Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 29.05.2018) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 29. Mai 2018
- im Schuldspruch im Fall II. 9 der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
aufgehoben
aa) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 9 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen;
bb) im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen;
cc) im Ausspruch über den Vorwegvollzug.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 9 der Urteilsgründe), unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und mit Besitz von Dopingmitteln entgegen § 2 Abs. 3 AntiDopG (Fall II. 3 der Urteilsgründe), Urkundenfälschung in zwei Fällen (Fälle II. 8 und 10 der Urteilsgründe), vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sechs Fällen (Fälle II. 1, 2, 4 bis 7 der Urteilsgründe) und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Fall II. 11 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Während die Verfahrensrüge aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts erfolglos bleibt, hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. In den Fällen II. 1 bis 8, 10 und 11 der Urteilsgründe halten der Schuld- und der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 3
Näherer Erörterung bedarf insoweit nur die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II. 3 der Urteilsgründe. Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass sich der Angeklagte zum Tatzeitpunkt – neben einer geringen Menge Cannabis – im Besitz von zehn Gramm Methamphetamin (Crystal) mit einem Wirkstoffgehalt von 3,28 Gramm Methamphetamin-Base sowie von 260 Ecstasy-Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von 22,3 Gramm MDMA-Base befand, wobei das Crystal und das Ecstasy jeweils zur Hälfte zum Eigenkonsum und zur anderen Hälfte zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren.
Rz. 4
Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts, der eine Schuldspruchänderung dahin beantragt hat, dass der Angeklagte im Hinblick auf den Besitz des Crystal und des Ecstasy lediglich des Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG schuldig ist, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht insoweit einen Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG angenommen hat. Zwar war vorliegend bei keinem der beiden Betäubungsmittel – für sich betrachtet – der Grenzwert zur nicht geringen Menge erreicht; das Landgericht hat jedoch zutreffend auf die Gesamtheit beider Wirkstoffmengen abgestellt, durch die hier der Grenzwert zur nicht geringen Menge überschritten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. April 2004 – 3 StR 116/04, StV 2004, 602, 603; vom 16. Januar 2003 – 1 StR 473/02, NStZ 2003, 434; MüKo-StGB/Kotz/Oglakcioglu, 3. Aufl., Vor § 29 BtMG Rn. 223; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29a Rn. 101; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29a Rn. 166 ff.).
Rz. 5
Der Senat kann auch im Hinblick auf Fall II. 3 der Urteilsgründe die Verwerfung der Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss aussprechen, da der Generalbundesanwalt einen entsprechenden Antrag gestellt hat; die beantragte Schuldspruchänderung steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2011 – 5 StR 111/11, juris; vom 23. Juli 1993 – 2 StR 346/93, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Antrag 1 mwN; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 349 Rn. 22).
Rz. 6
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 9 der Urteilsgründe) hält rechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand.
Rz. 7
a) Nach den zu diesem Fall getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte, der sich gemeinsam mit seiner Freundin auf der Fahrt von D. nach H. befand, in B. von einer unbekannten Person insgesamt 50 Gramm Methamphetamin (Crystal) mit einem Wirkstoffgehalt von 17 Gramm Methamphetamin-Base. Zu diesem Zeitpunkt führte er in dem von ihm genutzten Pkw zwei Messer bei sich, um die Betäubungsmittel vor dem Zugriff anderer Personen zu schützen. Die 50 Gramm Crystal wollte er zur Hälfte für sich und seine Freundin und zur anderen Hälfte zum gewinnbringenden Verkauf an Dritte verwenden. Nach dem Erwerb konsumierte er gemeinsam mit seiner Freundin eine geringe Menge des Methamphetamins, den Rest (48,9 Gramm) verstaute er in der Fahrertür. Sodann setzte er seine Fahrt nach H. fort.
Rz. 8
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet insoweit die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Rz. 9
Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„Zwar erfasst der Begriff des Sichverschaffens in § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG anders als in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG auch den – hier erfolgten – Erwerb, also die rechtsgeschäftliche, einverständliche Erlangung der Verfügungsgewalt über Betäubungsmittel (BGH, Urteil vom 10. April 1996 – 3 StR 5/96, BGHSt 42, 123, 128). Soweit das Landgericht allerdings angenommen hat, dass der Angeklagte die in seinem PKW befindlichen Messer bei dieser Tat mit sich geführt und damit den Qualifikationstatbestand des bewaffneten Sichverschaffens im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfüllt hat, wird dies von den Feststellungen nicht getragen.
Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist zwar auch dann erfüllt, wenn der Täter die Waffe oder den sonstigen Gegenstand erst in der Schlussphase des Betäubungsmittelerwerbs vor dessen Beendigung mit sich führt, auch wenn das Grunddelikt bereits vollendet ist (BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – 3 StR 357/15, juris Rn. 7). Der Erwerb ist allerdings dann rechtlich beendet, wenn der Täter gesicherte Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel erlangt hat (vgl. BGH, aaO; Beschluss vom 15. November 2016 – 3 StR 344/16, juris Rn. 5).
Vorliegend sind den Feststellungen die näheren Umstände des Erwerbsvorgangs, insbesondere der Ort der Übergabe und die Erlangung der eigenen gesicherten Verfügungsgewalt über das in B. von einer unbekannten Person erworbene Metamphetamin (UA S. 11) nicht zu entnehmen. Es ist auch nicht gänzlich fernliegend, dass dies außerhalb des Fahrzeugs und zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, bevor der Angeklagte das Crystal in dem von ihm benutzten Fahrzeug deponiert und mit diesem transportiert hat. Hierfür könnte zumindest der von dem Angeklagten eingeräumte Erwerb „bei” seiner Kontaktperson (UA S. 20) sprechen. Dass das Landgericht hierzu noch dezidiertere Feststellungen treffen könnte, erscheint nicht wahrscheinlich, zumal der Angeklagte nähere Angaben zu seinem „B.er Kontakt” nicht machen wollte (UA S. 20).
Hinsichtlich der zum Eigenkonsum bestimmten Hälfte des erworbenen Metamphetamins ist hingegen der Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt, der insoweit durch den Erwerb gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, für den § 29a BtMG keinen Verbrechenstatbestand vorsieht, nicht verdrängt wird. Da das Rauschgift insoweit nicht zum Handeltreiben bestimmt war, stehen Besitz und (bewaffnetes) Handeltreiben (jeweils in nicht geringer Menge) in Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2002 – 2 StR 198/02 – mwN).
Rz. 10
Dem tritt der Senat bei und ändert den Schuldspruch entsprechend ab (zur Entbehrlichkeit des Zusatzes „in nicht geringer Menge” beim unerlaubten bewaffneten Handeltreiben gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – 4 StR 334/16, NStZ-RR 2017, 117; Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14, NStZ-RR 2015, 144). § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 11
c) Die für diesen Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren, bei der es sich zugleich um die Einsatzstrafe handelt, hat keinen Bestand. Der Senat besorgt, dass das Landgericht sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Zumessung der Einzelstrafe von einem zu hohen Schuldumfang ausgegangen ist, indem es das Mitsichführen der Messer im Pkw nicht nur auf die zum Handeltreiben bestimmte Teilmenge, sondern auf die Gesamtmenge der vom Angeklagten erworbenen Betäubungsmittel bezogen hat.
Rz. 12
3. Die Aufhebung der Einzelstrafe für Fall II. 9 der Urteilsgründe entzieht der Gesamtstrafe und der Entscheidung über den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe vor der Unterbringung nach § 64 StGB die Grundlage.
Rz. 13
4. Die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Unterschriften
Quentin, Roggenbuck, Bender, Feilcke, Bartel
Fundstellen
Haufe-Index 13369540 |
NStZ-RR 2019, 314 |
StV 2020, 401 |