Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 20.06.2002) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten F. und O. wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 20. Juni 2002, soweit es sie betrifft,
- im Strafausspruch dahin ergänzt, daß die in den Niederlanden wegen der Tat III, 2 (richtig: II, 2 UA S. 6/7) erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 auf die verhängte Strafe angerechnet wird,
- mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln, den Angeklagten F. zudem wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen, jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten O. wurden ferner Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung des sachlichen, der Angeklagte F. auch des formellen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen sind sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Strafausspruch ist um den Anrechnungsmaßstab für die in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung zu ergänzen. Die beiden Angeklagten befanden sich wegen der Tat III, 2 nach ihrer Festnahme in den Niederlanden drei Tage in polizeilichem Gewahrsam (UA S. 7). Das Landgericht hat entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB hierfür keinen Anrechnungsmaßstab bestimmt. Da nur eine Anrechnung im Verhältnis 1:1 in Betracht kommt (vgl. u.a. Senatsbeschluß vom 5. Februar 1997 – 2 StR 551/96), bestimmt der Senat diesen Maßstab in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst.
Eines ausdrücklichen Ausspruchs über die Anrechnung der im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung bedarf es nicht, weil von der Ausnahmevorschrift des § 51 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 StGB kein Gebrauch gemacht worden und deshalb die Freiheitsentziehung von Gesetzes wegen anzurechnen ist (vgl. BGHSt 27, 287, 288).
2. Das Urteil hat keinen Bestand, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Die Prüfung dieser Frage drängte sich nach den Urteilsfeststellungen auf, da beide Angeklagten seit längerer Zeit betäubungsmittelabhängig sind und die Taten, derentwegen sie verurteilt wurden, vor allem dazu dienten, den Eigenbedarf der Angeklagten an Heroin zu beschaffen.
Der Angeklagte F. konsumiert seit dem Jahr 2000 Heroin und steigerte seinen Konsum nach eigenen Angaben auf 1 Gramm pro Tag. Wegen Drogenkonsums verlor er seine Fahrerlaubnis. Durch den Verkauf seines Autos finanzierte er im Jahr 2001 seinen Drogenkonsum. Ab einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt finanzierte er den Eigenkonsum durch den Weiterverkauf u.a. von Heroin an andere Konsumenten (UA S. 3).
Der Angeklagte O. konsumierte im Alter von 18 Jahren erstmals Heroin. Nach zweijährigem Konsum entschloß er sich, diesen zu beenden. Anlaß hierfür waren negative Auswirkungen auf das private und berufliche Leben des Angeklagten. Er hatte Schwierigkeiten im Ausbildungsbetrieb und verlor im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum sein Auto. Er unterzog sich einer Entgiftungsbehandlung und nahm an einem Polamidonprogramm teil. Er wurde jedoch rückfällig und konsumierte seit einigen Jahren wieder Heroin, zuletzt ein Gramm pro Tag. Nach seinem Rückfall war der Angeklagte überwiegend arbeitslos, unterbrochen durch kurzfristige Gelegenheitsarbeiten. Den Drogenkonsum will er im Jahr 2001 unter anderem durch seine Tätigkeit als Tätowierer finanziert haben. Von März bis Juni 2002 hat er vier Beratungstermine bei der Suchthilfe wahrgenommen und eine stationäre Rehabilitierungsmaßnahme beantragt (UA S. 3/4).
Unter diesen Umständen hätte das Landgericht bei beiden Angeklagten unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für deren Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Nach § 64 Abs. 1 StGB muß das Gericht diese Maßregel anordnen, wenn der Täter den Hang hat, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, er wegen einer auf seinen Hang zurückgehenden rechtswidrigen Tat verurteilt wird und die Gefahr besteht, daß er auch in Zukunft infolge seines Hangs erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung darf nur unterbleiben, wenn keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.). Dies kann den Urteilsgründen jedoch nicht entnommen werden, zumal der Angeklagte O. selbst eine Drogentherapie anstrebt.
Die Sache bedarf daher insoweit erneuter tatrichterlicher Prüfung. Daß nur die Angeklagten Revision eingelegt haben, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5). Die Beschwerdeführer haben die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362). Der Strafausspruch wird von der Teilaufhebung nicht berührt. Der Senat schließt aus, daß das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung geringere Strafen verhängt hätte.
Eine Erstreckung der teilweisen Aufhebung des Urteils auf den Mitangeklagten S., der keine Revision eingelegt hat, kommt nicht in Betracht (vgl. BGHR StPO § 357 Erstreckung 4).
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Bode, Rothfuß, Fischer
Fundstellen
Haufe-Index 2558780 |
www.judicialis.de 2003 |