Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Geschäftswerts des Grundstückskaufvertrags. Bestehen einer über den Kaufpreis hinausgehenden Vorbelastungsermächtigung zu Gunsten des Käufers. Begrenzung des Gegenstandswerts auf den Wert des Kaufvertrags
Leitsatz (amtlich)
a) Die auf Abschluss des Kaufvertrags und die auf Ermächtigung des Käufers, den Kaufgegenstand vor Erwerb des Eigentums zu belasten, gerichteten Erklärungen haben i.S.v. § 44 Abs. 1 KostO denselben Gegenstand. Auf Zweck und Umfang der Ermächtigung kommt es nicht an.
b) Der höhere Betrag der Belastungsermächtigung bleibt bei der Berechnung des Geschäftswerts des Kaufvertrags außer Betracht.
Normenkette
KostO § 44 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Münster vom 15.6.2004 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde beträgt 69,60 EUR.
Gründe
I.
Mit von dem Beteiligten zu 1) beurkundeten Kaufvertrag vom 16.6.2003 verkaufte der Beteiligte zu 4) den Beteiligten zu 2) und 3) ein Hausgrundstück für 119.000 EUR. Die Beteiligten zu 2) und 3) übernahmen zwei Abfindungsverpflichtungen des Beteiligten zu 4) gegenüber Dritten von jeweils 5.000 DM. Außerdem verzichtete die Beteiligte zu 2) auf ihren Abfindungsanspruch ggü. dem Beteiligten zu 4) von 5.000 DM. Der Beteiligte zu 4) ermächtigte die Beteiligten zu 2) und 3) zur "Finanzierung des Kaufpreises etc.", das Grundstück vor Eintragung der Auflassung bis zu einem Betrag von 140.000 EUR zu belasten. Die hierbei bestellten Grundpfandrechte sollten nur zur Sicherung des tatsächlich an den Verkäufer ausgezahlten und von dem betreffenden Kreditinstitut finanzierten Kaufpreisanteils verwendet werden dürfen. In seiner Kostenberechnung vom 15.9.2003 über 1.060,19 EUR legte der Beteiligte zu 1) einen Geschäftswert von 147.669,38 EUR zugrunde, wobei er dem Betrag der Vorbelastungsermächtigung die übernommenen Zahlungsverpflichtungen sowie den Verzicht der Beteiligten zu 2) von insgesamt 7.669,38 EUR hinzurechnete. Der Präsident des LG wies den Beteiligten zu 1) an, eine Entscheidung des LG über die Richtigkeit seiner Kostenberechnung herbeizuführen. Dem entsprach der Beteiligte zu 1), wobei er im Verfahren zur Behebung formaler Mängel seine Kostenberechnung am 4.3.2004 ohne inhaltliche Änderung neu fasste.
Das LG hat der Weisungsbeschwerde stattgegeben und die Kostenberechnung unter Zugrundelegung eines Geschäftswerts von 126.669,38 EUR auf 990,59 EUR herabgesetzt. Das OLG möchte der aus eigenem Recht erhobenen weiteren Beschwerde des Beteiligten zu 1) teilweise stattgeben. Daran sieht es sich durch den Beschluss des KG vom 11.6.1991 (KG v. 11.6.1991 - 1 W 2512/89, DNotZ 1992, 117) gehindert. Es hat deshalb die Sache dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§ 156 Abs. 4 Satz 4 KostO i.V.m. § 28 FGG).
1. Das vorlegende OLG und das KG (KG v. 11.6.1991 - 1 W 2512/89, DNotZ 1992, 117; i.E. genauso: OLG Celle v. 16.8.1996 - 8 W 174/96, OLGReport Celle 1997, 22) sind unterschiedlicher Auffassung darüber, wie sich der Geschäftswert eines Grundstückskaufvertrages bestimmt, wenn er eine über den Kaufpreis hinausgehende Vorbelastungsermächtigung zu Gunsten des Käufers enthält. Das vorlegende OLG möchte den Geschäftswert in diesem Fall nach dem Betrag bestimmen, bis zu dem das Grundstück belastet werden kann. Demgegenüber haben das KG und das OLG Celle auch in diesem Fall den Geschäftswert nur nach dem Kaufpreis bemessen. Diese Unterschiedlichkeit in der Auffassung rechtfertigt die Vorlage.
2. Der Statthaftigkeit der Vorlage steht auch nicht entgegen, dass das Vorlageverfahren bei der Notarkostenbeschwerde erst durch Art. 33 Nr. 3 des Zivilprozessreformgesetzes vom 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) eingeführt worden ist und die Auffassung des vorlegenden Gerichts von Entscheidungen abweicht, die vor dem 1.1.2002 ergangen sind (BGH, Beschl. v. 21.11.2002 - V ZB 29/02, MDR 2003, 355 = BGHReport 2003, 360 = NJW-RR 2003, 1149).
III.
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig (§ 156 Abs. 2, 4 KostO). Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg, weil die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO) beruht.
1. Zutreffend geht das vorlegende Gericht allerdings davon aus, dass die Gebühren des Kostengläubigers nach § 44 Abs. 1 KostO zu berechnen sind, weil die auf Abschluss des Kaufvertrags und die auf Ermächtigung der Beteiligten zu 2) und 3), den Kaufgegenstand vor Erwerb des Eigentums über den Kaufpreis hinaus zu belasten, gerichteten Erklärungen der Kostenschuldner denselben Gegenstand betreffen.
a) Denselben Gegenstand haben mehrere in einer Verhandlung beurkundeten Erklärungen, wenn sie sich auf dasselbe Recht oder Rechtsverhältnis beziehen oder wenn sich, bei mehreren Rechtsverhältnissen, aus der Gesamtheit der Erklärungen ein Hauptgeschäft heraushebt und das weitere Rechtsgeschäft mit diesem in innerem Zusammenhang steht (BGH v. 21.11.2002 - V ZB 29/02, BGHZ 153, 22 [28] = MDR 2003, 355 = BGHReport 2003, 360). Wann ein solcher innerer Zusammenhang bei einer Ermächtigung des Käufers, den Kaufgegenstand über den Kaufpreis hinaus zu belasten, besteht, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird ein solcher Zusammenhang stets bejaht (KG v. 11.6.1991 - 1 W 2512/89, DNotZ 1992, 117 [118 f.]; Hansen, JurBüro 1988, 1117 [1118]; Hansen, DNotZ 1992, 117 [120] Anm. zu KG KG v. 11.6.1991 - 1 W 2512/89; Rohs in Rohs/Wedewer, KostO, § 44 Rz. 6 f.). Eine andere Auffassung nimmt ihn an, wenn mit dem Grundpfandrecht die Kaufpreisfinanzierung und Investitionen des Käufers auf dem Kaufgegenstand abgesichert werden sollen (OLG Rostock MittBayNot 2002, 207; Assenmacher/Mathias, KostO, 15. Aufl., Stichwort Belastungsvollmacht; Bayerische Notarkasse, Streifzug durch die Kostenordnung, 6. Aufl., Rz. 1329). Nach einer dritten Ansicht soll Gegenstandsgleichheit zwischen einer den Kaufpreis übersteigende Belastungsvollmacht und dem Kaufvertrag jedenfalls dann gegeben sein, wenn auch eine Bauverpflichtung besteht (OLG Köln MittRhNotK 1996, 103 [105]).
b) Zutreffend ist die Auffassung, die den inneren Zusammenhang stets bejaht. Mit der Ermächtigung des Käufers, den Kaufgegenstand zu belasten, übernimmt der Verkäufer eine begrenzte Vorleistungspflicht. Eine solche Belastungsvollmacht versetzt den Käufer in die Lage, das Grundstück schon vor der Eigentumsumschreibung so zu nutzen, als sei er bereits Eigentümer. In diesem Umfang wird die nach dem Gesetz nur Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreis geschuldete Verschaffung des Eigentums an dem Kaufgegenstand wirtschaftlich vorgezogen (KG v. 11.6.1991 - 1 W 2512/89, DNotZ 1992, 117 [118]). Dieser Vorteil für den Käufer ist Teil der Gesamtleistung, zu der sich der Verkäufer in dem Kaufvertrag verpflichtet. Sie bildet mit den auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Erklärungen eine Einheit und hat damit auch kostenrechtlich denselben Gegenstand. Dafür ist es unerheblich, welchem Zweck die Belastungsermächtigung dient und welchen Umfang sie hat. Sie dient in jedem Fall der Erfüllung einer Nebenpflicht, die der Verkäufer übernommen hat.
2. Zu Unrecht nimmt das vorlegende Gericht aber an, dass die Aufnahme einer Ermächtigung des Käufers zur Belastung des Kaufgegenstands den Wert des Kaufvertrags erhöht, wenn sie den Kaufpreis übersteigt.
a) Diese Frage wird allerdings in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Nach einer auch von dem vorlegenden Gericht vertretenen Ansicht ist in einem solchen Fall der höhere Betrag der Belastungsermächtigung maßgeblich (OLG Köln MittRhNotK 1996, 103 [105 f.]; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann/Tiedtke, KostO, 16. Aufl., § 44 Rz. 79; Bay. Notarkasse, Streifzug durch die KostO, 6. Aufl., Rz. 1330; Lappe, NJW 1992, 2800 [2805]; vorbehaltlich einer Vergleichsberechnung nach § 44 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 KostO auch: OLG Naumburg ZNotP 1998, 208; OLG Rostock MittBayNot 2002, 207; mit zustimmender Anm. Tiedtke, ZNotP 2002, 204). Demgegenüber stehen das KG (KG v. 11.6.1991 - 1 W 2512/89, DNotZ 1992, 117 [119]; mit zustimmender Anm. Jansen, DNotZ 1992, 117 [120 f.]) und das OLG Celle (OLG Celle v. 16.8.1996 - 8 W 174/96, OLGReport Celle 1997, 22 [23]; mit zustimmender Anm. Mümmler, JurBüro 1997, 156 ff.) auf dem Standpunkt, dass auch in einem solchen Fall der Kaufpreis maßgeblich bleibt.
b) Letzteres ist im Ergebnis richtig. § 44 Abs. 1 Satz 1 KostO bestimmt, dass bei Erklärungen, die denselben Gegenstand haben, die Gebühr nur einmal nach dem Wert dieses Gegenstands berechnet wird. Hiermit ist der Wert des Rechtsverhältnisses gemeint, zu dem die Erklärungen in einem inneren Zusammenhang stehen. Maßgeblich ist somit nicht der sich bei getrennter Betrachtung der gegenstandsgleichen Erklärungen ergebende höchste kostenrechtliche Wert, sondern der Wert des Rechtsverhältnisses, auf das sich diese Erklärungen beziehen (BGH, Beschl. v. 9.2.2006 - V ZB 172/05). Bei einem Grundstückskaufvertrag, der eine Belastungsvollmacht für den Käufer enthält, ist das der Kaufvertrag.
Die Begrenzung des Gegenstandswerts auf den Wert des Kaufvertrages ist auch sachgerecht. Zwar verschafft der Verkäufer dem Käufer mit der Ermächtigung, den Kaufgegenstand schon vor dem Übergang des Eigentums zu belasten, einen wirtschaftlichen Vorteil. Das ist insb. dann der Fall, wenn der Käufer, wie hier, ermächtigt wird, den Kaufgegenstand über den Kaufpreis hinaus zu belasten. Dieser Vorteil ist aber, wie ausgeführt, Teil der Gesamtleistung des Verkäufers. Der Kaufpreis, den der Käufer zu zahlen hat, ist deshalb nicht nur die Gegenleistung für die Verschaffung des Eigentums an dem Kaufgegenstand, sondern auch für die Verschaffung dieses Vorteils (KG v. 11.6.1991 - 1 W 2512/89, DNotZ 1992, 117 [118 f.]; Rohs in Rohs/Wedewer, KostO, § 44 Rz. 6 f.). Das gilt unabhängig davon, ob die Belastungsermächtigung den Kaufpreis übersteigt.
3. Das führt zu dem von dem LG zugrunde gelegten Geschäftswert von 126.669,38 EUR, der sich nicht mit Rücksicht darauf erhöht, dass die Beteiligten zu 2)und 3)in dem Kaufvertrag auch ein Wohnungsrecht und eine Reallast übernommen haben.
a) Das ergibt sich allerdings entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht schon daraus, dass der Beteiligte zu 1)die Erstbeschwerde als Weisungsbeschwerde erhoben und sich aus eigenem Recht erst in der weiteren Beschwerde hiergegen gewandt hat. Eine weitere Beschwerde kann zwar dann nicht zu einer Erhöhung der Gebühren führen, wenn die ihr zugrunde liegende Erstbeschwerde auf eine Herabsetzung der Gebühr zielte (BGH v. 17.7.2003 - V ZB 11/03, BGHZ 156, 22 [31] = BGHReport 2003, 1189 m. Anm. Jennißen = MDR 2003, 1222). Sie kann aber zur Zurückweisung der Erstbeschwerde führen, wenn sich die angefochtene Kostenberechnung aus anderen Gründen als zutreffend erweist oder wenn sie aus anderen Gründen um einen geringeren Betrag zu kürzen wäre.
b) Ein Ansatz für die Übernahme dieser Rechte war vielmehr deshalb nicht vorzunehmen, weil das Grundstück als mit diesen beiden Rechten belastet verkauft worden ist und die Beteiligten zu 2)und 3)als Gegenleistung hierfür nur die Kaufpreiszahlung, die Freistellung des Beteiligten zu 4)von den Abfindungszahlungsansprüchen seiner beiden Brüder und den Verzicht auf die Abfindung durch die Beteiligte zu 2)zu erbringen hatten.
IV.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 156 Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2, § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 31 Abs. 1 Satz 1, § 30 Abs. 1 KostO und § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1501367 |
NJW 2006, 2045 |
BGHR 2006, 881 |
FGPrax 2006, 133 |
JurBüro 2006, 432 |
MittBayNot 2006, 524 |
ZfIR 2006, 599 |
DNotZ 2006, 713 |
DNotZ 2007, 420 |
MDR 2006, 1015 |
ZNotP 2006, 279 |