Leitsatz (amtlich)
Wird der Rechtsstreit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, kommt es für die nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffende Kostenentscheidung darauf an, ob die Beschwerde voraussichtlich zur Zulassung der Revision geführt hätte und - falls dies zu bejahen ist - welchen Ausgang der weitere Rechtsstreit im Anschluss daran voraussichtlich genommen hätte (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 9.6.2010 - XII ZR 183/08, juris).
Normenkette
ZPO § 91a
Verfahrensgang
LG Köln (Entscheidung vom 12.11.2019; Aktenzeichen 1 S 68/19) |
AG Köln (Entscheidung vom 28.03.2019; Aktenzeichen 209 C 369/18) |
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben (§ 91a ZPO).
Gründe
I.
Rz. 1
Die Kläger haben die Beklagte im vorliegenden Verfahren aufgrund einer Eigenbedarfskündigung auf Räumung der ihr im Jahr 2016 vermieteten Wohnung mit einer Fläche von 62 m2 (monatliche Nettokaltmiete 750 EUR) in Anspruch genommen. In dem Kündigungsschreiben vom 30.7.2017 wird ausgeführt, der Sohn der Kläger benötige die Wohnung, weil er einen größeren Wohnraumbedarf habe und insb. für seine regelmäßigen Home-Office-Tätigkeiten ausreichend Platz brauche.
Rz. 2
Das AG hat die Klage - ohne Beweisaufnahme über den streitigen Eigenbedarf - mit der Begründung abgewiesen, die Kündigung sei bereits mangels ausreichender Begründung nach § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB aus formellen Gründen unwirksam. Das LG hat die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das AG habe die Kündigung zu Recht bereits daran scheitern lassen, dass die Kündigungserklärung vom 30.7.2018 nicht ausreichend begründet gewesen sei. Die Angabe, dass der Sohn der Kläger eine größere Wohnung benötige und deshalb in die Wohnung der Beklagten einziehen wolle, genüge nicht. Vielmehr seien konkrete Angaben zu der bisherigen Wohnung des Sohnes nach Größe und Anzahl der Zimmer erforderlich. Denn der Mieter müsse in die Lage versetzt werden, den geltend gemachten Bedarf anhand der Angaben im Kündigungsschreiben zumindest überschlägig zu überprüfen; insoweit genügten die mitgeteilten und nicht durch ausreichende Tatsachen belegten "Leerformeln" nicht.
Rz. 3
Gegen diese Entscheidung haben sich die Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde gewendet und diese u.a. damit begründet, das Berufungsgericht sei in einer die Zulassung der Revision erfordernden Weise von der Rechtsprechung des Senats abgewichen, indem es weit übersteigerte Anforderungen an die Begründung der Kündigung gestellt habe. Nach Eingang der Beschwerdeerwiderung haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt.
II.
Rz. 4
Nachdem der Rechtsstreit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von den Parteien mit den Schriftsätzen vom 5.6.2020 und 16.6.2020 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist gem. § 91a Abs. 1 ZPO - nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands - (nur) noch über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Beschwerde- und ggf. des Revisionsverfahrens zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 1.3.2007 - I ZR 249/02, NJW-RR 2007, 694 Rz. 12; v. 9.6.2010 - XII ZR 183/08, juris Rz. 2). Es kommt daher darauf an, ob die Nichtzulassungsbeschwerde der in den Vorinstanzen unterlegenen Kläger zur Zulassung der Revision geführt und - falls dies zu bejahen ist - welchen Ausgang der weitere Rechtsstreit im Anschluss daran voraussichtlich genommen hätte. Bei Anlegung des vorgenannten Prüfungsmaßstabs sind im Streitfall die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.
Rz. 5
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hätte voraussichtlich zur Zulassung der Revision geführt. Denn das Berufungsgericht hat die Anforderungen an eine formell ordnungsgemäße Begründung einer Eigenbedarfskündigung in einer eine Wiederholungsgefahr besorgenden Weise überspannt, so dass die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geboten gewesen wäre.
Rz. 6
a) Gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB setzt die Wirksamkeit einer Kündigungserklärung voraus, dass die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses in dem Kündigungsschreiben angegeben sind. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BT-Drucks. 6/1549, 6 f. zu § 564a Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.). Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann; bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (BGH, Urt. v. 27.6.2007 - VIII ZR 271/06 NJW 2007, 2845 Rz. 23; v. 17.3.2010 - VIII ZR 70/09, NZM 2010, 400 Rz. 8; v. 30.4.2014 - VIII ZR 284/13 NJW 2014, 2102 Rz. 7; v. 15.3.2017 - VIII ZR 270/15 NJW 2017, 1474 Rz. 15; v. 22.5.2019 - VIII ZR 167/17 NJW-RR 2019, 972 Rz. 19).
Rz. 7
b) Das Berufungsgericht hat diese rechtlichen Maßstäbe zwar zitiert, in der Anwendung dann aber nahezu in ihr Gegenteil verkehrt, indem es nicht auf den - entscheidenden - Gesichtspunkt abgestellt hat, ob der Kündigungsgrund in dem Kündigungsschreiben ausreichend individualisiert worden ist, so dass er von anderen Kündigungsgründen unterschieden werden kann.
Rz. 8
Eine solche Individualisierung des Kündigungsgrundes wird durch das Kündigungsschreiben jedoch - offensichtlich - ermöglicht. Denn es wird sowohl die Bedarfsperson - der Sohn der Kläger - benannt als auch das Interesse, das letzterer an der Wohnung hat, nämlich dass er aufgrund von Home-Office-Tätigkeiten größeren Raumbedarf habe. Das genügt als Begründung. Denn eine solche Individualisierung ermöglicht es dem Mieter, der die Kündigung nicht hinnehmen will, seine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund auszurichten, dessen Auswechselung dem Vermieter durch das Begründungerfordernis gerade verwehrt werden soll (BGH, Urt. v. 15.3.2017 - VIII ZR 270/15 NJW 2017, 1474 Rz. 15; v. 23.9.2015 - VIII ZR 297/14 NJW 2015, 3368 Rz. 11). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts dient das Begründungserfordernis nicht dazu, dem Mieter durch Angabe von Details eine Überprüfung des vom Vermieter geltend gemachten Bedarfs zu ermöglichen oder ihn schon im Vorfeld eines etwaigen späteren Kündigungsprozesses auf rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten hinzuweisen (BGH, Urt. v. 15.3.2017 - VIII ZR 270/15, a.a.O., Rz. 16 v. 1.7.2015 - VIII ZR 278/13 NJW 2015, 2650 Rz. 19). Vielmehr ist die Frage, ob der - identifizierbar angegebene - Kündigungsgrund tatsächlich besteht, eine Frage der materiellen Begründetheit der Kündigung, die im Falle eines Bestreitens durch den Mieter im Prozess im Rahmen einer Beweisaufnahme zu klären ist.
Rz. 9
2. Die Zulassung der Revision hätte voraussichtlich zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geführt, damit dort die erforderlichen Feststellungen zum Vorliegen des behaupteten Eigenbedarfs und ggf. zu den von der Beklagten geltend gemachten Härtegründen hätten getroffen werden können. Angesichts der erforderlichen Beweisaufnahme und des insoweit offenen Prozessausgangs entspricht eine Kostenaufhebung billigem Ermessen i.S.v. § 91a Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 14427336 |
NJW 2021, 1887 |
FA 2021, 159 |
NZM 2021, 431 |
ZMR 2021, 11 |
ZMR 2021, 578 |
JZ 2021, 315 |
MDR 2021, 584 |
WuM 2021, 314 |
WuM 2021, 538 |
ErbR 2021, 637 |
Mitt. 2021, 294 |
immobilienwirtschaft 2021, 49 |