Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 02.12.2003) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 2. Dezember 2003 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in elf Fällen und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat weiter die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß zwei Jahre der gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechtes rügt. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Das landgerichtliche Urteil hat rechtlich keinen Bestand, soweit dort die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 9. Juni 2004 ausgeführt:
„Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe einen Hang zum Konsum von Betäubungsmitteln im Übermaß (UA Bl. 14), findet in den tatsächlichen Feststellungen des Urteils keine Grundlage. Hang im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 1, 4 und 5; BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 1996 – 1 StR 591/96, vom 14. Februar 1997 – 2 StR 583/96 und vom 10. September 1997 – 2 StR 416/97). Dies läßt sich den Urteilsgründen nicht hinreichend sicher entnehmen. Die Kammer ist davon ausgegangen, daß der Angeklagte seinen Konsum von Heroin nach der Trennung von seiner Familie Mitte des Jahres 2002 nach zuvoriger massiver Einschränkung gesteigert und wieder ‚annähernd regelmäßig, aber nicht täglich’ Heroin zu sich genommen habe (UA Bl. 5). Darauf gestützt hat das Landgericht in diesem fortgesetzten Konsum ‚keine zum Tatzeitpunkt verfestigte Abhängigkeit von Heroin’ gesehen und die Annahme verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) ausgeschlossen (UA Bl. 12).
Damit scheidet jedenfalls die Annahme einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit aus; aber auch eine ‚eingewurzelte, intensive Neigung, immer wieder Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen’, kommt danach nicht in Betracht (vgl. auch BGH NStZ 1992, 489). Dies würde neben dem Nachweis dauerhaften übermäßigen Betäubungsmittelkonsums zumindest voraussetzen, daß der Angeklagte aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (BGH, Beschluß vom 10. September 1997 – 2 StR 416/97). Dies aber belegen die Urteilsgründe nicht. Die Kammer legt lediglich dar, daß die Loslösung von der Familie und die Aufgabe der legalen Berufstätigkeit die Gefahr der Begehung neuer Straftaten begründe (UA Bl. 14). Davon, daß ein übermäßiger Konsum von Heroin für die Begehung von Straftaten ursächlich gewesen sei oder in Zukunft ursächlich werde, ist dabei gerade nicht die Rede. Es ist so auch an keiner Stelle des Urteils festgestellt, daß der Angeklagte die Straftaten begangen habe, gerade um den Rauschgiftgenuß zu ermöglichen. Nach den Urteilsgründen liegt es vielmehr nahe, daß der Angeklagte vor allem zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, nicht aber um damit seinen Rauschmittelbedarf zu befriedigen, straffällig geworden ist (was im übrigen auch den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen den Taten und einem möglichen Hang im Sinne von § 64 StGB entfallen ließe, vgl. BGH NStZ-RR 1997, 67).
Fehlt es bereits an einem Hang zum Konsum von Betäubungsmitteln im Übermaß, kommt es auf die Frage, ob bei dem Angeklagten nach den von der Kammer mitgeteilten Feststellungen des Sachverständigen bei dem nicht hinreichend zur Therapie bereiten Angeklagten eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht zur Durchführung einer solchen Therapie vorhanden ist (vgl. UA Bl. 14), nicht mehr an.
Die – rechtlich ebenfalls nicht unbedenkliche – Bestimmung über die Vollstreckungsreihenfolge wird mit der Aufhebung der Anordnung nach § 64 StGB gegenstandslos.”
Dem kann sich der Senat nicht verschließen. Die Teilaufhebung läßt den Strafausspruch unberührt.
Unterschriften
Bode, Detter, Otten, Rothfuß, Ri'inBGH Roggenbuck ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert. Bode
Fundstellen