Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des 10. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Celle vom 24.10.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das OLG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 1.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Der 1961 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die 1966 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) heirateten am 25.10.1985. Die Zustellung des Scheidungsantrags erfolgte am 10.3.2008. Durch Beschluss des AG vom 24.10.2011 wurde die Ehe - insoweit rechtskräftig - geschieden und die Folgesache Versorgungsausgleich aus dem Scheidungsverbund abgetrennt.
Rz. 2
Der Ehemann hat in der gesetzlichen Ehezeit vom 1.10.1985 bis zum 29.2.2008 u.a. ein Anrecht aus einer Pflichtversicherung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ("VBLklassik") bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Beteiligte zu 3; im Folgenden: VBL) erworben. Die VBL hat den Ehezeitanteil der Versorgung in einer ersten Auskunft vom 14.12.2011 zunächst mit 37,02 Versorgungspunkten angegeben und unter Berücksichtigung von Teilungskosten i.H.v. 250 EUR vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 18,13 Versorgungspunkten bei einem korrespondierenden Kapitalwert von 6.467,97 EUR zu bestimmen.
Rz. 3
Das AG hat den Versorgungsausgleich geregelt und hinsichtlich der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes - entsprechend dem Vorschlag des Versorgungsträgers - angeordnet, dass im Wege interner Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemanns bei der VBL zugunsten der Ehefrau ein Anrecht i.H.v. 18,13 Versorgungspunkten übertragen wird. Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde hat die VBL geltend gemacht, dass ihr bei der Erstellung der Versorgungsauskunft ein Versehen in Bezug auf das richtige versicherungsmathematische Alter der Ehefrau unterlaufen sei. Tatsächlich betrage der Ausgleichswert für die Ehefrau bei einem gleichbleibendem korrespondierenden Kapitalwert von 6.467,97 EUR nicht 18,13 Versorgungspunkte, sondern 20,94 Versorgungspunkte.
Rz. 4
Im Beschwerdeverfahren hat die VBL eine korrigierte Versorgungsauskunft vorgelegt, in der sie den auf die Ehezeit entfallenden Anspruch des Ehemanns auf Betriebsrente mit monatlich 148,09 EUR bestimmt und diesen Rentenbetrag nach Teilung durch den Messbetrag von 4 EUR (§ 35 Abs. 1 VBL-Satzung; im Folgenden: VBLS) in ein ehezeitliches Anrecht von 37,02 Versorgungspunkten umgerechnet hat. Den von ihr nunmehr vorgeschlagenen Ausgleichswert von 20,94 Versorgungspunkten hat die VBL - unter Verwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren - mit den folgenden Rechenschritten ermittelt:
148,09 EUR monatliche Rente * 12 = 1.777,08 EUR Jahresbetrag 1.777,08 EUR x 7,420 Barwertfaktor für den ausgleichspflichtigen Mann = 13.185,93 EUR Barwert des Ehezeitanteils der Versorgung 1/2x 13.185,93 EUR = 6.592,97 EUR hälftiger Barwert des Ehezeitanteils der Versorgung 6.592,97 EUR - 125 EUR hälftige Teilungskosten = 6.467,97 EUR Ausgleichswert als Barwert 6.467,97 EUR: 6,436 Barwertfaktor für die ausgleichsberechtigte Frau = 1.004,97 EUR Jahresbetrag 1.004,97 EUR: 12 = 83,75 EUR monatliche Rente 83,75 EUR: 4 EUR Messbetrag = 20,94 Versorgungspunkte
Rz. 5
Das OLG hat die angefochtene Entscheidung des AG abgeändert und den Ausgleichswert von 18,13 Versorgungspunkten unter Herausrechnung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei den Barwertfaktoren auf 20,99 Versorgungspunkte heraufgesetzt. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der VBL, die eine interne Teilung auf der Grundlage des von ihr unterbreiteten Vorschlags (20,94 Versorgungspunkte) erstrebt.
II.
Rz. 6
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Rz. 7
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2014, 305 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:
Rz. 8
Obwohl der Ausgleichswert gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG der Hälfte des Ehezeitanteils entspreche, sei er im vorliegenden Fall nicht mit der Hälfte der von dem Ehemann während der Ehezeit erworbenen Bezugsgröße (Versorgungspunkte) zu bemessen. § 10 Abs. 3 VersAusglG bestimme, dass für die Durchführung der internen Teilung die vom Versorgungsträger getroffenen Regelungen über das auszugleichende und das zu übertragende Anrecht maßgeblich seien. Nach § 32a Abs. 2 Satz 1 VBLS werde der ausgleichspflichtigen Person nach der Teilung zwar ein in Versorgungspunkten ausgewiesener Ausgleichswert übertragen; dieser werde aber nach versicherungsmathematischen Grundsätzen und nicht durch hälftige Teilung der ehezeitlichen Versorgungspunkte ermittelt. Dies sei auch mit Blick auf § 11 Abs. 1 VersAusglG zulässig, wonach die interne Teilung eine "gleichwertige" Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten sicherstellen müsse. Dies könne auch durch hälftige Teilung des ehezeitlichen Kapitalwerts erfolgen, selbst wenn die Ehegatten aufgrund ihrer unterschiedlichen versicherungsmathematischen Risiken daraus unterschiedlich hohe Renten zu erwarten hätten.
Rz. 9
Es sei aber vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zu den Unisextarifen (EuGH Urt. v. 1.3.2011 - Rs. C-236/09 - Slg. 2011, I-773 = NJW 2011, 907) nicht mehr hinnehmbar, dass ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsträger nach Geschlechtern differenzierende Sterbetafeln und daraus abgeleitete unterschiedliche Barwertfaktoren verwende. Diese Praxis führe dazu, dass - unter Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG - eine gleichwertige Teilhabe der ausgleichsberechtigten Person an dem Anrecht der ausgleichspflichtigen Person nicht sichergestellt sei. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergäben sich deutliche Anhaltspunkte dafür, dass auch bei der Bemessung von betrieblichen Altersversorgungen künftig nicht mehr nach Geschlechtern differenziert werden dürfe. Jedenfalls bei der Teilung des in der Ehezeit erworbenen Versorgungsvermögens verstoße eine geschlechtsspezifische Bewertung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter in allen Bereichen (Art. 3 Abs. 2 GG sowie Art. 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union), weil sie generell dazu führe, dass Frauen aus gleichen Kapitalwerten geringere Renten erhielten als Männer. Unter Berücksichtigung des vom EuGH postulierten Ziels, sowohl unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts zu beseitigen und deshalb künftig geschlechtsneutrale Prämien und Leistungen zu erreichen, dürften bei der Berechnung von Barwerten nur noch geschlechtsneutrale Faktoren verwendet werden. Die entgegenstehende Praxis der VBL sei auch für einen Übergangszeitraum nicht mehr hinzunehmen. Würde man für beide Ehegatten jeweils die für Männer nach dem jeweiligen Alter maßgeblichen Barwertfaktoren (7,420 für die ausgleichspflichtige Person, 6,417 für die ausgleichsberechtigte Person) zugrunde legen, würde sich ein Ausgleichswert von 21 Versorgungspunkten ergeben. Ziehe man demgegenüber die jeweils für Frauen nach dem jeweiligen Alter maßgeblichen Barwertfaktoren heran (7,434 für die ausgleichspflichtige Person, 6,436 für die ausgleichsberechtigte Person), ließe sich ein Ausgleichswert von 20,98 Versorgungspunkten errechnen. Aus beiden Alternativberechnungen ergebe sich ein Mittelwert von 20,99 Versorgungspunkten, der dem Versorgungsausgleich als Ausgleichswert zugrunde gelegt werden könne.
Rz. 10
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Wesentlichen stand.
Rz. 11
a) Mit Recht und im Einklang mit der weit überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum (OLG Schleswig FamRZ 2016, 371 f.; OLG Köln FamRZ 2015, 1108 f.; OLG Nürnberg FamRZ 2015, 1106, 1107; OLG Naumburg FamRZ 2015, 753; OLG Düsseldorf [8. BGH für Familiensachen] FamRZ 2014, 757 f.; OLG Frankfurt [5. Senat für Familiensachen] Beschl. v. 18.12.2012 - 5 UF 15/12 - juris Rz. 11; OLG Düsseldorf [7. BGH für Familiensachen] Beschl. v. 10.9.2010 - 7 UF 84/10 - juris Rz. 33 ff.; BeckOGK/Siede VersAusglG [Stand: Februar 2017] § 39 Rz. 161 f.; Erman/Norpoth BGB, 14. Aufl., § 45 VersAusglG Rz. 24; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 6. Aufl., § 45 Rz. 99; jurisPK/BGB/Lange [Stand: Oktober 2016] § 47 VersAusglG Rz. 12; jurisPK/BGB/Breuers [Stand: Dezember 2016] § 11 VersAusglG Rz. 22 f.; Ruland Versorgungsausgleich 4. Aufl. Rz. 512, 687; Weiß/Schneider in Gilbert/Hesse Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes [Stand: Februar 2016] § 32a VBLS Rz. 38 ff.; Wick FuR 2015, 204, 205; Mühlstädt BetrAV 2010, 425, 426 f.; a.A. OLG Frankfurt [6. BGH für Familiensachen] FamRZ 2014, 755, 756 f.; Bergner NZFam 2014, 49, 51 ff. und NZFam 2015, 289 ff.; BeckOK/Bergmann BGB [Stand: November 2016] § 5 VersAusglG Rz. 7; tendenziell wohl auch Borth FamRZ 2014, 758, 759) hat das Beschwerdegericht keine grundlegenden Bedenken gegen die von den Trägern der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes praktizierte Verfahrensweise geltend gemacht, die ehezeitlich erworbenen Versorgungspunkte auf der Basis der biometrischen Faktoren des Ausgleichspflichtigen in einen versicherungsmathematischen Barwert umzurechnen und die Hälfte dieses Barwerts - gekürzt um die Hälfte der Teilungskosten nach § 13 VersAusglG - auf der Basis der biometrischen Faktoren des Ausgleichsberechtigten wieder in Versorgungspunkte zurückzurechnen.
Rz. 12
aa) Nach § 5 Abs. 1 VersAusglG berechnet der Versorgungsträger den Ehezeitanteil des Anrechts in Form der für das jeweilige Versorgungssystem maßgeblichen Bezugsgröße, insb. also in Form von Entgeltpunkten, eines Rentenbetrags oder eines Kapitalwerts. Mit dieser Vorschrift sollte insb. klargestellt werden, dass bei der Bestimmung der Bezugsgröße für die Berechnung des Ehezeitanteils grundsätzlich kein Auswahlermessen des Versorgungsträgers besteht, sofern nicht das Gesetz in den §§ 39 ff. VersAusglG dem Versorgungsträger ausdrücklich ein Wahlrecht einräumt (vgl. BT-Drucks. 16/11903, 53). Das gem. § 45 Abs. 1 VersAusglG für die betriebliche Altersversorgung der Privatwirtschaft bestehende Wahlrecht gilt für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht (§ 45 Abs. 3 VersAusglG). Im Versorgungssystem der VBL - wie auch der anderen Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes - sind deshalb die von dem Versicherten satzungsgemäß erworbenen Versorgungspunkte (§ 36 VBLS) als Bezugsgröße maßgeblich (vgl. auch § 39 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG). Gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG unterbreitet der Versorgungsträger dem FamG einen Vorschlag für die Bestimmung des Ausgleichswerts. Wie der Senat mehrfach ausgesprochen hat, stellt es diese Vorschrift dem Versorgungsträger indessen nicht frei, für den Ausgleichswert eine andere Ausgleichsbezugsgröße als die nach seiner Versorgungsordnung maßgebliche zu wählen (vgl. zuletzt BGH v. 17.9.2014 - XII ZB 178/12, FamRZ 2014, 1982 Rz. 16 f.; v. 27.6.2012 - XII ZB 492/11, FamRZ 2012, 1545 Rz. 7 ff.).
Rz. 13
bb) Aus § 5 Abs. 1 und 3 VersAusglG folgt - für sich genommen - zunächst aber lediglich, dass der dem FamG zu unterbreitende Vorschlag für den Ausgleichswert in der für die Ermittlung des Ehezeitanteils maßgeblichen Bezugsgröße - hier: Versorgungspunkte - zu erfolgen hat (BGH, Beschl. v. 27.6.2012 - XII ZB 492/11, FamRZ 2012, 1545 Rz. 9). Diesem Erfordernis wird durch § 32a Abs. 2 Satz 1 VBLS Rechnung getragen. Ein darüber hinausgehender Zwang, den Ausgleichswert durch nominale Teilung des in Versorgungspunkten ausgewiesenen Ehezeitanteils berechnen zu müssen, lässt sich dem Gesetz demgegenüber nicht entnehmen.
Rz. 14
(1) Zwar könnte der Wortlaut von § 1 Abs. 1 VersAusglG, wonach im Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) "jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen" seien, eine solche Verpflichtung zur nominalen Teilung der Bezugsgröße nahelegen. Andererseits steht der ausgleichsberechtigten Person gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG die Hälfte "des Werts" des jeweiligen Ehezeitanteils (Ausgleichswert) zu. Dies ermöglicht begrifflich durchaus eine Auslegung dahingehend, dass die Teilung des Ehezeitanteils auch auf einer vorherigen versicherungsmathematischen Bewertung des in der Ehezeit erworbenen Anrechts beruhen kann, wenn der Versorgungsträger die Bezugsgröße selbst nicht nominal teilen will. Eine solche Sichtweise wird auch durch § 11 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG gestützt, der für die interne Teilung den Grundsatz der "gleichwertigen" Teilhabe festschreibt, welche nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Entstehung eines neuen Anrechts dann sichergestellt ist, wenn das zu übertragende Anrecht dem bei der ausgleichspflichtigen Person verbleibenden Anrecht in Bezug auf den Ausgleichswert "wertmäßig" entspricht (BT-Drucks. 16/10144, 56). Wie sich aus den Gesetzmaterialien im Weiteren erschließt, ist der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund selbst davon ausgegangen, dass die nominale Halbteilung der Bezugsgröße nur einen von mehreren möglichen Wegen darstellt, um einen wertmäßig entsprechenden Ausgleichswert zu bestimmen (vgl. BT-Drucks. 16/10144, 56). Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang insb. anerkannt, dass der Versorgungsträger ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse daran haben kann, den Ausgleichswert nicht durch die nominale Teilung der Bezugsgröße zu bestimmen, nämlich dann, wenn die ausgleichsberechtigte Person versicherungsmathematisch eine ungünstigere Risikostruktur als die ausgleichspflichtige Person aufweist (BT-Drucks. 16/10144, 56).
Rz. 15
(2) Das in § 32a Abs. 2 Satz 2 VBLS geregelte Verfahren, das Anrecht für die ausgleichsberechtigte Person durch Umrechnung und Zurückrechnung mit Hilfe des versicherungsmathematischen Barwerts zu errechnen, vermag dem in § 11 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG normierten Grundsatz der wertgleichen Teilhabe besser Rechnung zu tragen als die nominale Teilung der Bezugsgröße (Versorgungspunkte), wie sie beispielsweise bei der Halbteilung der ehezeitlich erworbenen Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt.
Rz. 16
Dies beruht darauf, dass die im Leistungsfall zur Bestimmung des Rentenbetrags in Euro herangezogene Rechengröße im System der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes statisch (Messbetrag nach § 35 Abs. 1 VBLS) und im System der gesetzlichen Rentenversicherung dynamisch (aktueller Rentenwert nach §§ 68, 255a SGB VI) ist. Ein durch Beitragszahlung bei der VBL erlangter Versorgungspunkt wird für jeden Versicherten zu einem gleichbleibend festen monatlichen Rentenbetrag von 4 EUR führen, und zwar unabhängig davon, ob dieser Versorgungspunkt von einem lebensälteren Versicherten unmittelbar vor dem Renteneintritt oder von einem lebensjüngeren Versicherten zu einem Zeitpunkt erworben wurde, der für ihn möglicherweise noch mehrere Jahrzehnte vor dem Erreichen der Altersgrenze liegt. Je früher indessen der Beitrag eingezahlt wird, desto länger können innerhalb des Versorgungssystems Verzinsungseffekte erzielt werden. Diesem Umstand wird bei der Umwandlung von Beiträgen in Versorgungspunkte durch eine altersabhängige Komponente (den sog. Altersfaktor) Rechnung getragen, dessen Anwendung dazu führt, dass ein lebensjüngerer Versicherter aufgrund des höheren Altersfaktors mit dem gleichen Beitrag eine höhere Anzahl an Versorgungspunkten erwirbt (vgl. dazu Langenbrinck/Mühlstädt Betriebsrente der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Rz. 51 ff.). Die Ermittlung des Ausgleichswerts mit Hilfe des versicherungsmathematischen Barwerts stellt die Berücksichtigung altersabhängiger Komponenten bei der Begründung des neuen Anrechts im Wege der internen Teilung sicher.
Rz. 17
(3) Schließlich gewährleistet die in § 32a Abs. 2 Satz 2 VBLS vorgesehene Berechnungsweise auch die gebotene Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs (Weiß/Schneider in Gilbert/Hesse Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes [Stand: Februar 2016] § 32a VBLS Rz. 43). Aufseiten der Versorgungsträger hätte die nominale Teilung der von dem ausgleichspflichtigen Versicherten ehezeitlich erworbenen Versorgungspunkte bei einem Altersunterschied zwischen den Ehegatten entweder die Entstehung versicherungstechnischer Gewinne (bei einem lebensjüngeren Ausgleichsberechtigten) oder versicherungstechnischer Verluste (bei einem lebensälteren Ausgleichsberechtigten) zur Folge. Versicherungstechnische Verluste wirken sich auf die Träger der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes sowohl in kapitalgedeckten Bereichen als auch in umlagefinanzierten Bereichen gleichermaßen negativ aus. Auch bei der Umlagefinanzierung wird für die Verbindlichkeiten gegenüber den Versicherten eine fiktive Netto-Deckungsrückstellung ermittelt. Versicherungstechnische Verluste erhöhen diese Netto-Deckungsrückstellung und vermindern dadurch in der versicherungstechnischen Bilanz die in Form von Bonuspunkten an die Versicherten zu verteilenden Überschüsse (vgl. Weiß/Schneider in Gilbert/Hesse Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes [Stand: Februar 2016] § 32a VBLS Rz. 40). Es wäre angesichts der Struktur des Versichertenbestands bei den Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes bei einer nominalen Teilung von Versorgungspunkten auch nicht ohne Weiteres zu erwarten, dass sich die im einzelnen Teilungsfall entstehenden altersbedingten versicherungstechnischen Gewinne und Verluste bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung gegeneinander aufheben würden, weil etwa zwei Drittel aller Versicherten bei den Zusatzversorgungskassen Frauen sind, deren durch die interne Teilung potentiell begünstigte Ehegatten im Durchschnitt drei Jahre älter sind als sie selbst (vgl. Mühlstädt BetrAV 2010, 425, 426).
Rz. 18
(4) Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus § 47 Abs. 4 Satz 2 VersAusglG, wonach für ein Anrecht, das bei einem Träger einer Zusatzversorgung des öffentlichen oder kirchlichen Dienstes besteht, als korrespondierender Kapitalwert der versicherungsmathematische Barwert i.S.v. § 47 Abs. 5 VersAusglG zu ermitteln ist. Mit Blick auf § 5 Abs. 3 VersAusglG ist diese Regelung (nur) deshalb erforderlich, weil auch die Träger der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, die den Ausgleichswert in Versorgungspunkten als der maßgeblichen Bezugsgröße ihres Versorgungssystems auszuweisen haben, dem FamG einen Vorschlag für den korrespondierenden Kapitalwert als Hilfsgröße für die Prüfung einer Geringfügigkeit und einen möglicherweise erforderlichen Wertvergleich von Anrechten unterbreiten müssen. Der Rückgriff auf den versicherungsmathematischen Barwert nach § 47 Abs. 5 VersAusglG erfolgte insb. deshalb, weil der Gesetzgeber eine Ermittlung des korrespondierenden Kapitalwerts nach dem Maßstab einer fiktiven Einzahlung von Beiträgen in das Versorgungssystem (§ 47 Abs. 2 VersAusglG) angesichts der bei gleicher Leistung erheblich voneinander abweichenden Umlagesätze der arbeitgeberfinanzierten Zusatzversorgungseinrichtungen als problematisch ansah (vgl. BT-Drucks. 16/10144, 85). Demgegenüber lassen sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage entnehmen, auf welche bestimmte Weise der - in Versorgungspunkten anzugebende - Ausgleichswert zu berechnen oder nicht zu berechnen ist (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2015, 1106, 1107).
Rz. 19
b) Der Senat teilt auch die Bedenken des Beschwerdegerichts an der rechtlichen Zulässigkeit der Heranziehung von geschlechtsspezifischen Rechnungsgrundlagen durch die VBL und andere Zusatzversorgungsträger.
Rz. 20
Diese Frage ist allerdings umstritten. Während geschlechtsspezifische Barwertfaktoren von einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung (weiterhin) akzeptiert werden (vgl. OLG Schleswig FamRZ 2016, 371, 372; OLG Köln FamRZ 2015, 1108, 1109; OLG Oldenburg FamRZ 2011, 1148 f.; vgl. auch KG FamRZ 2016, 133, 136: keine Verpflichtung zur Verwendung geschlechtsneutraler Barwertfaktoren bei Ehezeitende vor dem 21.12.2012), macht eine abweichende Ansicht - mit dem Beschwerdegericht - gegen diese Praxis der VBL sowohl verfassungsrechtliche als auch unionsrechtliche Bedenken geltend (vgl. auch Wick Der Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rz. 333; Hauß/Bührer Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis 2. Aufl. Rz. 379; Orgis FPR 2011, 509, 512; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl., § 45 VersAusglG Rz. 54).
Rz. 21
aa) Nach Auffassung des Senats führt das in § 32a Abs. 2 Satz 2 VBLS geregelte Verfahren zur Ermittlung des Ausgleichswerts für die interne Teilung bei Verwendung der im Technischen Geschäftsplan der VBL enthaltenen geschlechtsspezifischen Barwertfaktoren für die Umrechnung bzw. Zurückrechnung von Barwerten zu einer mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von ausgleichsberechtigten Personen männlichen und weiblichen Geschlechts.
Rz. 22
(1) Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nach der Satzung der VBL ist am Grundrecht auf Gleichbehandlung zu messen. Die Satzung ist zwar privatrechtlich ausgestaltet und findet Anwendung auf die Gruppenversicherungsverträge, welche die an der VBL beteiligten öffentlichen Arbeitgeber mit der VBL zugunsten ihrer Arbeitnehmer abschließen. Jedoch nimmt die VBL als Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 VBLS) eine öffentliche Aufgabe lediglich in privatrechtlicher Form wahr, so dass die Satzung der VBL insb. an die Beachtung des Gleichheitsgrundrechts gebunden ist (vgl. BVerfG NZA 2011, 857, 858; BVerfG FamRZ 2009, 1977; vgl. bereits BGHZ 103, 370, 383 = NVwZ-RR 1988, 104, 107).
Rz. 23
(2) Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG konkretisiert und verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Geschlecht darf grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn die Regelung nicht unmittelbar auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt. An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur dann vereinbar, wenn und soweit sie zur Lösung von Problemen, die "ihrer Natur nach" entweder nur bei Männern oder nur bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind (vgl. BVerfG NJW 1995, 1733, 1734; BVerfG FamRZ 1992, 289, 290; vgl. zuletzt BVerfG NZA 2011, 857, 858 f.). Mit dieser Formulierung hat die neuere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung die frühere Bezugnahme auf "die objektiven biologischen und funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses zwischen Männern und Frauen" (zuletzt etwa BVerfG NJW 1983, 1968, 1970 m.w.N.) ersetzt. Unmittelbar geschlechterdifferenzierende Regelungen sind nunmehr - nach einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung - nur noch zur Lösung solcher Probleme zulässig, die allein auf biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen zurückzuführen sind (vgl. BeckOK/GG/Kischel [Stand: Dezember 2016] Art. 3 Rz. 192; Sachs/Osterloh/Nußberger GG 7. Aufl. Art. 3 Rz. 274).
Rz. 24
(3) Nach diesen Maßstäben kann eine unterschiedliche Behandlung von (versicherungstechnisch gleichaltrigen) männlichen und weiblichen Ausgleichsberechtigten bei der Berechnung des im Wege der internen Teilung zu übertragenden Ausgleichswerts nicht mit der Begründung gerechtfertigt werden, dass mit den geschlechtsspezifischen Barwertfaktoren lediglich die höhere Lebenserwartung von Frauen und die damit einhergehende längere Leistungspflicht des Versorgungsträgers aus dem geteilten Anrecht abgebildet werde.
Rz. 25
(a) Es steht dabei allerdings außer Frage, dass Männer und Frauen eine statistisch nachweisbar unterschiedlich hohe Lebenserwartung haben. Nach der vom Statistischen Bundesamt im Frühjahr 2016 veröffentlichten Periodensterbetafel für Deutschland beträgt die Lebenserwartung bei Geburt für neugeborene Jungen 78,13 Jahre und für neugeborene Mädchen 83,05 Jahre. Die durchschnittliche Restlebenserwartung für 65-jährige Männer liegt bei weiteren 17,69 Jahren und für gleichaltrige Frauen bei weiteren 20,90 Jahren (vgl. Sterbetafel 2012/2014, Methoden- und Ergebnisbericht zur laufenden Berechnung von Periodensterbetafeln für Deutschland und die Bundesländer S. 26 ff., veröffentlicht bei www.destatis.de).
Rz. 26
Es ist demgegenüber stark umstritten, ob die statistisch höhere Lebenserwartung von Frauen auf biologische Gründe zurückgeführt werden kann. Teilweise wird - gestützt auch auf medizinische und soziologische Studien (vgl. etwa die Nachweise bei Temming ZESAR 2005, 72, 74 Fn. 16 f.) - die Auffassung vertreten, dass die unterschiedlich hohe Lebenserwartung von Frauen und Männern gerade nicht auf biologischen Unterschieden, sondern in erster Linie auf soziokulturellen Prägungen (Lebensgewohnheiten, Ernährungsweise, Suchtverhalten, Familienstand, Berufstätigkeit oder Bildungsniveau) beruhe, für die das Geschlecht lediglich als stellvertretender Indikator herangezogen werde (vgl. Temming ZESAR 2005, 72, 74; Wrese/Baer NJW 2004, 1623, 1625; Hensche NZA 2004, 828, 832; vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 30.9.2010 in der Rechtssache C-236/09 - Association Belge des Consommateurs Test-Achats - VersR 2010, 1571 Rz. 62 f.). Demgegenüber wird von der Gegenansicht die Bedeutung möglicher biologischer Ursachen für die unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen betont (vgl. etwa Steinmeyer NZA 2004, 1257, 1258 f.; Armbrüster VersR 2010, 1578, 1581). In diesem Zusammenhang wird einerseits auf genetische Einflüsse im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Anfälligkeit der Geschlechter für Erbkrankheiten (vgl. Höhn ZVersWiss 2002, 237, 240 f.; vgl. auch Schwintowski VersR 2011, 164, 170) und andererseits auf hormonelle Faktoren hingewiesen: Das männliche Sexualhormon Testosteron fördere die Entstehung von Arteriosklerose und Thrombosen, während das weibliche Sexualhormon Östrogen eine höhere Produktion von Antikörpern gegen Infektionen und mittelbar über die Verbesserung der Cholesterinwerte einen verbesserten Schutz gegen Gefäßkrankheiten und Schlaganfälle bewirke (vgl. Kürvers Betriebliche Altersversorgung in Deutschland und den USA im Rechtsvergleich S. 236 mN); darüber hinaus ergebe sich aufgrund der hormonellen Unterschiede zwischen Männern und Frauen auch eine unterschiedlich ausgeprägte Neigung zu risikoreichen Lebensgewohnheiten (Höhn ZVersWiss 2002, 237, 241).
Rz. 27
(b) Hiernach lässt sich nach dem derzeitigen Kenntnisstand am ehesten noch die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass die statistisch unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen - in einem letztlich nicht aufklärbaren Umfang - sowohl von genetischen und hormonellen Faktoren einerseits als auch von soziokulturellen Faktoren andererseits beeinflusst wird. Es erscheint schon zweifelhaft, ob ein solcher Befund am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG einen hinreichenden (biologischen) Anknüpfungspunkt für eine unmittelbar an das Geschlecht anknüpfende Ungleichbehandlung liefern kann (zweifelnd etwa Felix/Sangi ZESAR 2011, 257, 260 f.). Es kommt darauf aber letztlich nicht an, weil es - jedenfalls - an einem zwingenden Grund für die Ungleichbehandlung fehlt.
Rz. 28
(aa) Weibliche Versicherte erhalten während der Anwartschaftsphase aufgrund der entrichteten Beiträge dieselben Versorgungspunkte wie versicherungstechnisch gleichaltrige männliche Versicherte. Die mit dem Erwerb der gleichen Anzahl von Versorgungspunkten verbundene Leistungspflicht lässt für die VBL gegenüber einer weiblichen Versicherten aufgrund ihrer statistisch höheren Lebenserwartung einen höheren Erfüllungsaufwand erwarten als gegenüber einem versicherungstechnisch gleichaltrigen männlichen Versicherten. Diesem Umstand trägt die VBL durch die Verwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren bei der Berechnung von Deckungsrückstellungen in ihrer versicherungstechnischen Bilanz Rechnung. Soweit die VBL - folgerichtig - die gleichen geschlechtsspezifischen Barwertfaktoren für ihre versicherungsmathematischen Berechnungen zum Ausgleichswert im Versorgungsausgleich heranzieht (vgl. Weiß/Schneider in Gilbert/Hesse Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes [Stand: Februar 2016] § 32a VBLS Rz. 41), wird dadurch in versicherungstechnischer Hinsicht die Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs gewährleistet.
Rz. 29
(bb) Die Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs kann aber grundsätzlich auch durch die Verwendung geschlechtsneutraler Rechnungsgrundlagen sichergestellt werden. Zwar wird mit Recht darauf hingewiesen, dass eine Neukalkulation mit geschlechtsneutralen Rechnungsgrundlagen für den Versorgungsträger möglicherweise mit versicherungstechnischen Belastungen einhergeht, wenn sich zum einen die bisherigen geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Sterblichkeitsannahme bei der Bemessung des Barwerts der künftigen Leistungsverpflichtungen stark niederschlagen und sich der Versorgungsträger zum anderen kalkulatorisch gegen das Risiko absichern muss, dass sich das in seinen neuen geschlechtsneutralen Rechnungsgrundlagen zugrunde gelegte Mischungsverhältnis von Männern und Frauen in seinem Versichertenbestand mit dem Zeitablauf ändert (vgl. Höfer/Reinhard Betriebsrentenrecht Bd. I [Stand: März 2015] Kap. 6 Rz. 150; Jurk/Wilhelm BB 2012, 381, 383 f.). Wenn aber die zugesagte Leistung - wie bei der VBL und den anderen Trägern der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes - eine Hinterbliebenenversorgung einschließt, werden die Auswirkungen der geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Sterblichkeitsannahmen bei Männern und Frauen nahezu kompensiert, weil die Wahrscheinlichkeit, eine Hinterbliebenenversorgung für eine Witwe auszulösen, bedeutend höher als die Wahrscheinlichkeit ist, eine Hinterbliebenenversorgung für einen Witwer herbeizuführen (vgl. Höfer/Reinhard Betriebsrentenrecht Bd. I [Stand: März 2015] Kap. 6 Rz. 150; Jurk/Wilhelm BB 2012, 381, 383). Eine besondere versicherungstechnische Belastung ist daher für die VBL durch die Umstellung auf geschlechtsneutrale Rechnungsgrundlagen nicht zu erwarten.
Rz. 30
(4) Der auf der geschlechtsspezifischen Bewertungspraxis der VBL beruhende Verstoß gegen das Gleichheitsgrundrecht führt indessen nicht zur Unwirksamkeit des § 32a Abs. 2 Satz 2 VBLS selbst.
Rz. 31
Ein Gleichheitsverstoß kann grundsätzlich auch im Wege der verfassungskonformen Auslegung der betreffenden Satzungsbestimmungen beseitigt werden, sofern dadurch nicht in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Regelungsbefugnisse und Gestaltungsspielräume der Tarifvertragsparteien eingegriffen wird (vgl. auch BAG VersR 1979, 968, 970). Letzteres ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zu besorgen, weil die Tarifparteien des öffentlichen Dienstes auf eine tarifvertragliche Umsetzung der Strukturreform des Versorgungsausgleichs verzichtet haben und § 32a VBLS daher keine tarifvertragliche Grundlage hat (vgl. Weiß/Schneider in Gilbert/Hesse Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes [Stand: Februar 2016] § 32a VBLS Rz. 6). § 32a Abs. 2 Satz 2 VBLS enthält seinerseits keine konkreten Vorgaben über die bei der Barwertermittlung zu verwendenden Rechnungsgrundlagen. Vielmehr beschränkt sich die Bestimmung allgemein auf eine Bezugnahme auf die "versicherungsmathematischen Grundsätze", so dass der auf der Verwendung geschlechtsspezifischer Rechnungsgrundlagen beruhende Gleichheitsverstoß schon durch eine auf verfassungskonformer Auslegung beruhenden Handhabung der Bestimmung dahingehend beseitigt werden kann, dass bei der versicherungsmathematischen Ermittlung von Barwerten im Rahmen der Berechnung des Ausgleichswerts im Versorgungsausgleich lediglich geschlechtsneutrale Rechnungsgrundlagen herangezogen werden dürfen. Davon geht auch das Beschwerdegericht zutreffend aus.
Rz. 32
bb) Allerdings kann die Verwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren noch für solche Versorgungsauskünfte hingenommen werden, die vor dem 1.1.2013 erteilt worden sind.
Rz. 33
Bei einem Verstoß gegen das Gleichheitsgrundrecht stellt sich grundsätzlich die Frage nach einer zeitlichen und sachlichen Beschränkung der Folgewirkungen. Dies gilt auch bei einem Grundrechtsverstoß durch die Ausgestaltung von Versicherungsbedingungen im Rahmen einer Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, die auf der Satzung einer öffentlichen Anstalt beruht (vgl. BVerfG NZA 2011, 857, 859). Die Gewährung einer Übergangsfrist kann aus dem Gesichtspunkt einer geordneten Finanzplanung sowie dann geboten sein, wenn die (Verfassungs-)Rechtslage bisher nicht hinreichend geklärt war und aus diesem Grund eine angemessene Frist zur Schaffung einer verfassungskonformen Regelung zu gewähren ist (BVerfG NJW 2008, 1868, 1875; BVerfG NJW 1991, 2129, 2133).
Rz. 34
(1) In diesem Zusammenhang hat der Senat insb. berücksichtigt, dass ein schützenswertes Vertrauen in die Zulässigkeit geschlechtsspezifischer versicherungsmathematischer Rechnungsgrundlagen - zumindest für die im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nach dem 21.12.2012 neu abgeschlossenen Versicherungsverträge - mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH selbst von privatrechtlich organisierten Versorgungsträgern nicht mehr in Anspruch genommen werden konnte.
Rz. 35
(a) In der sog. "Test-Achats"-Entscheidung aus dem Jahre 2011 hat sich der EuGH mit einer nationalen (belgischen) Vorschrift befasst, die unter bestimmten Umständen geschlechtsspezifische Prämien und Leistungen bei privaten Versicherungsverträgen zugelassen hat. Obwohl eine solche Praxis gem. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. Nr. L 373 vom 21.12.2004 S. 37; im Folgenden: Gender-Richtlinie) schon für Versicherungsverträge untersagt war, die nach dem 21.12.2007 neu abgeschlossen worden sind, stand das belgische Gesetz im Einklang mit der Richtlinie. Denn gem. Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie konnten die Mitgliedsstaaten noch bis zum 21.12.2007 nationale Regelungen zur Zulässigkeit proportionaler Unterschiede bei den Prämien und Leistungen privater Versicherungsverträge schaffen, wenn "die Berücksichtigung des Geschlechts bei einer auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist." Auch Deutschland hatte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 1 AGG in der vom 18.4.2006 bis zum 21.12.2012 geltenden Fassung).
Rz. 36
Der EuGH hat ausgesprochen, dass Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie mit Wirkung zum 21.12.2012 seine Gültigkeit verliere. Habe der Unionsgesetzgeber ein Tätigwerden zur schrittweisen Verwirklichung der Gleichheit von Männern und Frauen beschlossen, müsse er "in kohärenter Weise" auf die Verwirklichung dieses Ziels hinwirken (EuGH Urt. v. 1.3.2011 - Rs. C-236/09 - Slg. 2011, I-773 = NJW 2011, 907 Rz. 19 ff. - Association Belge des Consommateurs Test-Achats). Aus Art. 5 Abs. 1 der Gender-Richtlinie ergebe sich das Ziel, dass Prämien und Leistungen in der Versicherungswirtschaft geschlechtsneutral bemessen werden. Im 18. Erwägungsgrund der Gender-Richtlinie heiße es dazu ausdrücklich, dass zur Gewährleistung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer versicherungsmathematischer Faktoren nicht zu Unterschieden bei den Prämien und Leistungen führen sollen. Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie, der es den Mitgliedstaaten gestatte, eine Ausnahme von der Regel geschlechtsneutraler Prämien und Leistungen unbefristet aufrechtzuerhalten, laufe der Verwirklichung des mit der Gender-Richtlinie verfolgten Ziels der Gleichbehandlung von Frauen und Männern zuwider und sei deshalb mit den primärrechtlichen Gewährleistungen der Art. 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unvereinbar (vgl. EuGH Urt. v. 1.3.2011 - Rs. C-236/09 - Slg. 2011, I-773 = NJW 2011, 907 Rz. 30-32 - Association Belge des Consommateurs Test-Achats). Der deutsche Gesetzgeber hat als Reaktion auf die "Test-Achats"-Entscheidung mit Wirkung zum 21.12.2012 - neben einzelnen Anpassungen im Versicherungsaufsichtsgesetz - den am Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie orientierten § 20 Abs. 2 Satz 1 AGG in der bis dahin bestehenden Fassung aufgehoben (Art. 8 des SEPA-Begleitgesetzes vom 3.4.2013, BGBl. I, 610).
Rz. 37
(b) Freilich findet die Gender-Richtlinie und die zu ihr ergangene Rechtsprechung des EuGH auf die Systeme der betrieblichen Altersversorgung keine unmittelbare Anwendung. Denn die Richtlinie gilt nicht im Bereich "Beschäftigung und Beruf" (Art. 3 Abs. 4 der Gender-Richtlinie), weil in diesem Bereich zahlreiche andere Rechtsinstrumente den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen verwirklichen (vgl. 15. Erwägungsgrund zur Gender-Richtlinie). Auch versicherungsförmige Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung, in denen der Arbeitgeber - wie bei der "VBLklassik" - als Versicherungsnehmer zugunsten seines Arbeitnehmers (als versicherter Person und Bezugsberechtigter) den Versicherungsvertrag mit dem externen Versorgungsträger abschließt, fallen unzweifelhaft nicht in den Anwendungsbereich der Gender-Richtlinie (Raulf BetrAV 2012, 641, 643; Temming BetrAV 2012, 391, 393; Ulbrich DB 2011, 2575, 2576).
Rz. 38
Allerdings unterliegt das dem Versorgungsversprechen des Arbeitgebers zugrunde liegende arbeitsrechtliche Grundverhältnis (Valutaverhältnis) in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherung dem Geltungsbereich der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.7.2006 zur Verwirklichung der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. Nr. L 204 vom 26.7.2006 S. 23; im Folgenden: Entgeltgleichheits-Richtlinie). Diese enthält ein eigenes, für die betrieblichen Versorgungssysteme normiertes Verbot der geschlechtsbezogenen Diskriminierung, welches sich ausdrücklich auch auf die Berechnung der Beiträge und Leistungen bezieht (Art. 5 lit. b und c der Entgeltgleichheits-Richtlinie). Eine Ausnahme gilt indessen gem. Art. 9 Abs. 1 lit. h der Entgeltgleichheits-Richtlinie, wonach die Gewährung eines unterschiedlichen Leistungsniveaus zulässig ist, wenn "dies notwendig ist, um versicherungstechnischen Berechnungsfaktoren Rechnung zu tragen, die im Fall von Festbeitragssystemen je nach Geschlecht unterschiedlich sind".
Rz. 39
(c) Unter ausdrücklichem Hinweis auf Art. 9 Abs. 1 lit. h der Entgeltgleichheits-Richtlinie hat die Europäische Kommission die Auffassung vertreten, dass die "Test-Achats"-Entscheidung des EuGH keine Auswirkungen auf die Systeme der betrieblichen Altersversorgung habe, weil sich diese Rechtsprechung auf einen "völlig anderen Sachverhalt" beziehe (vgl. Nr. 2.4 der Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versicherungswesen im Anschluss an das BGH des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-236/09 [Test-Achats], abgedruckt in BetrAV 2012, 78 ff.). Eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte ist indessen gerade bei den versicherungsförmigen Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung nicht von der Hand zu weisen, weil männlichen und weiblichen Arbeitnehmern als Gegenleistung für ihre Arbeitsleistung und die darauf gegründeten Beiträge des Arbeitgebers an den externen Versorgungsträger eine - möglicherweise eben geschlechtsspezifisch kalkulierte - Versicherungs- bzw. Versorgungsleistung zugesagt wird (vgl. Raulf BetrAV 2012, 641, 647). Die rechtlichen Wertungen der "Test-Achats"-Entscheidung lassen es darüber hinaus als zweifelhaft erscheinen, ob die (entsprechend Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie) als unbefristete Ausnahmeregelung konzipierte Bestimmung des Art. 9 Abs. 1 lit. h der Entgeltgleichheits-Richtlinie im Einklang mit den primärrechtlichen Gewährleistungen des Unionsrechts steht. Dies gilt vor allem deshalb, weil sich die Entgeltgleichheits-Richtlinie (ebenso wie die Gender-Richtlinie) in ihren Erwägungsgründen als Rechtsrahmen auf Art. 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bezieht und insoweit der gleiche Prüfungsmaßstab gilt. Im deutschen Schrifttum besteht deshalb - soweit ersichtlich - grundsätzlich Einigkeit über die präjudizielle Bedeutung der "Test-Achats"-Entscheidung für die Beurteilung der Frage nach einer möglichen Unionsrechtswidrigkeit von Art. 9 Abs. 1 lit. h der Entgeltgleichheits-Richtlinie (vgl. Höfer/Reinhard Betriebsrentenrecht Bd. I [Stand: März 2015] Kap. 6 Rz. 159; Ahrendt RdA 2016, 129, 138 f.; Krönung BetrAV 2013, 89; Raulf BetrAV 2012, 641, 647; Reinecke BetrAV 2012, 402, 407; Temming BetrAV 2012, 391, 394 ff.; Langohr-Plato BetrAV 2012, 292, 293; Jurk/Wilhelm BB 2012, 381 f.; Ulbrich DB 2012, 2775, 2776 f.; vgl. auch Willemsen/Döring BetrAV 2011, 432, 439: mittelbare Auswirkungen der "Test-Achats"-Entscheidung zumindest auf die versicherungsförmigen Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung).
Rz. 40
(2) Die möglichen Folgewirkungen der "Test-Achats"-Entscheidung auf das System der betrieblichen Altersversorgung haben ihren Niederschlag auch in den zwischen der VBL und der Fachvereinigung Zusatzversorgung in der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung e.V. (AKA) vereinbarten "Richtlinien zum Versorgungsausgleich" (abgedruckt bei Gilbert/Hesse Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unter Nr. 610) gefunden. Nach Ziff. 2.4.1 der "Richtlinien" sollen bei Versorgungsauskünften ab dem 1.1.2013 aus Gründen der Rechtssicherheit unabhängig vom Ehezeitende auch in der Pflichtversicherung nur noch geschlechtsneutrale Barwertfaktoren herangezogen werden. Diesen Empfehlungen folgend haben einige kommunale Zusatzversorgungskassen ihr Bewertungssystem bereits im Jahr 2013 auf geschlechtsneutrale Barwertfaktoren umgestellt (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2015, 1106, 1107: Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden).
Rz. 41
Vor diesem Hintergrund kann die von den "Richtlinien" abweichende und im Ergebnis schon gegen nationales Verfassungsrecht verstoßende Praxis der Verwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren bei der Ermittlung des Ausgleichswerts nur noch für solche Versorgungsauskünfte hingenommen werden, die vor dem 1.1.2013 erteilt worden sind. Wird die Versorgungsauskunft nach dem 1.1.2013 erteilt, ist sie bei Heranziehung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren grundsätzlich nicht verwertbar. Solange der betroffene Zusatzversorgungsträger sein Bewertungssystem noch nicht auf geschlechtsneutrale Rechnungsgrundlagen umgestellt hat, kommt in der Übergangszeit eine - auch vom Beschwerdegericht vorgenommene - Schätzung aufgrund von Näherungsberechnungen in Betracht.
Rz. 42
3. Unabhängig davon, ob die von der VBL im vorliegenden Verfahren erteilte Versorgungsauskunft noch hätte verwertet werden können, kann die angefochtene Entscheidung allerdings zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestehen bleiben. Denn das von dem am 31.1.1961 geborenen Ehemann ehezeitlich erworbene Anrecht "VBLklassik" beruht fast vollständig auf einer ihm erteilten Startgutschrift für rentenferne Versicherte. Der BGH hat die Startgutschriftenregelung der VBL für rentenferne Versicherte (erneut) für unwirksam erklärt (vgl. BGHZ 209, 201 = VersR 2016, 583 Rz. 20 f.). Auch im Verfahren über den Versorgungsausgleich darf ein von der VBL mitgeteilter und anhand verfassungswidriger Satzungsbestimmungen ermittelter Wert einer Startgutschrift grundsätzlich nicht die Grundlage für eine gerichtliche Regelung sein oder durch eine individuelle Wertberechnung ersetzt werden (vgl. BGH v. 5.11.2008 - XII ZB 53/06, FamRZ 2009, 303 Rz. 16; v. 18.2.2009 - XII ZB 54/06, FamRZ 2009, 950 Rz. 16). Ob dies auch dann gilt, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte bereits Rentenleistungen bezieht oder ein Rentenbezug unmittelbar bevorsteht und er deshalb aus wirtschaftlichen Gründen auf den Wertausgleich des VBL-Anrechts unter Einbeziehung einer nur unverbindlich erteilten Startgutschrift aus wirtschaftlichen Gründen dringend angewiesen ist (Borth FamRZ 2016, 902, 903 und FamRZ 2015, 548, 549; vgl. bereits BGH v. 5.11.2008 - XII ZB 53/06, FamRZ 2009, 303 Rz. 17) kann hier dahinstehen. Ein Rentenbezug der am 22.5.1966 geborenen Ehefrau ist noch nicht abzusehen. Der Ehezeitanteil des von dem Ehemann erworbenen Anrechts wird deshalb durch den Tatrichter neu festzustellen sein, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes die Berechnung der Startgutschriften für rentenferne Versicherte neu geregelt haben.
Fundstellen
Haufe-Index 10587010 |
FamRZ 2017, 871 |
NZFam 2017, 396 |