Entscheidungsstichwort (Thema)
Raube mit Todesfolge
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28. März 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
- gegen die Angeklagten J. und M. C. jeweils im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen,
- gegen den Angeklagten W. im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe sowie mit den zugehörigen Feststellungen, soweit die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten des (gemeinschaftlichen) Raubes mit Todesfolge für schuldig befunden und gegen die Angeklagten J. und M. C. jeweils zwölf Jahre Freiheitsstrafe, gegen den Angeklagten W. acht Jahre Jugendstrafe verhängt; eine Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist bei allen Angeklagten unterblieben.
Die Revisionen der Angeklagten sind zum Schuldspruch, beim Angeklagten W. auch zur Entscheidung über die Verhängung von Jugendstrafe unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Im übrigen haben die Rechtsmittel jeweils mit der Sachrüge zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.
1. Alle drei Angeklagten pflegen seit ihrer Jugend unkritischen, teils massiven Umgang mit Alkohol. Vor der in den Abendstunden begangenen Tat hatten sie alle tagsüber Alkohol konsumiert. Gemeinsam begaben sie sich in ein Obdachlosenheim, gingen gewalttätig gegen dortige Bewohner vor, entwendeten ihnen dabei auch Bier, das sie tranken, und raubten schließlich einem Obdachlosen die Barschaft in Höhe von 140 DM. Bevor sie den Tatort verließen, brachte mindestens einer von ihnen mit Billigung der anderen dem zuvor schon mißhandelten Opfer massive Tritte oder Schläge gegen den Kopf bei, an deren Folgen das Opfer später verstarb. Einen erheblichen Teil der Beute vertranken sie anschließend in einer Gaststätte.
2. Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Die ihn tragenden Feststellungen beruhen auf einer insgesamt noch ausreichend ausgeführten Beweiswürdigung. Danach gingen die Angeklagten einverständlich ohne nähere Absprache gemeinsam mit körperlicher Gewalt, die in wechselnder Abfolge und in unterschiedlicher Art, Intensität und Zielrichtung von jedem einzelnen eingesetzt, in Art und Ausmaß von den Mittätern nicht kontrolliert, aber wahrgenommen und insgesamt gebilligt wurde, gegen Insassen des Obdachlosenheimes vor; Gewalt und Drohungen setzten sie dabei auch zur Durchsetzung der Wegnahme von Geld und anderen Gegenständen aus der Habe ihrer Opfer ein. Das Landgericht hat die Verfolgung sachgerecht auf den nach den Grundsätzen von BGHSt 38, 295 fraglos erfüllten Verbrechenstatbestand des gemeinschaftlichen Raubes mit Todesfolge zum Nachteil des Obdachlosen beschränkt, der, wie insbesondere durch den Obduktionsbefund und durch das beobachtete Verletzungsbild unmittelbar nach der Tat hinreichend belegt ist, infolge der Gewalthandlungen verstorben ist. Dabei durfte den Angeklagten ihr gesamtes gewalttätiges Verhalten im Zusammenhang mit dieser Tat, auch zum Nachteil anderer Obdachloser, bei der Strafzumessung angelastet werden.
3. Hingegen hält der Rechtsfolgenausspruch – bei dem Angeklagten W. teilweise, bei den beiden anderen Angeklagten insgesamt – sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat lediglich bei dem Angeklagten W. unbedenklich die Voraussetzungen des § 21 StGB wegen nicht ausgeschlossener erheblicher alkoholbedingter Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit zugrundegelegt. Obgleich sich das Landgericht hierfür bei den beiden anderen Angeklagten nicht an ihren rechtsfehlerfrei als unzuverlässig gewerteten Trinkmengenangaben orientieren mußte, ist die – wenngleich im Einklang mit dem psychiatrischen Sachverständigen erfolgte – Ablehnung der Voraussetzungen für eine entsprechende Schuldminderung bei ihnen nicht tragfähig begründet.
Zumal vor dem Hintergrund ihrer festgestellten Trinkgewohnheiten und eines längeren nicht unerheblichen Alkoholkonsums vor Tatbegehung sowie unter Berücksichtigung aller festgestellten Tat- und Begleitumstände, die insgesamt eine starke alkoholbedingte Enthemmung aller Mittäter nahelegen, weisen die herangezogenen Elemente des Leistungsverhaltens der Angeklagten J. und M. C. – die allerdings ausreichten, bei ihnen, nicht anders als bei dem Mitangeklagten W., einen Vollrausch auszuschließen – zu wenig Differenziertheit auf, um ein insoweit intaktes Hemmungsvermögen ausreichend belegen zu können. Das Erinnerungsvermögen ist angesichts der verhältnismäßig dürftigen von den Angeklagten angegebenen Umstände gleichermaßen wenig aussagestark. Bei dieser Sachlage war auch der Beobachtung und Beurteilung der alkoholbedingten Beeinträchtigung der Angeklagten durch zwei Zeuginnen nach der Tat – und damit möglicherweise nach gewisser aufgrund wahrgenommener Tatfolgen eingetretener Ernüchterung – ausschlaggebende Bedeutung nicht zuzubilligen.
Es liegt freilich denkbar nahe, daß bei dem Angeklagten J. C. im Blick auf seine einschlägige Vorverurteilung eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht gekommen wäre. Gleichwohl läßt sich jedenfalls nicht sicher ausschließen, daß der Tatrichter die Freiheitsstrafe auch gegen ihn bei Zugrundelegung erheblich verminderter Schuldfähigkeit geringer bemessen hätte.
b) Der Angeklagte W. wird durch die Anwendung von Jugendstrafrecht nicht beschwert.
Bei ihm begegnet die Verneinung eines symptomatischen Zusammenhanges zwischen der Tatbegehung und einem als möglich angesehenen Hang im Sinne des § 64 StGB durchgreifenden Bedenken. Eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur, die ihn an der von Gruppendynamik geprägten brutalen Tat zum Nachteil sozial noch Schwächerer mitwirken ließ, steht mit seinem systematischen Alkoholmißbrauch ersichtlich in engem Zusammenhang, dieser ist für sein besonders kritikloses Verhalten ebenso offensichtlich gleichermaßen ursächlich (vgl. BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1 und 2). Das Gewicht der von den dargestellten dissozialen Lebensumständen des Angeklagten geprägten schweren Tat indiziert eine spezifische Wiederholungsgefahr (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 7). Wenn das Landgericht meinte, eine solche Gefahr unter Hinweis auf einen „aus der Gruppensituation” folgenden „episodenhaften Charakter” der Tat verneinen zu können, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar.
Es läßt sich nicht ausschließen, daß sich eine Maßregel der Unterbringung des Angeklagten W. in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB i.V.m. § 105 Abs. 1, § 7 JGG auf die nach dem Erziehungsbedarf vorzunehmende Bemessung der gegen ihn zweifelsfrei zu verhängenden Jugendstrafe mildernd hätte auswirken können. Deren Höhe kann allein deshalb keinen Bestand haben. Insoweit bedarf es allerdings nicht der Aufhebung von Urteilsfeststellungen. Der neue Tatrichter hat die Höhe der Jugendstrafe auf der Grundlage der hierzu bisher getroffenen Feststellungen – insbesondere auch zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit – unter Berücksichtigung im Zusammenhang mit § 64 StGB gefundener neuer Erkenntnisse zu bemessen. Im übrigen kann er lediglich ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen – möglicherweise auch zu Vorbelastungen des Angeklagten W. – treffen.
c) Auch bei dem Angeklagten M. C. wird der neue Tatrichter nähere Feststellungen zu Vorbelastungen zu treffen haben, wenn auch er sie wegen Mißachtung der von ihnen ausgehenden Warnfunktion strafschärfend berücksichtigen will.
Bei ihm wie bei dem Angeklagten J. C. hat das Landgericht für die Nichtanordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB auf die rechtsfehlerhafte Begründung der Entscheidung bei dem Angeklagten W. Bezug genommen. Auch insoweit ist der Rechtsfolgenausspruch gegen die Angeklagten M. und J. C. zu beanstanden.
Der neue Tatrichter wird daher bei allen Angeklagten mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StGB) die Voraussetzungen des § 64 StGB zu klären haben, bei den Angeklagten J. und M. C. nach Klärung der – bei W. feststehenden – Voraussetzungen des § 21 StGB, deren es indes für eine solche Maßregel nicht einmal notwendig bedarf (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1).
Unterschriften
Harms, Häger, Basdorf, Gerhardt, Raum
Fundstellen
Haufe-Index 671570 |
NStZ-RR 2002, 107 |