Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für das Vorliegen einer Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorsatzanfechtung setzt gemäß § 133 Abs. 1 InsO voraus, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Der Anfechtungsgegner muss mithin gewusst haben, dass die Rechtshandlung des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt und dass der Schuldner dies auch wollte. Sofern der Anfechtungsgegner auf der Grundlage des gegebenen Sachverhalts eine Gläubigerbenachteiligung ausschließen kann, ist ihm der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt.
2. Grundsätzlich wird durch die Stellung der Anträge und anschließendes Verhandeln der gesamte, bis zum Termin angefallene Akteninhalt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Die in der Antragstellung liegende stillschweigende Bezugnahme erstreckt die Geständniswirkung des § 288 ZPO auf das gesamte Parteivorbringen.
Normenkette
InsO § 133 Abs. 1, § 140
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 30.03.2011; Aktenzeichen 9 U 130/10) |
LG Stuttgart (Entscheidung vom 14.07.2010; Aktenzeichen 21 O 175/09) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. März 2011 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 71.857,62 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach die Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO) bereits daran scheitert, dass der Schuldner nicht mit einem Benachteiligungsvorsatz gehandelt habe und seine Zahlungsunfähigkeit von den Beklagten nicht erkannt worden sei, sind durchgreifend rechtsfehlerhaft. Vielmehr ist den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts der Vorzug zu geben. Die von dem Kläger insoweit geltend gemachten Zulassungsgründe sind jedoch nicht entscheidungserheblich.
Rz. 3
2. Die Klageabweisung wird nämlich durch die Erwägung des Berufungsgerichts getragen, die Beklagten hätten den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners deshalb nicht erkannt (§ 133 Abs.1 Satz 1 und 2 InsO), weil sie von einer vollen dinglichen Sicherung ihrer Forderungen ausgegangen seien. Diese rechtliche Würdigung kann nicht beanstandet werden.
Rz. 4
a) Die Vorsatzanfechtung setzt gemäß § 133 Abs. 1 InsO voraus, dass der andere Teil, das heißt der Anfechtungsgegner, zur Zeit der Handlung (§ 140 InsO) den Vorsatz des Schuldners kannte. Der Anfechtungsgegner muss mithin gewusst haben, dass die Rechtshandlung des Schuldners dessen Gläubiger benachteiligt und dass der Schuldner dies auch wollte (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – IX ZR 272/02, WM 2003, 1923, 1925; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 133 Rn. 21; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 133 Rn. 19; HmbKomm-InsO/ Rogge, 3. Aufl. § 133 Rn. 20). Sofern der Anfechtungsgegner auf der Grundlage des gegebenen Sachverhalts eine Gläubigerbenachteiligung ausschließen kann, ist ihm der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 – IX ZR 191/05, BGHZ 182, 317 Rn. 12).
Rz. 5
b) Bei dieser Sachlage scheidet auf der Grundlage der unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts eine Kenntnis der Beklagten von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners aus. Danach gingen die Beklagten von einer umfassenden, insolvenzfesten Sicherung ihrer Forderungen aus. Die im Zuge der beiden Zwangsversteigerungsverfahren eingeholten Verkehrswertgutachten gelangten zu Grundstückswerten von – bezogen auf das Jahr 2001 – 227.000 EUR und von – bezogen auf das Jahr 2005 – 236.000 EUR. Selbst unter Berücksichtigung eines hälftigen Abschlags im Zwangsversteigerungsverfahren konnten die Beklagten nach Einschätzung des Berufungsgerichts jederzeit von einer vollwertigen Sicherheit ausgehen. Diese tatrichterliche Würdigung ist – zumal der Kläger von jeder näheren Darlegung zum Inhalt der Darlehensverträge abgesehen hat – unter zulassungsrelevanten Aspekten nicht zu beanstanden. Vor diesem Hintergrund kann dahin stehen, ob im Insolvenzverfahren im Unterschied zur Gläubigeranfechtung nicht nur der in der Zwangsversteigerung, sondern der bei einer freihändigen Veräußerung erzielbare Wert zu berücksichtigen ist (MünchKomm-InsO/Kirchhof, InsO, 2. Aufl., § 129 Rn. 152b; HK-InsO/Kreft, InsO, 6. Aufl., § 129 Rn. 56; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 129 Rn. 103a).
Rz. 6
3. Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts, dass die Grundschulden die Forderungen beider Beklagter sicherten. Insoweit liegt ein bindendes prozessuales Geständnis des Klägers (§ 288 Abs. 1 ZPO) vor.
Rz. 7
a) Grundsätzlich wird durch die Stellung der Anträge und anschließendes Verhandeln der gesamte, bis zum Termin angefallene Akteninhalt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2004 – V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 309; vom 19. Januar 2012 – IX ZR 2/11, WM 2012, 326 Rn. 24). Die in der Antragstellung liegende stillschweigende Bezugnahme erstreckt die Geständniswirkung des § 288 ZPO auf das gesamte Parteivorbringen (BGH, Urteil vom 18. Juni 2007 – II ZR 89/06, NJW-RR 2007, 1563 Rn. 16; Urteil vom 19. Januar 2012 – IX ZR 2/11, aaO).
Rz. 8
b) Der Kläger hat in der Klageschrift ausdrücklich vorgetragen, dass zwei Grundschulden „zu Gunsten der Beklagten bestellt” wurden. Diesem ihnen günstigen Vorbringen haben sich die Beklagten in der Klageerwiderung ausdrücklich angeschlossen. Durch die wechselseitige Antragstellung im Termin vom 8. März 2010 hat diese Darstellung Geständniswirkung (§ 288 ZPO) erlangt. Da es an den Voraussetzungen des § 290 ZPO fehlt, konnte sich der Beklagte im Berufungsrechtszug nicht auf die neue Erkenntnis berufen, dass die Grundschulden ausschließlich zu Gunsten der Beklagten zu 1 bestellt worden seien.
Fundstellen