Verfahrensgang
LG Heidelberg (Entscheidung vom 31.05.2022; Aktenzeichen 2 KLs 110 Js 18757/21) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 31. Mai 2022, soweit es den Angeklagten betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum besonders schweren Raub und des Betrugs in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten schuldig ist,
b) in den für die Fälle 2 und 3 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie über die Dauer des Vorwegvollzugs der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub und wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Zudem hat es - unter der Bestimmung, dass ein Jahr der erkannten Freiheitsstrafe vorab zu vollstrecken ist - die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von insgesamt 4.334 €, davon in Höhe von 70 € gesamtschuldnerisch mit dem nichtrevidierenden Mitangeklagten D., angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. a) Der Schuldspruch mitsamt der konkurrenzrechtlichen Bewertung hält in den Fällen 2 und 3 der Urteilsgründe der revisionsrechtlichen Überprüfung auf die Sachrüge nicht stand.
Rz. 3
aa) Nach den Feststellungen zu diesem vom Landgericht als Betrug in zwei Fällen (§ 263 Abs. 1, § 53 Abs. 1 StGB) ausgeurteilten Geschehen entschloss sich der Angeklagte, die Personen- und Kontodaten des Zeugen B., die er dessen Personalausweis und Bankkarte, der Tatbeute aus dem Fall 1 der Urteilsgründe, entnahm, unberechtigt zur Finanzierung seines Drogenkonsums zu verwenden. Er legte dazu über die Internetseite der T. ein neues Kundenkonto mit B. s Personalien und Bankverbindung an, um unter dessen Identität hochwertige elektronische Geräte zu erwerben, ohne diese zu bezahlen. Am 10. August 2021 bestellte er über dieses Konto um 5.41 Uhr ein Mobiltelefon und eine Uhr, um 14.03 Uhr ein weiteres Mobiltelefon und ein Notebook. Einem Mitarbeiter der T. fiel bei Überprüfung der Bestellungen die Übereinstimmung mit dem von B. bereits angelegten Kundenkonto auf; er führte die Konten zusammen und ließ die Bestellungen ausführen. Der Angeklagte erlangte am 11. und 12. August 2021 die Verfügungsgewalt über die vier Geräte mit einem Gesamtwert von 4.264 € und tauschte diese gegen Betäubungsmittel ein. Die Rechnungen der T. blieben unbezahlt.
Rz. 4
bb) Nach § 269 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, oder derart gespeicherte oder veränderte Daten gebraucht. Nicht nur das Verändern eines bestehenden „online-Kontos“ (vgl. zu einem „e-Bay-account“: BGH, Beschluss vom 21. April 2015 - 4 StR 422/14 Rn. 6), sondern auch - wie hier - das Anlegen des online-Kundenkontos unter Identitätstäuschung erfüllt den Tatbestand des § 269 Abs. 1 StGB (vgl. zum Anlegen eines PayPal-Kontos: BGH, Beschluss vom 4. August 2022 - 4 StR 81/22 Rn. 7; eines eBay-Kontos: BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - 5 StR 146/19, BGHSt 65, 98 Rn. 27-31; zu einem online-Kundenkonto bei der Deutschen Bahn AG: BGH, Beschlüsse vom 6. April 2021 - 1 StR 67/21 Rn. 3 und vom 9. März 2021 - 1 StR 22/21 Rn. 2 f.). Dies hat zur Folge, dass sämtliche nachfolgende betrügerische Buchungen unter diesem Konto zur Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) aufgrund Teilidentität in den Ausführungshandlungen verbunden werden (vgl. BGH aaO). Denn nicht anders als beim Herstellen und Gebrauchen einer unechten Urkunde innerhalb des Tatbestands der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB; dazu BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2021 - 4 StR 163/21 Rn. 8; vom 7. Oktober 2020 - 4 StR 364/20 Rn. 5 und vom 17. Oktober 2018 - 4 StR 149/18 Rn. 4; je mwN) ist bei der Strafvorschrift des § 269 Abs. 1 StGB zwischen dem Speichern (oder Verändern) der beweiserheblichen Daten und deren anschließendem Gebrauchen von einer tatbestandlichen Handlungseinheit, namentlich einer Bewertungseinheit, auszugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2015 - 4 StR 422/14 Rn. 6); das Gebrauchen und die betrugsrelevanten Täuschungen sind ihrerseits eins. Der Angeklagte hat sich nach alledem der Fälschung beweiserheblicher Daten in Tateinheit mit in zwei Fällen tateinheitlich begangenem (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB) Betrug strafbar gemacht.
Rz. 5
cc) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab, da eine Beschwer des Angeklagten durch das Festsetzen zweier Einzelstrafen bei den hier vergleichsweise niedrigen Vermögensschäden nicht auszuschließen ist. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung der beiden zugehörigen Einzelstrafen nach sich. Die Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) bleiben indes ebenso unberührt wie die Einsatzstrafe, die für die Teilnahme an dem gänzlich anders gelagerten Verbrechen des besonders schweren Raubes verhängt worden ist, und die auf § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gestützte Einziehung. Die Feststellungen können im zweiten Rechtsgang um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
Rz. 6
b) Die Gesamtstrafe begegnet aus einem weiteren Grund durchgreifenden Bedenken. Denn die lückenhaften Feststellungen lassen die revisionsgerichtliche Überprüfung nicht zu, ob die Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Mosbach vom 5. Mai 2021 im verfahrensgegenständlichen Urteil einzubeziehen waren (§ 55 Abs. 1, §§ 53, 54 StGB). Die „frühere Verurteilung“ vom 5. Mai 2021 wurde erst am 17. August 2021, mithin nach Beendigung der hier geahndeten Taten (12. August 2021 bezüglich der dritten Tat), rechtskräftig (UA S. 8, 24); die Umstände hierfür werden nicht mitgeteilt. Dem angefochtenen Urteil ist lediglich zu entnehmen, dass die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten seit dem 24. September 2021 vollstreckt wird. Aufgrund dieser Lücke kann der Senat letztlich nicht ausschließen, dass in dem früheren Verfahren nach dem 12. August 2021 ein Berufungsurteil erging, „in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten“ (§ 55 Abs. 1 Satz 2 StGB).
Rz. 7
c) Die Aufhebung der Gesamtstrafe bedingt die Aufhebung der Bestimmung des Vorwegvollzugs (§§ 64, 67 Abs. 2 Satz 2, 3, Abs. 5 Satz 1 StGB).
Rz. 8
2. Vorsorglich weist der Senat für den Fall, dass in dem früheren Verfahren tatsächlich aufgrund einer tatgerichtlichen Verhandlung zur Schuld- oder Straf-frage nach dem 12. August 2021 entschieden wurde, darauf hin, dass sich die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach dem Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils (31. Mai 2022) bestimmt (zuletzt BGH, Beschluss vom 1. September 2022 - 4 StR 227/22 Rn. 8 mwN).
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Fundstellen
Haufe-Index 15568051 |
wistra 2023, 296 |
NStZ-RR 2023, 206 |