Leitsatz (amtlich)
Erteilt ein Rechtsanwalt einem anderen Rechtsanwalt einen Rechtsmittelauftrag, dann muß er – falls nicht vereinbart worden ist, daß der beauftragte Anwalt in dieser Weise angetragene Mandate ausnahmslos annimmt – sich bestätigen lassen, daß der Auftrag übernommen wird. Vor Eingang dieser Bestätigung dürfen die in dem Kalender des Auftraggebers eingetragenen Fristen nicht gelöscht werden.
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
OLG München (Aktenzeichen 5 U 5840/98) |
LG München I (Aktenzeichen 12 O 3707/98) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. Januar 1999 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts München I zur Zahlung von 17.114,64 DM nebst Zinsen an den Kläger, ihren früheren Geschäftsführer, verurteilt worden. Das Urteil ist ihren Prozeßbevollmächtigten am 25. August 1998 zugestellt worden. Erst mit am 26. Oktober 1998 eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung beantragt, durch ein Kanzleiversehen ihrer H. er Korrespondenzanwälte sei das Schreiben an die bei dem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwälte Dr. R. und Kollegen nicht abgesandt worden, durch das diese mit der Berufungseinlegung beauftragt worden seien. Gleichwohl sei die im Kalender notierte Frist gestrichen worden. Erst anläßlich eines Telefonats der Anwälte am 15. Oktober 1998 habe sich ergeben, daß das Beauftragungsschreiben nicht abgesandt worden sei.
Das Oberlandesgericht hat nach Einholung ergänzender Äußerungen und eidesstattlicher Versicherungen durch Beschluß vom 21. Januar 1999 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die formell unbedenkliche sofortige Beschwerde der Beklagten.
II.
Das Rechtsmittel ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis mit Recht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt und dementsprechend die Berufung wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist als unzulässig verworfen.
Die H. er Anwälte der Beklagten, die damit betraut worden waren, die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu prüfen und seine Durchführung zu veranlassen, trifft schon auf der Grundlage der von ihnen eidesstattlich versicherten Darstellung des Verfahrensablaufs ein der Beklagten anzurechnendes Verschulden daran, daß die Berufungsfrist versäumt worden ist, ohne daß es entscheidend darauf ankommt, ob sie in ihrem Büro für eine sachgerechte Ausgangskontrolle Sorge getragen haben.
Ein Rechtsanwalt, der einem anderen Anwalt einen Rechtsmittelauftrag erteilt, hat sich grundsätzlich – will er sich nicht dem Vorwurf eines Organisationsverschuldens aussetzen – von dem anderen Anwalt bestätigen zu lassen, daß dieser den Auftrag übernimmt; vorher darf er die in seinem Fristenkalender notierte Frist nicht löschen (vgl. BGHZ 105, 116; Zöller/Greger aaO, § 233 Rdnr. 23 „Rechtsmittelauftrag” m. Nw.). Gegen diese elementare Pflicht, deren Beachtung allenfalls dann entbehrlich sein kann, wenn – was hier weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht ist – zwischen den beteiligten Rechtsanwälten Einigkeit besteht, daß das Mandat ausnahmslos übernommen wird (BGHZ 105, 116), haben die H. er Anwälte der Beklagten verstoßen. Ihre organisatorischen Vorkehrungen beschränkten sich nämlich darauf, daß der Ablauf der Berufungsfrist und außerdem eine Vorfrist notiert wurden. Dies ist allein abgestimmt auf Fallgestaltungen, in denen sie selbst das Rechtsmittel bei dem Gericht einlegen, bei welchem sie zugelassen sind. Für Fälle, in denen sie lediglich als Korrespondenzanwälte tätig werden und namens ihres Mandanten den Auftrag zur Einlegung eines Rechtsmittels an andere Rechtsanwälte erteilen, haben sie keine Maßnahme ergriffen, um die gebotene Prüfung vornehmen zu können, ob der beauftragte Rechtsanwalt das angetragene Mandat übernimmt. Schon das Auftragsschreiben an die M. er Rechtsanwälte enthält keine Bitte um Bestätigung der Übernahme des Mandats. Erst recht sind keine Weisungen an das Büropersonal erteilt worden, vor Ablauf der Berufungsfrist die Handakten vorzulegen, um den Eingang der Bestätigung prüfen zu können, und diese Vorlage durch die Eintragung einer entsprechenden Frist abzusichern. Hätten die Korrespondenzanwälte der Beklagten diese Anforderungen beachtet, wäre rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist festgestellt worden, daß das Auftragsschreiben nicht abgesandt worden war, so daß das Erforderliche noch hätte veranlaßt werden können.
Gegenstandswert: 17.114,64 DM
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Kraemer
Fundstellen
BB 2000, 16 |
HFR 2000, 679 |
NJW 2000, 815 |
EBE/BGH 1999, 412 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2000, 237 |
Consultant 2000, 69 |
MittRKKöln 2000, 56 |
BRAK-Mitt. 2000, 47 |
BRAK-Mitt. 2000, 76 |