Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahme des Verfahrens bei Beschluss, der im Auskunftserzwingungsverfahren nach § 51 b GmbHG ergangen ist. Meistbegünstigungsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
a) Die Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens sind auf Beschlüsse analog anwendbar, wenn sich das Gesuch gegen einen in einem echten Streitverfahren ergangenen, urteilsvertretenden und der materiellen Rechtskraft fähigen Beschluss (hier: §§ 51a, 51b GmbHG) richtet.
b) Der Meistbegünstigungsgrundsatz findet keine Anwendung, sofern bei Wahl der richtigen Entscheidungsform gegen die angefochtene Entscheidung ein Rechtsmittel nicht statthaft wäre.
c) In Verfahren nach § 99 AktG ist eine außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit nicht statthaft.
Normenkette
ZPO §§ 574, 578; GmbHG §§ 51a, 51b; AktG § 99
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Beschluss vom 18.05.2005; Aktenzeichen 5 U 19/05 (Hs)) |
LG Dessau (Entscheidung vom 05.01.2005; Aktenzeichen 3 O 105/04) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des OLG Naumburg vom 18.5.2000 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.
Geschäftswert: 6.000 EUR
Gründe
[1]I. Die Klägerin ist durch Beschluss der - allein mit der Vorsitzenden Richterin besetzten - Kammer für Handelssachen des LG Dessau vom 21.5.2004 gem. §§ 51a, 51b GmbHG zur Auskunftserteilung an die Beklagte verurteilt worden. Die dagegen von der Klägerin eingelegte sofortige Beschwerde hat das OLG mangels Zulassung des Rechtsmittels durch das LG als unzulässig verworfen und ferner im Hinblick auf die nicht dem Gesetz entsprechende Besetzung des LG ausgeführt: Das Rechtsmittel sei auch als außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit nicht zulässig, weil die fehlerhafte Besetzung der Kammer kein krasses, mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbares Unrecht darstelle.
[2]Daraufhin hat die Klägerin die vorliegende "Nichtigkeitsklage" erhoben, welche das LG erneut allein durch die Vorsitzende der Kammer durch Urteil als unzulässig abgewiesen hat: Der Nichtigkeitsgrund sei bereits im Ausgangsverfahren von der Klägerin eingeführt und als nicht vorhanden beurteilt worden, so dass die Klägerin nach § 579 Abs. 2 ZPO die Nichtigkeit nicht mehr geltend machen könne. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das OLG durch Beschluss als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiter.
[3]II. Das OLG hat ausgeführt, richtigerweise handele es sich bei dem von der Klägerin eingeleiteten Verfahren um eine Nichtigkeitsbeschwerde, weil die Ausgangsentscheidung des LG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Beschluss ergangen sei. Gegen die Entscheidung des LG über die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde sei auch nach dem Prinzip der Meistbegünstigung ein Rechtsmittel nicht statthaft. Da bei Wahl der richtigen Entscheidungsform durch Beschluss die sofortige Beschwerde nur bei Zulassung durch das Erstgericht eröffnet sei, das LG aber keine positive Zulassungsentscheidung getroffen habe, sei das Rechtsmittel der Klägerin unzulässig. Es könne dahinstehen, ob das von der Klägerin als Berufung eingelegte Rechtsmittel als außerordentliche Beschwerde statthaft sei. Als Beschwerdegrund komme nur die neuerliche Fehlbesetzung des LG bei der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde in Betracht. Die Fehlbesetzung der Kammer führe nicht zu einem krassen Unrecht, das eine solche Beschwerde rechtfertigen könne.
[4]III. Das Rechtsmittel der Klägerin ist unstatthaft. Der Beschluss des OLG ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht mit der Rechtsbeschwerde (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) anfechtbar, weil die angefochtene Entscheidung bei zutreffender rechtlicher Bewertung keine Berufung, sondern eine sofortige Beschwerde (§§ 99 Abs. 3 Satz 2, 132 Abs. 3 Satz 1 AktG, 51b Satz 1 GmbHG) zum Gegenstand hat und gem. §§ 99 Abs. 3 Satz 7, 132 Abs. 3 Satz 1 AktG, 51b Satz 1 GmbHG nicht mit einer weiteren Beschwerde angreifbar ist.
[5]1. Da die Ausgangsentscheidung des LG Dessau vom 21.5.2004 durch Beschluss (§§ 99 Abs. 3 Satz 1, 132 Abs. 3 Satz 1 AktG, 51b Satz 1 GmbHG) ergangen ist, sind die auf rechtskräftige Endurteile bezogenen Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff. ZPO) nicht unmittelbar anwendbar. Allerdings ist anerkannt, dass diese Regelungen entsprechende Anwendung finden, wenn sich der Antrag gegen einen in einem echten Streitverfahren ergangenen, urteilsvertretenden und der materiellen Rechtskraft fähigen Beschluss richtet (BGHZ 125, 288, 290; BGH, Beschl. v. 2.2.2006 - IX ZB 279/04, ZIP 2006, 587 f. Rz. 8; MünchKommZPO/Braun 2. Aufl., § 578 Rz. 19 f.; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 578 Rz. 14; Musielak/Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 578 Rz. 13). Diesen Erfordernissen entspricht ein Beschluss, der im Auskunftserzwingungsverfahren des § 51b GmbHG ergeht, das wegen der von den Verfahrensbeteiligten verfolgten gegensätzlichen Interessen ein Streitverfahren bildet (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 51b Rz. 17; Großkomm/Decher, AktG, 4. Aufl., § 132 Rz. 30; Kubis in MünchKomm/AktG 2. Aufl., § 132 Rz. 24) und mit einer materiell rechtskräftigen Entscheidung (Scholz/K. Schmidt a.a.O. § 51b Rz. 27; MünchKommAktG/Kubis a.a.O. § 132 Rz. 46) endet. Demgemäß handelt es sich bei dem Begehren der Klägerin - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - nicht um eine Nichtigkeitsklage, sondern um eine Nichtigkeitsbeschwerde.
[6]2. Entsprechend der Entscheidungsform in dem Ausgangsverfahren hätte das LG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerin durch Beschluss befinden müssen (BGH, Beschl. v. 2.2.2006 - IX ZB 279/04, ZIP 2006, 587 f. Rz. 8; Musielak/Musielak a.a.O. § 578 Rz. 18). Gegen diesen Beschluss wäre analog § 591 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet gewesen, allerdings nur im Falle der Zulassung durch das LG; diese Zulassung ist nicht ausgesprochen worden (§§ 132 Abs. 3 Satz 2 AktG, 51b Satz 1 GmbHG). Dadurch, dass das LG rechtsfehlerhaft durch Urteil entschieden hat, kann die unterlegene Klägerin eine sachliche Befassung des nächsthöheren Gerichts mit ihrem Anliegen nicht erzwingen. Insbesondere die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, weil §§ 99 Abs. 3 Satz 7, 132 Abs. 3 Satz 1 AktG, 51b Satz 1 GmbHG im Auskunftserzwingungsverfahren eine Anrufung des BGH ausschließen. Auf den Meistbegünstigungsgrundsatz kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen, weil er die beschwerte Partei lediglich gegen solche Nachteile schützen soll, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen; er soll aber nicht zu einer Erweiterung des gesetzlichen Rechtsmittelzuges führen (BGHZ 124, 192, 194 f. m.w.Nachw.; BGH, Beschl. v. 19.12.1996 - IX ZB 108/96, NJW 1997, 1448).
[7]3. Das Rechtsmittel der Klägerin ist ebenfalls unstatthaft, sofern man es als außerordentliche Beschwerde auslegt.
[8]Abgesehen davon, dass eine greifbare Gesetzwidrigkeit nicht vorliegt, weil die ganz herrschende Auffassung, wonach die Kammer für Handelssachen in Auskunftserzwingungsverfahren gem. §§ 105 GVG, 132 Abs. 1 Satz 1, 2 AktG unter Mitwirkung auch der Handelsrichter entscheidet (BayObLG NJW-RR 1995, 1314 f.; OLG Koblenz WM 1985, 829; Hachenburg/Hüffer, GmbHG, 8. Aufl., § 51b Rz. 13; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 51b Rz. 1; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, 4. Aufl., § 51b Rz. 3), wegen des Charakters des Auskunftserzwingungsverfahrens als echtes Streitverfahren nicht unbestritten (Scholz/K. Schmidt a.a.O. § 51b Rz. 17) und die Auffassung des Berufungsgerichts demgemäß nicht unvertretbar und dem Gesetz fremd ist, scheidet eine Umdeutung des Rechtsmittels in eine außerordentliche Beschwerde aus. Für die vom Senat in Verfahren nach § 99 Abs. 3 Satz 7 AktG früher erwogene Möglichkeit einer außerordentlichen Beschwerde (vgl. Beschl. v. 21.1.2002 - II ZB 5/01, NZG 2002, 673; v. 24.9.2001 - II ZB 13/00, AG 2002, 85 f.; v. 7.7.1997 - II ZB 7/97, ZIP 1997, 1553) ist nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.7.2001 (BGBl. I, 1887, 1902 ff.) kein Raum. Da wegen der abschließenden Regelung des Beschwerderechts durch § 574 ZPO in zivilprozessualen Beschwerdeverfahren eine außerordentliche Beschwerde nicht mehr statthaft ist (BGHZ 150, 133), kann im Lichte dieser Entscheidung auch in Verfahren des § 99 AktG eine außerordentliche Beschwerde nicht mehr zugelassen werden, weil andernfalls der ausdrückliche Rechtsmittelausschluss des § 99 Abs. 3 Satz 7 AktG unterlaufen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 1530853 |
BB 2006, 1528 |
DB 2006, 1673 |