Kosten … ausführen zu lassen.
- Ein Bedarf gilt mindestens dann als gegeben, wenn die Fristen nach dem Fristenplan in Ziff. 3 verstrichen sind.
- … (es folgt der Fristenplan)”.
Eine ausdrückliche Bestimmung über die Anfangsrenovierung enthält auch der Mietvertrag vom 3. Juli 1972 nicht. Die Beklagten ließen auch nach Abschluß dieses Vertrages Schönheitsreparaturen durchführen. Sämtliche Arbeiten liegen jedoch nach den Feststellungen des Amtsgerichts, von denen auch das Landgericht und das Oberlandesgericht ausgehen, mit geringen Ausnahmen so weit zurück, daß nach der im Fristenplan (§ 7 Nr. 3 des Mietvertrages) enthaltenen Regelung und der Regelung über den Bedarf (§ 7 Nr. 2 des Mietvertrages) weitere Schönheitsreparaturen erforderlich gewesen wären.
Nach Beendigung des Mietvertrages im Jahre 1982 hat die Klägerin, Rechtsnachfolgerin ihres Vaters, die Beklagten auf Zahlung von Mietzins bzw. Nutzungsentschädigung und wegen unterbliebener Schönheitsreparaturen auf Schadensersatz und Geldersatz, soweit die Räume umgestaltet worden sind, in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 24. August 1983 der Klage wegen der Schadensersatz- und Geldersatzansprüche im wesentlichen stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Mit der Berufung begehren die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage unter anderem mit der Begründung, § 7 des Mietvertrages vom 3. Juli 1972 sei wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam.
Das Landgericht als Berufungsgericht hat am 30. März 1984 beschlossen, einen Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts zu folgender Rechtsfrage herbeizuführen:
„Ist bei einer Vermietung einer unrenovierten Wohnung auch die formularvertragliche Abwälzung laufender Schönheitsreparaturen auf den Mieter unwirksam mit der Folge, daß der Vermieter den Mieter auch nicht aufgrund eines bei Ende des Mietverhältnisses gegebenen Renovierungsbedarfs zu Renovierungsleistungen heranziehen kann?”
In der Begründung dieses Beschlusses ist ausgeführt, daß die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und zumindest zweifelhaft sei, ob sie durch den Rechtsentscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. August 1984 – 8 ReMiet 4/83 (RES IV S. 28 = RiM S. 1437 = REMiet Bd. 2) bereits entschieden sei, wonach die in vorformulierten Vertragsbedingungen enthaltene Klausel, daß der Mieter bei Ende des Mietverhältnisses je nach dem Zeitpunkt der letzten Schönheitsreparaturen einen bestimmten Prozentsatz an Renovierungskosten zu bezahlen hat, unwirksam ist, wenn die gemietete Wohnung bei Beginn des Mietverhältnisses nicht renoviert und der Vermieter dazu auch nicht verpflichtet war.
Mit Beschluß vom 2. September 1985 hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart die Sache zur Entscheidung der ihm vorgelegten Frage dem Bundesgerichtshof vorgelegt. Das Oberlandesgericht möchte ebenso wie das Landgericht die ihm gestellte Frage bejahen, es sieht sich daran aber gehindert, weil es meint, durch den Rechtsentscheid des erkennenden Senats des Bundesgerichtshofes vom 30. Oktober 1984 (BGHZ 92, 363), in dem die Wirksamkeit der Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter von Wohnraum in einem Formularmietvertrag bejaht worden ist, sei auch entschieden, daß keine Bedenken beständen, dem Mieter von Wohnraum die Verpflichtung zur Vornahme der Schönheitsreparaturen auch dann durch Formularvereinbarung zu übertragen, wenn die Wohnung unrenoviert übergeben worden sei. Das Oberlandesgericht hält es für wahrscheinlich, daß das Landgericht derselben Auffassung ist und meint, in einem solchen Fall erscheine es aus prozeßökonomischen Gründen geboten, von einer Rückgabe der Akten an das Landgericht abzusehen, die aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine neue Vorlage zur Folge hätte. Das anhängige Verfahren sei daher als Divergenz-Vorlage zu behandeln. Deshalb könne offenbleiben, ob die Vorlagepflicht auch dadurch begründet würde, daß es bei der Frage der Zulässigkeit der Vorlage von den Beschlüssen des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19. Juli 1984 – RE-Miet 2/83 (RES IV S. 216 = RiM S. 1414 = REMiet Bd. 1) und des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Oktober 1983 – 4 REMiet 3/83 (RES III S. 187 = REMiet Bd. 2) abweiche.
Entscheidungsgründe
II. Die Voraussetzungen für den Erlaß eines Rechtsentscheides des Bundesgerichtshofes liegen nicht vor.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vorlage nicht bereits deswegen unzulässig ist, weil das Oberlandesgericht, das mit Rücksicht auf die Senatsentscheidung BGHZ 92, 363 einen Fall der Divergenz als gegeben ansieht, zunächst die Sache an das Landgericht hätte zurückgeben müssen, um zu klären, ob dieses von der genannten Entscheidung abzuweichen beabsichtigt (vgl. hierzu die Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19. Juli 1984 und des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Oktober 1983, aaO). Denn die Vorlage an den Bundesgerichtshof ist jedenfalls deswegen unzulässig, weil die Ansicht des Oberlandesgerichts unrichtig ist, die von ihm beabsichtigte Entscheidung stelle eine Abweichung von dem Rechtsentscheid des Bundesgerichtshofes vom 30. Oktober 1984 (BGHZ 92, 363) dar (Art. III Abs. 1 Satz 3 3. MietRÄndG).
2. Das Oberlandesgericht begründet seine Ansicht mit der Erwägung, der Rechtsentscheid des erkennenden Senats vom 30. Oktober 1984 erfasse auch den Fall der Überlassung einer unrenovierten Wohnung. Da der Beschluß des Senats keine ausdrückliche Stellungnahme hierzu enthält, könnte die Auffassung des Oberlandesgerichts nur richtig sein, wenn entweder denknotwendig in der generellen Zulassung der formularmäßigen Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter zugleich die Entscheidung enthalten wäre, es sei auch statthaft, die Schönheitsreparaturen formularmäßig dem Mieter einer Wohnung zu übertragen, die er in nicht renoviertem Zustand übernehme, oder wenn sich aus dem Zusammenhang der Gründe des Rechtsentscheids des erkennenden Senats ergäbe, daß die Entscheidung sich auch auf diesen Fall erstreckt. Beides trifft nicht zu.
a) Die Annahme, der Rechtsentscheid des Senats erfasse dem Inhalt der Entscheidung nach auch die hier in Betracht kommende Fallgestaltung, würde voraussetzen, daß diese einer gesonderten rechtlichen Beurteilung nicht zugänglich ist. Das kann aber nicht angenommen werden.
aa) Im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG sind auf der Grundlage einer generalisierenden Betrachtungsweise Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Vertrages zu berücksichtigen. Die daraus folgenden unterschiedlichen Interessen führen deshalb auch zu Differenzierungen in der Beurteilung der Angemessenheit (Erman/Hefermehl, BGB, 7. Aufl. § 9 AGBG Rdn. 7; Dietlein/Rebmann, AGB Aktuell, § 9 Rdn. 11; Schlosser/Graba, AGBG, § 9 Rdn. 44; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, § 9 Rdn. 74). Die Unterscheidung in bestimmte Vertrags- oder Fallgruppen aufgrund sachbezogener und am Gegenstand orientierter Interessen des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und seines Vertragspartners bei der Beurteilung der Wirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist bereits in dem Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 29. Oktober 1956 (BGHZ 22, 90, 98) vorgenommen worden. Dort wird die Auffassung vertreten, die Frage der Angemessenheit des formularmäßigen Ausschlusses der Gewährleistung beim Kauf von Möbeln sei unterschiedlich zu beurteilen, je nachdem, ob es sich um fabrikneue oder um gebrauchte Ware handle (vgl. dazu die Anmerkung von Fischer in LM Allgemeine Geschäftsbedingungen Nr. 1). Andere Senate des Bundesgerichtshofes haben sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. BGHZ 62, 323 für den Gewährleistungsausschluß beim Einbau einer Ladeneinrichtung; BGHZ 74, 383 für den Gewährleistungsausschluß beim Gebrauchtwagenkauf). Das Gesetz zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nicht. Es entspricht vielmehr der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. § 11 Nr. 10 AGBG).
bb) Die im Rahmen des § 9 Abs. 1 AGBG gebotene Unterscheidung nach den am Sachgegenstand orientierten Interessen gebietet auch im Mietrecht die Unterscheidung in typische Vertragsgruppen und Fallgestaltungen. Das gilt insbesondere für den Bereich der Abwälzung der Schönheitsreparaturen. Es ist allgemeine Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, daß bei der Prüfung der Angemessenheit der Abwälzung bei besonderen Fallgestaltungen eine von der generellen Beurteilung abweichende Entscheidung möglich ist (vgl. die zur Frage der Zulässigkeit der Abwälzung von Schönheitsreparaturen ergangenen Rechtsentscheide der Oberlandesgerichte Bremen, Frankfurt, Hamm, Karlsruhe, Schleswig und Stuttgart, zusammengestellt in RES IV S. 25/28, darunter auch die Rechtsentscheide des vorlegenden Oberlandesgerichts vom 10. März 1982 und vom 28. August 1984; v. Westphalen DB 1984 Beilage 8 S. 4; Sonnenschein NJW 1980, 1713; Gelhaar ZMR 1981, 225, 231).
cc) Die formularmäßige Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter einer Wohnung, die bei Vertragsbeginn nicht renoviert ist, stellt eine besondere Fallgruppe dar, die einer eigenen rechtlichen Beurteilung zugänglich ist. Wie das Landgericht in seinem Vorlagebeschluß richtig ausführt, ist die Vermietung von nicht renoviertem Wohnraum eine immer wieder vorkommende Fallkonstellation.
b) Auch aus dem Zusammenhang der Gründe des Rechtsentscheids vom 30. Oktober 1984 ergibt sich nicht, daß er den Fall der formularmäßigen Übernahme der Schönheitsreparaturen für eine nicht renovierte Wohnung umfaßt. In dem Beschluß ist zwar ausgeführt, die Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter diene auch dazu, den Vermieter bei der Begründung eines neuen Mietverhältnisses mit einem nachfolgenden Mieter der Notwendigkeit zu entheben, Schönheitsreparaturen auf seine, des Vermieters Kosten vornehmen zu lassen. Damit wird aber nur zum Zweck der Schönheitsreparaturen und nicht dazu Stellung genommen, ob die formularmäßige Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter einer unrenovierten Wohnung gebilligt werden kann. Aus der Entscheidung BGHZ 49, 56 folgt nichts anderes.
III. Da demnach die Voraussetzungen für die Vorlage an den Bundesgerichtshof nicht gegeben sind, war der Erlaß eines Rechtsentscheides abzulehnen. Das Oberlandesgericht hat über die ihm vorgelegte Rechtsfrage selbst zu entscheiden.
Unterschriften
Braxmaier, Wolf, Treier, Dr. Zülch, Groß
Fundstellen
Haufe-Index 1121955 |
NJW 1986, 2102 |