Entscheidungsstichwort (Thema)
Korrektur einer gegen ein Verfahrensgrundrecht verstoßende Gerichtsentscheidung. Gegenvorstellung. Patentnichtigkeitsberufungsverfahren. Zweiwochenfrist ab Zustellung
Leitsatz (amtlich)
Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es geboten, für die Verpflichtung des Gerichts, seine gegen ein Verfahrensgrundrecht verstoßende Entscheidung selbst zu korrigieren, und damit für die Einlegung einer Gegenvorstellung eine zeitliche Grenze vorzusehen. Diese ist in Anlehnung an die im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen vor dem BGH geltende Wiedereinsetzungsfrist mit zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung zu bemessen.
Normenkette
PatG 1981 § 110 ff.; ZPO § 234
Verfahrensgang
BPatG (Aktenzeichen 3 Ni 45/97 (EU)) |
Tenor
Die Gegenvorstellung der Beklagten gegen das Urteil des X. Zivilsenats des BGH v. 10.12.2002 wird zurückgewiesen.
Gründe
1. Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 555 460 (Streitpatents), das eine kosmetische Filter-Zusammensetzung betrifft. Auf die Teilnichtigkeitsklage der Klägerin hat das BPatG das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nicht erklärt. Die Berufung der Beklagten hat der Senat durch Urt. v. 10.12.2002 zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Gegenvorstellung. Sie macht geltend, das Urteil sei unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) zu Stande gekommen. Der Senat hat angenommen, dass der Fachmann eine Konkretisierung des organischen UV-Absorbers in der französischen Offenlegungsschrift 2 567 351 gefunden habe, die als geeigneten organischen Filter eine kosmetische Zusammensetzung mit Benztriazol vorschlage. Gerade diesen organischen Filter zu prüfen und eine Kombination mit Nanopigmenten von Metalloxiden in Erwägung zu ziehen, habe für den Fachmann nahe gelegen (Urteilsumdr. S. 16 unten/17 oben). Dabei sei der Senat fälschlich davon ausgegangen, dass die französische Offenlegungsschrift eine kosmetische Zusammensetzung mit Benztriazol offenbare. Tatsächlich offenbare sie aber Benzophenone, eine völlig andere Substanzklasse. Hätte der Senat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass er die französische Druckschrift dahin verstehe, dass dort Benztriazol offenbart werde, dann hätte die Beklagte vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Senat hier einem Missverständnis unterliege.
2. Die Gegenvorstellung hat keinen Erfolg.
a) Es braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden, ob nach der Neuregelung des Rechtsmittelsystems durch das Zivilprozessreformgesetz v. 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) eine Gegenvorstellung gegen ein rechtskräftiges Urteil des BGH im Patentnichtigkeitsverfahren statthaft ist. In den verfahrensrechtlichen, das Nichtigkeitsverfahren betreffenden Vorschriften des Patentgesetzes und - ergänzend - in der Zivilprozessordnung ist eine Gegenvorstellung auf Grund einer behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gegen ein rechtskräftiges Berufungsurteil des BGH nicht vorgesehen. Dieses Rechtsschutzsystem genügt zwar nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395 = MDR 2003, 886) nur teilweise den für den Rechtsschutz bei der Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen, nämlich soweit eine Verletzung im allgemeinen Rechtsmittelsystem geltend gemacht werden kann. Auch erfüllten die von der Rechtsprechung der Fachgerichte zur Schließung der Lücke im Rechtsmittelsystem entwickelten außerordentlichen Rechtsbehelfe nicht die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit. Deshalb müsse der Gesetzgeber bis zum 31.12.2004 eine Lösung finden.
Es kann auch dahinstehen, ob damit den Fachgerichten vor einer Neuregelung in Rechtsfortbildung freigestellt ist, ein rechtskräftiges Berufungsurteil wegen einer behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs zu überprüfen und mit der Rechtsfolge der Durchbrechung der Rechtskraft ggf. zu korrigieren.
b) Jedenfalls ist die Gegenvorstellung nicht zulässig. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es nämlich geboten, für die Verpflichtung des Gerichts, seine gegen ein Verfahrensgrundrecht verstoßende Entscheidung selbst zu korrigieren, und damit für die Einlegung einer Gegenvorstellung eine zeitliche Grenze vorzusehen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.4.2001 - IX ZB 25/01, MDR 2001, 1007 = BGHReport 2001, 852 = NJW 2001, 2262; Beschl. v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = MDR 2002, 901 = NJW 2002, 1577). Diese ist in Anlehnung an die im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen vor dem BGH geltende Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1 ZPO; BGH, Beschl. v. 31.5.2000 - X ZR 154/99, GRUR 2000, 1010 [1011] - Schaltmechanismus; Beschl. v. 17.10.2000 - X ZR 41/00, MDR 2001, 705 = GRUR 2001, 271 [272] - Kreiselpumpe) mit zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung zu bemessen. Von dieser Frist ist auch der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 321a Abs. 2 S. 2 ZPO n.F. ausgegangen. Auch das BVerfG hat für den Fall nicht rechtzeitiger Neuregelung durch den Gesetzgeber eine Frist von 14 Tagen ab Zustellung der Entscheidung als angemessen angesehen (BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924 [1928]).
Diese Frist hat die Beklagte versäumt. Das Urt. v. 10.12.2002 ist ihr am 20.2.2003 zugestellt worden. Die Beklagte hat erst am 17.7.2003 Gegenvorstellung erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 1248761 |
BGHZ 2005, 214 |
BGHR 2005, 129 |
EBE/BGH 2004, 4 |
GRUR 2004, 1061 |
MDR 2005, 407 |
BPatGE 2005, 301 |