Leitsatz (amtlich)
Verstirbt die anwaltlich vertretene rechtsmittelführende Partei während des Berufungsverfahrens und wird ein Aussetzungsantrag gestellt, dann darf das Berufungsgericht während des unterbrochenen Verfahrens keinen Beschluß über die Streitwertfestsetzung treffen, auf dessen Grundlage sodann das Rechtsmittel wegen Nichterreichens der Berufungssumme verworfen wird.
Normenkette
ZPO §§ 246, 249
Verfahrensgang
OLG Hamm (Aktenzeichen 12 U 114/98) |
LG Bochum (Aktenzeichen 8 O 47/98) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Dezember 1998 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Kläger ist bei der Errichtung von Wohnungsbauten beratend für den Beklagten tätig geworden. Nach den seinerzeit getroffenen Abreden sollte der erwirtschaftete Überschuß zwischen den Parteien im Verhältnis von 10: 90 geteilt werden. Das Landgericht hat den Beklagten durch Teilurteil (1. Stufe) zur Erteilung der Auskunft über den aus der Errichtung von zwei Wohnhäusern mit 22 Einheiten „gegenwärtig erwirtschafteten Gewinn” verurteilt. Der Beklagte hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt, diese rechtzeitig begründet und dabei dargelegt, daß er sich – sollte es bei der Verurteilung zur Auskunfterteilung bleiben – fachkundiger Hilfe bedienen müsse, weil für alle 22 Wohnungseigentumseinheiten die Abrechnungen, einschließlich der inzwischen durchgeführten und noch laufenden Gewährleistungsverfahren erstellt werden müßten. Den dadurch entstandenen Aufwand hat er mit 5.000,– DM beziffert.
Durch Verfügung des Gerichts vom 18. November 1998 ist der Beklagte mit dem Anheimgeben einer Stellungnahme darauf hingewiesen worden, daß das Berufungsgericht nach dem derzeitigen Sachstand die Berufungssumme nicht für erreicht halte, weil insbesondere der sachkundige Beklagte fremder Hilfe nicht bedürfe.
Mit Schriftsatz vom 26. November 1998 hat der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten angezeigt, daß der Beklagte am 15. November 1998 verstorben ist, und hat die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 246 ZPO beantragt. Durch den angefochtenen Beschluß vom 18. Dezember 1998 hat das Berufungsgericht den Streitwert auf 1.000,– DM festgesetzt und die Berufung durch Beschluß als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten.
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Auf die Mitteilung vom Tod des Beklagten und den rechtzeitig gestellten Aussetzungsantrag seines zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten hatte das Berufungsgericht das Verfahren auszusetzen und durfte keinen instanzabschließenden Beschluß mehr fassen (§ 246 Abs. 1, 2. Halbs. ZPO). Ob, wie in Teilen des Schrifttums vertreten wird (vgl. z.B. Musielak/Stadler § 246 Rdnr. 4 m. Nw. zum Streitstand), bei rechtsmißbräuchlicher Antragstellung etwas anderes gelten kann, bedarf keiner Entscheidung. Denn für einen Rechtsmißbrauch fehlt es an jedem Anhaltspunkt.
Im vorliegenden Fall durfte das Berufungsgericht nach Einreichung des Aussetzungsantrages auch den Streitwert für das Berufungsverfahren nicht mehr festsetzen. Zwar kann grundsätzlich selbst in einem nach §§ 246 ff. ZPO ausgesetzten Rechtsstreit ein Streitwertfestsetzungsbeschluß ergehen, wie sich aus einem Umkehrschluß aus § 249 Abs. 3 ZPO ergibt (vgl. Musielak/Stadler aaO § 249 Rdnr. 5; Thomas/Putzo aaO § 249 Rdnr. 8). Dies gilt aber nicht, wenn diese Entscheidung die Grundlage für einen das Rechtsmittel wegen Nichterreichens der Berufungssumme verwerfenden Beschluß darstellen soll. Gerade der zu entscheidende Fall belegt, daß den Rechtsnachfolgern des Beklagten die durch das Aussetzungsverfahren eröffnete Möglichkeit erhalten bleiben muß, sich über den Stand des Verfahrens zu informieren und die für eine sachgerechte Prozeßführung erforderlichen Tatsachen zu ermitteln und vorzutragen. Selbst wenn, wie das Berufungsgericht möglicherweise – seine Entscheidung entbehrt jeder Begründung, diese läßt sich allenfalls indirekt aus dem Hinweis des Berichterstatters vom 18. November 1998 herleiten – angenommen hat, der Beklagte über alle notwendigen Informationen verfügt haben und wegen seiner Sachkunde unschwer in der Lage gewesen sein sollte, die begehrte Auskunft ohne fremde Hilfe zu erteilen, gilt dieser Gesichtspunkt nicht ohne weiteres für seine Rechtsnachfolger. Indem das Berufungsgericht ohne Rücksicht auf den Aussetzungsantrag und in Kenntnis dessen, daß der Beklagte vor dem Zugang der richterlichen Verfügung bereits verstorben war, den Streitwert festgesetzt und zugleich das Rechtsmittel verworfen hat, hat es dem Grundgedanken der §§ 246 ff. ZPO zuwider den Rechtsnachfolgern des Berufungsführers die Möglichkeit abgeschnitten, nach Prüfung der Sach- und Rechtslage dem Gericht ihren Vortrag zu dem ihnen durch die im Streit befindliche Auskunfterteilung entstehenden Aufwand zu Gehör zu bringen.
Gegenstandswert: 5.000,– DM
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Kraemer
Fundstellen
Haufe-Index 538611 |
HFR 2000, 679 |
NJW 2000, 1199 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2000, 168 |
BRAK-Mitt. 2000, 47 |