Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 12.04.2018) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 12. April 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere große Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Rechtsmittel haben Erfolg.
Rz. 2
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts täuschten die Angeklagten einen Überfall auf die Filiale der Firma S. in H. vor, bei der der Angeklagte B. als stellvertretender Filialleiter arbeitete. Der maskierte Angeklagte C. erschien entsprechend der zwischen den Angeklagten getroffenen Absprache am Morgen des 7. August 2017 um 7.10 Uhr auf dem Hof des Baumarktes, auf dem der Angeklagte B. zusammen mit dem Angestellten Ca. Waren aufstellte, bedrohte sie unter Vorhalt der mitgeführten, geladenen Schreckschusspistole und forderte beide zur Herausgabe von Bargeld auf. B. ließ nicht erkennen, dass er eingeweiht war, und ging zusammen mit Ca., der zwischenzeitlich vergeblich zu fliehen versucht hatte, und dem Mitangeklagten C. in das Büro des nicht anwesenden Filialleiters. Dort öffnete der Angeklagte B. den Tresor und übergab an C. das darin befindliche Bargeld in Höhe von 6.459,47 EUR. Daraufhin verließ dieser mit der Beute den Baumarkt; sie wurde am Abend hälftig aufgeteilt.
Rz. 3
II. Der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 4
Den Urteilsfeststellungen lässt sich nicht entnehmen, dass die Angeklagten das entwendete Bargeld mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben weggenommen haben, um es sich rechtswidrig zuzueignen. Zwar diente – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift – der Einsatz der Waffe und die damit konkludent verbundene Drohung auch der Ansichnahme des Geldes aus dem Tresor und war nicht „bloße Requisite für den inszenierten Raub”. Denn damit bewirkten die Angeklagten es ihrem Tatplan entsprechend zumindest auch, dass der Angestellte Ca. mögliche Maßnahmen zur Vereitelung einer Entwendung des Geldes unterließ. Eine finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels und einer (möglichen) Wegnahme wäre deshalb gegeben.
Rz. 5
Allerdings lässt sich anhand der Urteilsgründe nicht feststellen, dass die Angeklagten das Geld auch im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB weggenommen haben. Das setzte voraus, dass sie fremden Gewahrsam gebrochen und neuen eigenen begründet haben. Wer Gewahrsam an dem im Tresor befindlichen Geld gehabt hat, wird im Urteil nicht näher erläutert. Es versteht sich nach den getroffenen Feststellungen auch nicht von selbst, dass ein anderer als der Angeklagte B., der offensichtlich als stellvertretender Filialleiter unmittelbaren Zugriff auf den Tresor und das dort befindliche Geld hatte, (Mit-)Gewahrsam hatte, den die Angeklagten gebrochen haben könnten. Gewahrsam ist die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Ob und wer Gewahrsam an einer Sache hat, beurteilt sich nach den Umständen des einzelnen Falles und den Anschauungen des täglichen Lebens (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 6. Oktober 1961 – 2 StR 289/61, BGHSt 16, 271, 273; BGH, Urteil vom 21. April 1970 – 1 StR 45/70, BGHSt 23, 254, 255). Danach ist es zwar nahe liegend, dass ein Filialleiter eines Baumarktes Gewahrsam an dem Geld hat, das sich in einem Tresor in seinem Büro befindet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er vor Ort anwesend ist und über einen Schlüssel für den Tresor oder eine Zugriffskennung für diesen verfügt.
Rz. 6
Ob dies aber auch der Fall ist, wenn er sich – wie hier – nicht in seinem Büro bzw. im Baumarkt aufhält und von seinem Stellvertreter vertreten wird, hängt von Umständen ab, zu denen sich das Urteil nicht verhält. Maßgeblich dafür ist, ob der Filialleiter trotz der Vertretung weiter unmittelbaren Zugriff auf den Tresor und seinen Inhalt hat (etwa weil er einen eigenen Schlüssel besitzt und eine Sachherrschaft auch in überschaubarer Zeit realisieren kann), der Stellvertreter also lediglich neben dem Filialleiter Sachherrschaft über den Tresor besitzt, oder ob die Verantwortung unter anderem auch für den Inhalt des Tresors auf den Stellvertreter vollständig übergegangen ist. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn dem Stellvertreter eine Stellung zukommt, die nach Aufgaben und Verantwortung der eines alleinverantwortlichen Kassiers vergleichbar ist, ohne dass es insoweit darauf ankommt, dass er der Kontrolle und Weisung des Filialleiters unterliegt (vgl. im Zusammenhang mit einer bei der Öffnung eines Tresors mitwirkenden Aufsichtsperson in einer Spielhalle (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1988 – 3 StR 115/88, BGHR StGB § 242 Abs. 1 Gewahrsam 4). Da sich anhand der Urteilsgründe nicht feststellen lässt, ob der Filialleiter zumindest Mitgewahrsam an dem im Tresor befindlichen Geld hatte, fehlt es an einem tragfähigen Beleg für den gemäß § 249 Abs. 1 StGB erforderlichen Gewahrsamsbruch.
Rz. 7
Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Dabei wird sich der neue Tatrichter im Rahmen der Einziehungsentscheidung auch mit der Frage zu befassen haben, ob der Angeklagte B., der die gesamte Tatbeute während des Tatgeschehens nur kurzfristig in den Händen hielt, bevor er sie an den Mitangeklagten weiterreichte, damit Mitverfügungsgewalt hinsichtlich der vollständigen Tatbeute erlangt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2013 – 3 StR 179/13, NStZ-RR 2014, 44).
Unterschriften
Franke, Krehl, Eschelbach, Meyberg, Grube
Fundstellen
Haufe-Index 12969337 |
Kriminalistik 2019, 357 |
RÜ 2019, 305 |