Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Abgabenbescheids

 

Leitsatz (amtlich)

Die gemäß § 113 Teil I Abs. 7 BNotO erlassenen satzungsrechtlichen Regelungen der Notarkasse München über die Erhebung von sogenannten progressiv ansteigenden Staffelabgaben sind rechtswirksam.

 

Normenkette

BNotO § 113 Teil I Abs. 7

 

Verfahrensgang

OLG München (Beschluss vom 11.05.1994)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 13.07.2004; Aktenzeichen 1 BvR 1298/94, 1 BvR 1299/94, 1 BvR 1332/95, 1 BvR 613/97)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts München – Senat für Notarsachen – vom 11. Mai 1994 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 26.486,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller, ein bis zum 25. Juni 1991 mit Amtssitz in L., nunmehr in Le. tätiger Notar, wendet sich gegen eine seine frühere Tätigkeit in Rheinland-Pfalz betreffende Abgabenanforderung der Antragsgegnerin für den Zeitraum 1990/1991.

Unter der Bezeichnung „Bayerische Notariatskasse”, später als „Bayerische Notarkasse” besteht die Antragsgegnerin bereits seit 1925 als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Ihr Tätigkeitsgebiet umfaßt außer Bayern auch den Regierungsbezirk Pfalz von Rheinland-Pfalz. Nach der gesetzlichen Regelung in § 113 Teil I Abs. 3 BNotO gehören zu ihren Aufgaben insbesondere

  • die erforderliche Ergänzung im Falle zu geringer Einkommen der Notare,
  • die Versorgung der ausgeschiedenen Notare im Alter und bei Amtsunfähigkeit sowie die Versorgung ihrer Hinterbliebenen,
  • die einheitliche Durchführung der Haftpflichtversicherung,
  • die Förderung der wissenschaftlichen und praktischen Fortbildung der Notare und Notarassessoren sowie der fachlichen Ausbildung des Personals der Notare sowie
  • die Bereitstellung der Haushaltsmittel der im Gebiet der Antragsgegnerin gebildeten Notarkammern.

Soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, hat die Antragsgegnerin von den Notaren ihres Tätigkeitsbereichs Abgaben zu erheben (§ 113 Teil I Abs. 7 Satz 1 BNotO). In der Abgabensatzung, die sich die Antragsgegnerin für das Rechnungsjahr 1991 am 26. Oktober 1990 gegeben hat, ist entsprechend den Abgabensatzungen für die früheren Rechnungsjahre festgelegt, daß – neben dem sogenannten Besoldungsbeitrag für die in § 113 Teil I Abs. 3 Nr. 3 und 8 genannten Aufgaben – nach Kalendermonaten berechnete Staffelabgaben aus den abgabenpflichtigen Notargebühren zu entrichten sind (§ 2 Abs. 1 lit. b, §§ 5, 6 der Abgabensatzung). Von der Abgabenpflicht sind bestimmte, in § 5 Abs. 2 der Abgabensatzung bezeichnete Gebühren ausgenommen; außerdem bleibt bei der Ermittlung der Abgaben ein prozentual festgelegter Freibetrag außer Betracht. Nach § 6 der Abgabensatzung machen die Staffelabgaben bei einem monatlichen abgabenpflichtigen Gebührenaufkommen von 3.000 bis 26.900 DM einen Anteil von 10 % aus; sie steigen in Stufen bis zu 80 % bei einer monatlichen Gebührensumme von mehr als 188.330 DM an. Zur Anpassung der Abgaben an den Haushaltsbedarf kann die Antragsgegnerin nach § 13 Abs. 1 der Abgabensatzung im Verlauf des Rechnungsjahres jeweils mit Rückwirkung die Stufen der monatlichen Abgabenstaffel in bestimmtem Maß erhöhen oder herabsetzen. Zum Schluß des Abrechnungsjahres wird die Abgabenschuld unter Anwendung der auf ein Jahr umgerechneten Abgabenstaffel und unter Berücksichtigung der im Laufe des Jahres vorgenommenen Änderungen durch die sogenannte Jahresabrechnung festgelegt (§ 13 Abs. 2 der Abgabensatzung).

Durch entsprechende Jahresabrechnung ermittelte die Antragsgegnerin für den Antragsteller die endgültige Abgabenschuld 1990/1991 mit einem Betrag von 26.333 DM und teilte sie in einem an den Antragsteller gerichteten Schreiben vom 21. Februar 1992 mit. Auf den Hinweis des Antragstellers, ein Bescheid über die Abgabenschuld 1990/1991 sei ihm bisher nicht zugegangen, verwies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1. April 1993 auf die unter dem 21. Februar 1992 abgesandte Jahresabrechnung. Mit weiteren schreiben vom 24. September 1993 berichtigte sie die Abgabenschuld des Antragstellers um einen um 153 DM höheren Betrag.

Der Antragsteller hat die Schreiben der Antragsgegnerin vom 21. Februar 1992, vom 1. April 1993 und vom 24. September 1993 jeweils mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angegriffen.

Von der Jahresabrechnung vom 21. Februar 1992 hat er seiner Behauptung nach erst durch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 1. April 1993 erfahren und inhaltlich erst durch eine im gerichtlichen Verfahren übergebene Kopie Kenntnis erlangt. Er hält die Abgabenanforderung der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit der zugrundeliegenden Abgabensatzung für rechtswidrig. Nach seiner Meinung fehlt es an einer rechtswirksamen Ermächtigung zum Erlaß der Abgabensatzung. § 113 Teil I Abs. 7 Satz 1 BNotO werde – so der Antragsgegner – den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts offensichtlich nicht gerecht, weil es an jeglicher Vorgabe für die Bemessung der Abgaben im Gesetz fehle, die Festlegung der Bemessungsgrundlagen vielmehr den demokratisch nicht legitimierten Gremien der Antragsgegnerin überlassen sei. Auch inhaltlich unterliege die Erhebung einer progressiv ansteigenden Staffelabgabe jedenfalls insoweit, als diese zur Deckung der Kosten der Notarversorgung diene und materiell einen Sozialversicherungsbeitrag darstelle, verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG, weil die im Sozialversicherungsrecht geltende Äquivalenz zwischen Beitrag und Versicherungsanwartschaft/Versicherungsleistung verfehlt werde. Eine bundesgesetzliche Regelung der von § 113 BNotO erfaßten Materien widerspreche zudem dem in den Art. 83 ff. GG festgelegten Grundsatz der Verwaltungskompetenz der Länder.

Die Antragsgegnerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, daß die Abgabenanforderung formell und materiell rechtmäßig sei. Die Ermächtigung zum Erlaß der Abgabensatzung hat sie bei Berücksichtigung der historischen Entwicklung und des durch Art. 138 GG geschaffenen Reservatrechts für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten. Sie hat ferner die Erhebung von progressiv ansteigenden Staffelabgaben wegen der beamtenrechtsähnlichen Ausgestaltung der Notarversorgung, die eine Übertragung sozialversicherungsrechtlicher Grundsätze nicht zulasse, auch insofern für verfassungsrechtlich zulässig erachtet, als die Abgaben zur Deckung der versorgungsrechtlichen Kosten erhoben werden.

Durch Beschluß vom 11. Mai 1994 hat das Oberlandesgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Es hat den Antrag insoweit bereits als unzulässig beurteilt, als er (vorsorglich) auch gegen das Schreiben der Antragsgegnerin vom 1. April 1993 gerichtet ist, mit dem sie lediglich auf die übersandte Jahresabrechnung hingewiesen hatte. Im übrigen hat es den Antrag auf gerichtliche Entscheidung und die zu seiner Rechtfertigung geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 113 BNotO und die darin enthaltene Ermächtigung zum Satzungserlaß als unbegründet angesehen. Wegen der Einzelheiten der dafür wesentlichen Erwägungen wird auf die Gründe jener Entscheidung verwiesen.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. Er beantragt, den Beschluß des Oberlandesgerichts München – Senat für Notarsachen – vom 11. Mai 1994 sowie die Bescheide der Antragsgegnerin vom 21. Februar 1992 und vom 24. September 1993 aufzuheben.

Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Antragsteller und Antragsgegnerin wiederholen im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.

Beide Beteiligte haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu Recht (nur) insoweit als zulässig beurteilt, als der Antragsteller sich gegen die unter dem 21. Februar 1992 erteilte Jahresabrechnung in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24. September 1993 wendet. Es handelt sich um die verbindliche Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des Notarrechts durch die Antragsgegnerin als Trägerin hoheitlicher Gewalt, mithin um einen Verwaltungsakt, der der Anfechtung nach § 111 Abs. 1 BNotO unterliegt (vgl. BGHZ 52, 283, 284 f.). Soweit es das Schreiben vom 1. April 1993 angeht, das lediglich den Hinweis auf eine bereits getroffene Regelung enthält und keinen Verwaltungsakt darstellt (vgl. BGHZ 57, 351, 353), verfolgt der Antragsteller sein Anfechtungsbegehren ersichtlich nicht weiter.

Der Senat folgt dem Oberlandesgericht auch in der Beurteilung, daß der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in seinem zulässigen Umfang unbegründet ist. Die angegriffene Abgabenanforderung ist rechtmäßig.

1. Die vom Antragsteller erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit von § 113 Teil I Abs. 7 BNotO als Rechtsgrundlage für die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Abgabensatzung sind unbegründet. Es besteht somit weder Grund noch rechtliche Möglichkeit, das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsgültigkeit des § 113 BNotO einzuholen.

a) Die Regelungskompetenz des Bundes für die in § 113 BNotO betroffenen Sachgebiete folgt aus Art. 74 Nr. 1 (Notariat) in Verbindung mit Art. 84 Abs. 1, 2. Halbsatz GG. Die Grenzen der dem Bundesgesetzgeber durch Art. 84 Abs. 1, 2. Halbsatz GG eingeräumten Möglichkeit, im Bereich seiner Gesetzgebungskompetenz nach den Art. 73 ff, GG Ausführungsregelungen über Landesbehörden und das Verwaltungsverfahren zu treffen, sind am Ziel eines wirksamen Gesetzesvollzugs ausgerichtet (BVerfGE 22, 180, 210). Sie dürfen nicht zu eng gezogen werden; dem gesetzgeberischen Ermessen, muß ein weiter Spielraum gelassen werden (vgl. Lerche in Maunz/Dürig GG Art. 84 Rdn. 16). Dieser ist mit der Vorschrift des § 113 BNotO nicht überschritten worden.

b) Soweit es die weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken angeht, welche vom Antragsteller geltend gemacht werden, hat der Senat in einem Verfahren, das die Anfechtung eines Abgabenbescheids der nach dem Vorbild der Antragsgegnerin errichteten Ländernotarkasse in Lei. betraf, zu vergleichbaren verfassungsrechtlichen Einwendungen in seinem Beschluß vom 25. April 1994 – NotZ 8/93 – (BGHZ 126, 16) eingehend Stellung genommen und die Rechtsgültigkeit von § 39 Abs. 7 VONot, einer § 113 Teil I Abs. 7 BNotO entsprechenden Vorschrift, bejaht. Die jener Entscheidung zugrunde gelegten Grundsätze haben auch für die Beurteilung des vorliegenden Falles Bedeutung; der Senat hält an ihnen trotz der Einwendungen, die der Antragsteller dagegen erhoben hat, fest.

aa) Ebenso wie die von jenem Verfahren betroffene Regelung des § 39 Abs. 7 VONot ermächtigt § 113 Teil I Abs. 7 Satz 1 BNotO zum Erlaß einer Abgabensatzung. Der Übertragung von Satzungsgewalt auf die Antragsgegnerin steht nicht schon deren rechtliche Organisation als Anstalt des öffentlichen Rechts entgegen. Vielmehr entspricht es deutscher Rechtstradition, daß Satzungsautonomie nicht nur körperschaftlich verfaßten juristischen Personen des öffentlichen Rechts, sondern auch Anstalten übertragen werden kann (vgl. BVerfGE 12, 319, 325; 33, 125, 157; 37, 1, 25; Ossenbühl in Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. III § 66 Rdz. 12 bis 15). Auch ist nicht unabdingbare Voraussetzung für die Verleihung von Satzungsautonomie, daß die am Normerlaß beteiligten Organe autonomer Verwaltungseinheiten in gleicher weitreichender Weise, wie dies für die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften nach Art. 28 GG garantiert ist, „demokratisch legitimiert” sind (vgl. jedoch Ossenbühl a.a.O. § 66 Rdz. 23 bis 25; Hendler ebenda Bd. IV § 106 Rdz. 48, 49; Kleine-Cosack, Berufsständische Autonomie und Grundgesetz, 1986, S. 181 ff.). Zwar verweist das Bundesverfassungsgericht in seinem maßgeblichen, die berufsständische Selbstverwaltung betreffenden „Facharzt-Beschluß” in BVerfGE 33, 125, 158 f. im Zusammenhang mit der Frage einer Begrenzung der Satzungsautonomie auf die demokratische Bildung der Selbstverwaltungsorgane. Daraus ist jedoch nicht zu folgern, daß damit die demokratische Verfassung im Sinne einer kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft zum ausnahmslos geltenden Prinzip für alle berufsständischen Selbstverwaltungseinheiten und zur Voraussetzung für die Ausübung von Satzungsautonomie überhaupt erhoben werden sollte. Die Mitwirkung der Notare an der Bestellung der am Satzungserlaß beteiligten Organe der Antragsgegnerin, nämlich die Wahl der der Aufsichtsbehörde zur Bestellung als Präsident oder Verwaltungsratsmitglieder vorzuschlagenden Notare durch die Mitgliederversammlungen der Landesnotarkammer in Bayern und der Notarkammer Pfalz (Art. 3 Abs. 2 und 3, Art. 5 Abs. 2 Satz 4 der Satzung der Antragsgegnerin vom 23. Oktober 1964), gewährt den normunterworfenen Personen einen mittelbaren Einfluß auf die Willensbildung, der trotz der staatlichen Mitwirkungsrechte ausreicht, um die Antragsgegnerin als Selbstverwaltungseinheit und nicht als einen lediglich abgesonderten Teil unmittelbarer Staatsverwaltung zu qualifizieren. Schon hierbei darf nicht außer acht gelassen werden, daß § 113 BNotO nicht die Schaffung einer neuen berufsständischen Selbstverwaltungseinheit, sondern die Aufrechterhaltung einer jedenfalls ihrem Kernbestand nach vom Grundgesetz anerkannten und unter dem Schutz eines Reservatrechts (Art. 138 GG) stehende Einrichtung des bayerischen Notariatswesens betrifft (vgl. v. Campenhausen in v. Mangold/v. Campenhausen GG 3. Aufl. Art. 138 Rdn. 5; Holtkotten in Bonner Kommentar z. GG Art. 138 Erläuterung II; vgl. ferner Art. 126 a, 126 b, 127 des bayerischen Notariatsgesetzes i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 21. März 1930, BayGVBl S. 65, 70). Zum Kernbestand dieser Einrichtung gehört aber die Befugnis, in den Grundzügen ihrer vom Grundgesetzgeber vorgefundenen Verfassung ihre inneren Angelegenheiten und die Angelegenheiten der betroffenen Notare durch Satzungen selbst zu regeln.

bb) Als Ermächtigung zum Satzungserlaß unterliegt § 113 Teil I Abs. 7 Satz 1 BNotO grundsätzlich den Beschränkungen des Gesetzesvorbehalts in der speziellen Ausprägung des sogenannten Parlamentsvorbehalts. Danach sind Grenzen insofern gesetzt, als alle wesentlichen Entscheidungen, insbesondere was Eingriffe in den Grundrechtsbereich angeht, in der Ermächtigungsnorm selbst getroffen werden müssen und nicht dem Satzungsgeber überlassen bleiben dürfen (vgl. BVerfGE 33, 125, 158 f.; 47, 46, 79; 61, 260, 275). Dabei sind die Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung um so höher, je weitreichender und intensiver die vorgesehenen Eingriffe sind. Daher müssen insbesondere berufsrechtliche Regelungen, welche die Freiheit der Berufswahl berühren oder das Gesamtbild der Berufsausübung wesentlich prägen, in den Grundzügen vom Gesetzgeber festgelegt werden.

Diesen Anforderungen wird § 113 Teil I Abs. 7 Satz 1 BNotO bei Berücksichtigung seines Sinns und Inhalts gerecht, und zwar selbst dann, wenn man wegen der Besonderheiten in der rechtlichen Organisation der Antragsgegnerin und wegen der Mittelbarkeit der Notarbeteiligung an der Willensbildung dem Parlamentsvorbehalt einen besonders strengen Inhalt geben wollte, der dem Bestimmtheitsgebot der an sich nur für Rechtsverordnungen, nicht aber für Satzungen geltenden Regelung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG angenähert ist. Die hinreichende Bestimmtheit nach Inhalt, Zweck und Ausmaß erschließt sich nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus dem Sinnzusammenhang mit den übrigen Bestimmungen in § 113 BNotO sowie aus dem auf Grund der Entstehungsgeschichte der Norm ermittelten, durch Art. 138 GG mitbestimmten Regelungszweck (vgl. Maunz in Maunz/Dürig GG Art. 80 Rdn. 31; Ossenbühl in Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. III § 64 Rdz. 18 m.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Seinem Wortlaut nach enthält § 113 Teil I Abs. 7 Satz 1 BNotO außer der Ermächtigung (und Verpflichtung) zur Erhebung von Notarabgaben freilich keine weitere Vorgabe. Er bleibt damit hinter § 39 Abs. 7 VNotO insofern zurück, als durch jene Ermächtigungsnorm als Maßstab für die Abgabenerhebung die Leistungsfähigkeit der Notare festgelegt ist. Jedoch ergibt sich schon aus der Verweisung auf die in § 113 Teil I Abs. 3 BNotO genannten Aufgaben der Finanzierungszweck der Abgaben und daraus zugleich eine Begrenzung des Umfangs der Abgaben durch das Prinzip der Kostendeckung: Die Abgaben sollen nur „soweit” erhoben werden, als dies zur Erfüllung der Aufgaben der Antragsgegnerin notwendig ist. Für die inhaltliche Bestimmung und Begrenzung der Ermächtigungsvorschrift sind darüber hinaus die Entstehungsgeschichte der in § 113 BNotO getroffenen Regelungen und die durch Art. 138 GG geschaffene (eingeschränkte) Bestandsgewähr wesentlich.

Der Gesetzgeber der Bundesnotarordnung fand das bayerische Notariatswesen als eine durch § 84 RNotO anerkannte regionale Besonderheit vor. Dazu gehörte als eine wesentliche Einrichtung auch die Notarkasse München, die Antragsgegnerin, mit den für sie typischen Aufgabenstellungen und einem Regelwerk an satzungsrechtlichen Vorschriften. Der Gesetzgeber hatte zu beachten, daß das bayerische Notariatswesen jedenfalls im Kernbestand seiner Besonderheiten, zu denen auch die Antragsgegnerin gehört, unter dem Schutz des Art. 138 GG steht (vgl. v. Campenhausen in v. Mangold/Klein/v. Campenhausen GG 3. Aufl. Art. 138 Rdn. 5; Holtkotten in Bonner Kommentar zum GG Art. 138 Erl, II). Daß es bei den in § 113 BNotO getroffenen Regelungen darum ging, einen bereits bestehenden Rechtszustand anzuerkennen und im wesentlichen beizubehalten, geht aus dem Wortlaut von Absatz 1 dieser Vorschrift hinreichend deutlich hervor (vgl. zur Entstehungsgeschichte Arndt BNotO 2. Aufl. § 113 Anm. I und II). Die Antragsgegnerin sollte als bewährte Einrichtung nach Organisation, Zuständigkeit und Befugnis im wesentlichen aufrechterhalten und nicht mit einer in der Variationsbreite im einzelnen noch unbestimmten satzungsrechtlichen Ausgestaltung neu geschaffen werden. Unter diesen Umständen ist es legitim, den Inhalt der Ermächtigungsnorm nach den von der Antragsgegnerin in der Vergangenheit schon durch Satzungserlaß wahrgenommenen Möglichkeiten zu bestimmen.

Vor diesem Hintergrund ist für die Frage der Übertragung von Satzungsgewalt anzunehmen, daß die Antragsgegnerin jedenfalls den Grundzügen nach in demselben Umfang ermächtigt sein sollte, ihre Angelegenheiten durch Satzungen zu regeln, wie sie das schon vor Inkrafttreten der Bundesnotarordnung durch die dem Gesetzgeber im einzelnen bekannten satzungsrechtlichen Regelungen getan hatte. Für den Erlaß einer Abgabensatzung bedeutet dies, daß die Ermächtigungsnorm in § 113 Teil I Abs. 7 Satz 1 BNoto den Inhalt hat, Abgaben in der bisher geübten, für die Antragsgegnerin und ihre Vorläuferin typischen Weise, nämlich in Gestalt progressiv nach dem Gebührenaufkommen der einzelnen Notare ansteigender Staffelabgaben zu erheben (vgl. Oberneck, Das Notariatsrecht, 10. Aufl. S. 50 f., 153 f.). Auch was die inhaltliche Konkretisierung der in § 113 Teil I Abs. 3 BNotO genannten Aufgaben angeht, deren Finanzierung die Abgaben dienen, ist die Art und Weise, wie die Antragsgegnerin die ihr obliegenden Aufgaben vor dem Inkrafttreten der Bundesnotarordnung wahrgenommen hat, mit heranzuziehen.

Nach dem so ermittelten Inhalt der Ermächtigung in § 113 Teil I Abs. 7 BNotO sind entsprechend den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts alle für die Abgabenerhebung wesentlichen Entscheidungen, nämlich über den Zweck der Abgaben, über ihre Begrenzung durch das Prinzip der Kostendeckung, aber auch über den Bemessungsmaßstab im Sinne einer progressiv mit dem Gebührenaufkommen ansteigenden Staffelabgabe, vom Gesetzgeber selbst getroffen. Dabei hat der Senat nicht zu entscheiden, ob die Ermächtigung zum Erlaß einer Abgabensatzung es auch abdecken würde, das Abgabenrecht in einer gegenüber dem früheren Rechtszustand wesentlich veränderten Form zu regeln. Denn eine solche Regelung hat die Antgragsgegnerin nicht getroffen. Offenbleiben kann ferner, ob die Ermächtigung auch insofern hinreichend bestimmt, ist, als es um die Finanzierung künftiger Aufgaben geht, die nicht in § 113 Teil I Abs. 3 BNotO aufgezählt sind, sondern der Antragsgegnerin gemäß § 113 Teil II Abs. 3 BNotO von den beteiligten Landesjustizverwaltungen übertragen werden.

cc) Die Ermächtigungsnorm in § 113 Teil I Abs. 7 BNotO und die dazu ergangenen satzungsrechtlichen Regelungen der Antragsgegnerin sind auch materiell mit der Verfassung vereinbar.

Daß es verfassungsrechtlich zulässig ist, eine einheitliche progressiv ansteigende Staffelabgabe zur Finanzierung der in § 113 Teil I Abs. 3 BNotO genannten Aufgaben (mit Ausnahme derjenigen, die durch den sogenannten Besoldungsbeitrag abgedeckt sind) zu erheben, hat der Senat für den insoweit gleichgelagerten Fall der Ländernotarkasse Leipzig in seinem Beschluß vom 25. April 1994 – NotZ 8/93 – (BGHZ 126, 16, 26 ff.) im einzelnen dargelegt. Darauf wird Bezug genommen. Die vom Antragsteller erhobenen Einwendungen geben dem Senat keine Veranlassung für eine davon abweichende Beurteilung. Im einzelnen ist ergänzend zu bemerken:

Soweit die Abgabe im Hinblick auf die in § 113 Teil I Abs. 3 Nr. 1 BNotO genannte Aufgabe der Ergänzung des Berufseinkommens für Notare mit geringem Einkommen (Art. 19 der Satzung der Antragsgegnerin mit Anlage zu Art. 19 Abs. 3 der Satzung) unter dem Gesichtspunkt der Sonderabgabe (vgl. dazu zuletzt BVerfGE 82, 159, 179 ff.; BVerfG NJW 1995, 381, 382 m.w.N.) geprüft und für zulässig befunden worden ist (BGHZ 126, 16, 28 f.), steht dieser rechtlichen Beurteilung nicht entgegen, daß es an einer ausdrücklichen zeitlichen Begrenzung fehlt. Vielmehr ist der Abgabe, soweit sie zur Finanzierung dieser Aufgabe dient, das Moment der zeitlichen Begrenzung insofern immanent, als sie für diesen Zweck nur erhoben wird, wenn und soweit dafür ein Bedürfnis besteht.

Die weitere Zweckbestimmung der Abgabe, die Kosten der Notarversorgung abzudecken (§ 113 Teil I Abs. 3 Nr. 2 BNotO, Art. 20 der Satzung der Antragsgegnerin i.V.m. Anlage I), schließt es wegen der vom Oberlandesgericht im einzelnen zutreffend dargestellten beamtenrechtsähnlichen Ausgestaltung der Notarversorgung aus, verfassungsrechtliche Schranken der sozialversicherungsrechtlichen Regelungen auf sie zu übertragen. Auch insoweit ist die maßgebliche Entscheidung bereits im Gesetz getroffen worden. Die Aufgabenzuweisung in § 113 Teil I Abs. 3 Nr. 2 BNotO ist auf Grund der Entstehungsgeschichte der Norm und des vom Gesetzgeber offenkundig verfolgten Ziels, die Antragsgegnerin als eine das bayerische Notariatswesen prägende Einrichtung jedenfalls in den Grundzügen der für sie typischen Eigenheiten und Aufgabenstellungen zu erhalten, dahin zu konkretisieren, daß die Antragsgegnerin diese Aufgabe in der bisher geübten, geschichtlich gewachsenen Art und Weise, nämlich durch eine beamtenrechtsähnliche Versorgung wahrnehmen darf. Daß damit anders als bei weiteren, in den sogenannten alten Bundesländern anzutreffenden Formen der Notarversorgung (vgl. dazu BGHZ 126, 16, 32) nicht die sogenannte versicherungsrechtliche Lösung, sondern ein an der Beamtenversorgung ausgerichtetes Versorgungsmodell gewählt worden ist, hält sich im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens. Die Entscheidung des Gesetzgebers ist durch besondere Umstände in der geschichtlichen Entwicklung bedingt; sie ist zudem wegen der besonderen Nähe des Amts des „Nurnotars” zum öffentlichen Dienst sachgerecht. Die daraus folgenden regionalen Unterschiede bedeuten keinen Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip in Art. 3 GG (vgl. v. Campenhausen in v. Mangold/Klein/v. Campenhausen GG 3. Aufl. Art. 138 Rdn. 10; Maunz in Maunz/Dürig GG Art. 138 Rdn. 13 m.N.; a.A. Versteyl in v. Münch GG Art. 138 Rdn. 3 und 13).

Daß die Abgabenerhebung in Gestalt einer progressiv ansteigenden Staffelabgabe selbst dann verfassungsrechtlich zulässig ist, wenn die Notarversorgung der Antragsgegnerin trotz ihrer Besonderheiten begrifflich zur Sozialversicherung zu rechnen wäre, hat der Senat für die entsprechenden Verhältnisse der Ländernotarkasse Leipzig in seinem Beschluß vom 25. April 1994 – NotZ 8/93 – (BGHZ 126, 16, 33 f.) im einzelnen ausgeführt. An dieser Auffassung halt er für die Notarversorgung der Antragsgegnerin trotz der Gegeneinwände des Antragstellers ebenfalls fest. Auch insoweit sind die für den Fall der Ländernotarkasse Lei. dargelegten besonderen Umstände gegeben, die eine Verletzung des Art. 14 GG ausschließen und die Erhebung eines progressiv ansteigenden Beitrags selbst unter sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt erscheinen lassen.

c) Die aus den satzungsrechtlichen Regelungen der Antragsgegnerin folgende Abgabenbelastung der Notare erreicht schließlich auch nicht ein solches Ausmaß, daß sie eine „erdrosselnde Wirkung” hatte und deswegen eine Grundrechtsverletzung nach Art. 12 Abs. 1, Art. 14 GG bedeuten würde (vgl. BGHZ 126, 16, 35 f.).

2. Auch im übrigen sind keine Gründe zu erkennen, aus denen die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Jahresabrechnung in Gestalt des Änderungsbescheids folgen würde.

3. Eine Aussetzung des Verfahrens in bezug auf die nach Darstellung des Antragstellers gegen den Senatsbeschluß vom 25. April 1994 (BGHZ 126, 16) eingelegte Verfassungsbeschwerde ist nicht veranlaßt.

 

Unterschriften

Rinne, Blauth, Wiechers, Doyé, Toussaint

 

Fundstellen

Haufe-Index 1530773

BGHR

Nachschlagewerk BGH

DNotZ 1996, 213

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