Verfahrensgang

LG Arnsberg

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Anstiftung zum Versicherungsbetrug und wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten R. hat es "wegen Beihilfe zur Anstiftung zum Versicherungsbetrug" unter Einbeziehung der Einzelstrafen eines rechtskräftigen früheren Urteils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben mit einer Verfahrensbeschwerde Erfolg.

1. Nach den Feststellungen plante der Angeklagte S. seit Ende 1989/Anfang 1990, die "Sägehalle" des von ihm in Hesborn/Westfalen betriebenen Sägewerks durch "angeheuerte Dritte gegen Bezahlung" abbrennen zu lassen, um unberechtigte Leistungen aus den Brandschadensversicherungen zu erlangen. "Am Donnerstag, dem 08.03.1990, scheiterte der Versuch zweier Jugoslawen, die Sägehalle mit Hilfe eines flüssigen Brandbeschleunigers anzuzünden". S. nahm darauf Kontakt zu dem Angeklagten R. auf; dieser sollte jemanden finden, der bereit war, die Tat auszuführen. R. setzte sich deshalb mit P. in Verbindung, der sich an dem "Job" interessiert zeigte. Deshalb "organisierte R. in der Bahnhofsgaststätte am Frankfurter Hauptbahnhof zwischen dem 08.03. und 19.03.1990 ein Treffen zwischen dem Mitangeklagten S. und P.. Der Angeklagte R. nahm an dieser Unterredung nicht teil. Der Angeklagte S. berichtete P. von dem mißlungenen Versuch vom 08.03.1990 und fragte ihn, ob er bereit sei, das Sägewerk in Brand zu setzen" (UA 18/19). P. erklärte sich einverstanden. In der Nacht zum 20. März 1990 fuhren P. und der Mitangeklagte Sch. von Pfungstadt bei Darmstadt aus zu dem Sägewerk nach Hesborn. Sie zündeten die Sägehalle an, die vollständig zerstört wurde. Die von S. in Anspruch genommenen Versicherungen leisteten Schadensersatz.

Der Angeklagte S. hat sich nicht zur Sache eingelassen. Der Angeklagte R. bestreitet jede Mitwirkung an der Tat. Die Strafkammer stützt ihre Überzeugung von der Tatbeteiligung der Angeklagten im wesentlichen auf einen Brief, den P. aus der Haft heraus unter dem 25. April 1993, also über drei Jahre nach der Tat, an S. geschrieben und in dem er unter der Androhung, andernfalls "auszupacken", die Zahlung von 350.000 DM verlangt hatte. In diesem Brief heißt es an der entscheidenden Stelle: "..., daß Du es selbst veranlaßt hast, daß ich das Sägewerk anzünden soll! Dies ging ja alles über den R. und wir hatten noch ein paar Tage zuvor uns getroffen im Bahnhof in Frankfurt, da waren wir in der Gaststätte. Du hast zu mir gesagt, daß Du die gesamten Sägespäne extra hinrichten tust, damit es richtig brennt!" (UA 21). P., der wegen der Brandstiftung rechtskräftig verurteilt worden ist, hat den Inhalt des Briefes in der Hauptverhandlung, soweit es die Beteiligung der Angeklagten angeht, als falsch bezeichnet; er habe den Brief zusammen mit einem Zellengenossen verfaßt, um so an Geld für die Brandstiftung zu kommen (UA 25).

2. Die Angeklagten rügen übereinstimmend die fehlerhafte Behandlung mehrerer Hilfsbeweisanträge. Zumindest in bezug auf den auf die Vernehmung von Ri. als Zeugin gerichteten Antrag sind.die zulässig erhobenen Rügen auch begründet.

Der Verteidiger des Angeklagten R. beantragte für den Fall, daß das Gericht nicht zum Freispruch gelangen sollte, die Vernehmung der genannten Zeugin "zum Beweis der Tatsache, daß sich der Angeklagte R. vom 10.03. - 25.03.1990 ausschließlich in Frankreich im Urlaub aufgehalten hat". Dem Antrag schloß sich der Verteidiger des Angeklagten S. an. Die Strafkammer wies diesen Antrag in den Urteilsgründen "als unzulässig (zurück), da der Antrag nicht auf eine bestimmte Beweistatsache gerichtet ist (§ 244 III StPO). Die Angabe, der Angeklagte R. habe sich im Urlaub in Frankreich aufgehalten vom 10.03. - 25.03.1990, ist zu unbestimmt. Insoweit hätte schon der konkrete Urlaubsort bezeichnet werden müssen. Im übrigen läßt der Antrag den 09.03.1990 als Tattag durchaus offen" (UA 31/32).

a) Mit dieser Begründung durfte der Antrag nicht zurückgewiesen werden. Der Beweisantrag genügte den Anforderungen, die an die Bestimmtheit der darin bezeichneten Beweistatsache zu stellen sind. Die (behauptete) Tatsache, daß der Angeklagte R. sich in den im Beweisantrag bezeichneten Zeitraum durchgehend in Frankreich aufgehalten hat, war auch dem Zeugenbeweis zugänglich (vgl. BGHSt 39, 251, 253). Weshalb es für die Bestimmtheit der Beweisbehauptung auch - wie das Landgericht meint - der Angabe des Urlaubsorts bedurfte, ist nicht ersichtlich. Wenn hingegen das Landgericht der Auffassung war, daß der Beweisantrag unzulänglich formuliert war, oder es sich etwa die Überzeugung verschaffen wollte, daß die Beweisbehauptung nicht nur aufs Geratewohl aufgestellt war (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 42. Aufl. § 244 Rdn. 20 mit Rechtspr.-Nachw.), und es deshalb die Angabe des Urlaubsorts für erforderlich hielt, hätte es - gegebenenfalls unter Wiedereintritt in die Hauptverhandlung - den Angeklagten und ihren Verteidigern einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen (vgl. BGHSt 19, 24, 26/27; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO. Rdn. 35 m.w.N.). Es durfte die Angeklagten hier aber nicht mit der Ablehnung des Antrags als unzulässig in den Urteilsgründen überraschen.

b) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts beruht das Urteil auch auf dem Rechtsfehler. Ersichtlich zielte der Antrag auf ein Alibi des Angeklagten R.. Darauf kam es auch an; denn wenn die Beweisbehauptung zutraf, hätte nach dem 8. März 1990 nur noch der 9. März 1990 für die Abrede zwischen beiden Angeklagten und die Organisation und Durchführung des Treffens in Frankfurt zur Verfügung gestanden. Daß dafür diese kurze Zeitspanne ausgereicht haben soll, könnte zweifelhaft sein. Jedenfalls hätte das Landgericht sich angesichts der hier gegebenen Beweislage mit dieser Frage näher auseinandersetzen und dabei bedenken müssen, daß die Annahme, der Angeklagte R. könnte das Treffen in Frankfurt auch von Frankreich aus organisiert haben, eher fernliegt, dies jedenfalls aber nicht festgestellt ist.

Deshalb kann dem Generalbundesanwalt auch nicht darin gefolgt werden, daß der Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit hätte abgelehnt werden können, denn das Landgericht stellt gerade nicht fest, daß das Treffen in Frankfurt am 8. oder 9. März stattgefunden hat. Hinzu kommt, daß das Landgericht zwar davon ausgeht, der Angeklagte R. habe an dem Treffen selbst nicht teilgenommen. Worauf diese Feststellung beruht, läßt das Urteil aber nicht erkennen. Die Angaben hierzu in dem verlesenen Brief des P. an S. vermitteln jedenfalls eher den gegenteiligen Eindruck, nämlich daß sich beide Angeklagte gemeinsam mit P. in Frankfurt getroffen haben. Auch in einem am vorletzten Verhandlungstag erteilten rechtlichen Hinweis des Vorsitzenden war - wie die Revisionen vortragen - von "dem angeblichen Zusammentreffen (des Angeklagten R.) mit dem Angeklagten S. und dem Zeugen P. im März 1990 in der Bahnhofsgaststätte in Frankfurt/Main" die Rede. Wäre der Angeklagte R. aber - wie unter Beweis gestellt - vom 10. bis 25. März 1990 ausschließlich in Frankreich gewesen, hätte er nicht zur gleichen Zeit an dem Treffen in Frankfurt teilnehmen können.

c) Hätte die Strafkammer die Zeugin R. vernommen und wäre hierbei die Beweisbehauptung bestätigt worden, so hätte dies die Überzeugung, daß die die Tatbeteiligung der Angeklagten an der Brandstiftung betreffenden Angaben in dem Brief des P. der Wahrheit entsprechen, in einem wesentlichen Punkt und deshalb die Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt erschüttern können. Damit wäre der Beweiswürdigung der Strafkammer die entscheidende Grundlage entzogen.

3. a) Führt hiernach schon diese Verfahrensrüge zur Aufhebung des Urteils, braucht auf die weiteren formellen Beschwerden und die Sachrügen nicht näher eingegangen zu werden. Allerdings bestehen gegen die Behandlung der Hilfsbeweisanträge im Urteil im übrigen auch jedenfalls insoweit rechtliche Bedenken, als das Gericht auf UA 29 bis UA 32 insgesamt zehn Anträge mittels Wahrunterstellung abgelehnt hat, ohne auch nur andeutungsweise die jeweilige Beweistatsache zu benennen. Grundsätzlich müssen die Urteilsgründe jedoch erkennen lassen, was das Gericht als wahr unterstellt (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 244 Rdn. 256). Andernfalls ist für das Revisionsgericht nicht ohne weiteres ersichtlich, was die unterstellten Tatsachen im Rahmen der Urteilsfeststellungen sachlich besagen und wie die Beweiswürdigung des Urteils und die Wahrunterstellung miteinander in Einklang gebracht werden können (vgl. BGHSt 28, 310, 311; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 11; Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß, 5. Aufl. S. 686/687).

b) Rechtlich bedenklich ist ferner, daß auch aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden kann, worauf das Landgericht die für die Beweiswürdigung wichtigen Feststellungen zu dem am 8. März 1990 gescheiterten Versuch der Inbrandsetzung stützt; denn daß P. dem Angeklagten S. bei dem Treffen in Frankfurt von dem mißlungenen Versuch berichtet habe, ist von jenem nicht bestätigt worden. Zwar dient die Beweiswürdigung nicht dazu, für alle Sachverhaltsfeststellungen einen Beleg zu erbringen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO. § 267 Rdn. 12 m.w.N.); doch war angesichts der hier gegebenen besonderen Beweissituation insoweit eine ausdrückliche Erörterung geboten.

c) Im übrigen bemerkt der Senat in sachlichrechtlicher Hinsicht, daß der Schuldspruch gegen den Angeklagten R. insofern Bedenken begegnet, als das Landgericht seinen Tatbeitrag als "Beihilfe zur Anstiftung zum Versicherungsbetrug" gewürdigt hat. Nach herrschender Auffassung ist Beihilfe zur Anstiftung grundsätzlich Beihilfe zur Tat (RGSt 59, 396, 397 m.w.N.; Roxin in LK-StGB 11. Aufl. § 27 Rdn. 61; Dreher/Tröndle StGB 47. Aufl. § 27 Rdn. 10). Der abweichenden Ansicht von Cramer (in Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. § 27 Rdn. 18) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar ist es richtig, daß die Unterstützung des Anstifters unmittelbar dessen Beteiligung fördert. Dies schließt aber die - auch finale - mittelbare Förderung der Haupttat deshalb nicht aus, so wie auch der Gehilfe des Gehilfen Beihilfe zur Haupttat leistet, ohne daß es darauf ankäme, in welchem Stadium die Beihilfe geleistet wird.

d) Schließlich wird der neue Tatrichter zu bedenken haben, daß Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten - von Auswirkungen auf die Schuldfrage abgesehen - in dem Umfang erforderlich sind, in dem sie bestimmenden Einfluß auf den Rechtsfolgenausspruch haben (BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 8, 9, 10, 12; BGH NStZ 1996, 49). Ob dem die äußerst knappen Feststellungen zur Person jedenfalls des Angeklagten S. noch gerecht werden, erscheint fraglich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993385

NStZ 1996, 562

StV 1996, 362

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