Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 04.07.2001) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 4. Juli 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen schweren Raubes, tateinheitlich begangen in 14 Einzelakten, wobei es in 5 Fällen beim Versuch blieb”, zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt und die Einziehung verschiedener Gegenstände angeordnet. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben jeweils mit einer Verfahrensrüge Erfolg; auf die weiteren Verfahrensrügen und auf die Sachbeschwerden kommt es deshalb nicht an.
1. Mit Recht beanstanden die Revisionen die Ablehnung eines Beweisantrages.
a) Der Rüge liegt folgendes Prozeßgeschehen zugrunde:
Gegenstand des Verfahrens ist ein bewaffneter Raubüberfall in einem Spielkasino zum Nachteil von 14 Kasinogästen. Nach den Feststellungen trugen die beiden Täter zur Maskierung Wollmützen mit Augenschlitzen (Kopfmasken) und zusätzlich im Mundbereich Staubmasken. Die Angeklagten haben eine Beteiligung an dem Überfall bestritten.
Am zweiten Hauptverhandlungstag stellte der Verteidiger des Angeklagten Y. den Antrag, acht – bereits am ersten Verhandlungstag vernommenen – Tatzeugen eine in der Nähe des Tatorts aufgefundene Kopfmaske, die erst zu diesem Termin zur Verfügung stand, vorzuhalten. Die Zeugen würden dann bestätigen, daß keiner der Täter eine derartige Kopfmaske getragen habe, die Kopfmasken der Täter schwarz und nicht lindgrün gewesen seien, sie einen anderen Schnitt und die Mund- und Augenöffnungen andere Formen gehabt hätten. Diesem Beweisantrag hat sich der Verteidiger des Angeklagten Ö. angeschlossen. Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Zeugen seien ungeeignete Beweismittel: Durch das plötzliche, mit sofortigem Schußwaffengebrauch einhergehende maskierte Auftreten der Täter sei ein derartiges Klima von Angst und Schrecken hervorgerufen worden, daß keine auch nur annähernd präzise Beobachtungen hätten gemacht werden können; zudem sei es in dem Lokal dunkel gewesen und die Täter hätten über den Wollmasken weiße Staubmasken getragen, so daß erhebliche Teile der Wollmasken verdeckt gewesen seien. Unter diesen Umständen erscheine es ausgeschlossen, daß von einem der Zeugen nachvollziehbare Angaben über Art und Farbe der Wollmasken gemacht werden könnten.
b) Mit dieser Begründung durfte der Beweisantrag nicht abgelehnt werden. Völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist ein Zeuge als Beweismittel nur dann, wenn das Gericht ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis feststellen kann, daß sich mit ihm das in dem Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen läßt. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die absolute Untauglichkeit muß sich aus dem Beweismittel im Zusammenhang mit der Beweisbehauptung selbst ergeben. Ein geminderter, geringer oder zweifelhafter Beweiswert darf nicht mit völliger Ungeeignetheit gleichgesetzt werden (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 4, 12, 13, 14, 15, 16).
Eine Ungeeignetheit der Beweismittel in diesem Sinne liegt hier nicht vor: Das Landgericht hat die Ablehnung des Beweisantrages allein mit dem nach dem Ergebnis der schon durchgeführten Beweisaufnahme voraussichtlich zu erwartenden geringen Beweiswert der Beweiserhebung begründet (es seien nämlich keine „nachvollziehbaren Angaben” zu erwarten). Umstände dafür, daß die von den Angeklagten benannten Zeugen bei Durchführung der beantragten Beweisaufnahme zur weiteren Sachaufklärung nichts hätten beitragen können, sind jedoch nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen ist das Gegenteil der Fall; denn mehrere Tatzeugen hatten die Maskierung der Täter – wenn auch in Farbe und Form unterschiedlich – beschrieben (UA 14 f.). Es liegt daher nahe, daß die benannten Zeugen nach Vorhalt der sichergestellten Maske weiterführende Angaben hätten machen können.
c) Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrages kann das angefochtene Urteil beruhen, weil das Landgericht dem Umstand, daß die beim Tatort aufgefundene, mit DNA-Spuren des Angeklagten Y. behaftete Wollmütze bei dem Überfall verwendet worden sei, maßgebliche Indizwirkung für die Täterschaft der Angeklagten beigemessen hat (UA 13 ff., 30 ff.). Der Senat kann daher nicht ausschließen, daß die Strafkammer zu einer anderen Überzeugungsbildung gelangt wäre, wenn sie die beantragten Beweise erhoben und sich die Beweisbehauptung bestätigt hätte, daß die Täter des Überfalls die aufgefundene Kopfmaske nicht benutzt haben.
2. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, daß das Landgericht, sofern es sich erneut von der Täterschaft der Angeklagten überzeugen sollte, nähere Feststellungen zu einem möglichen Rücktritt von den nur versuchten Einzelakten (§ 24 Abs. 2 StGB) zu treffen haben wird.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Kuckein, Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Tepperwien, Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 2559990 |
JA 2003, 192 |
NStZ-RR 2002, 242 |
StV 2002, 352 |
StraFo 2002, 259 |