Verfahrensgang
LG Braunschweig (Urteil vom 09.02.2004) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten R wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 9. Februar 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO
- in den Schuldsprüchen – auch gegen den Angeklagten L (§ 357 StPO) – dahin abgeändert, daß die Verurteilung wegen tateinheitlicher (einfacher) Brandstiftung jeweils entfällt;
- im gesamten Rechtsfolgenausspruch gegen die Angeklagte R mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat gegen die Angeklagte wegen gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten begangener schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Brandstiftung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verhängt, unter Einbeziehung rechtskräftiger Geldstrafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren erkannt und die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Mitangeklagte wurde bei identischem Schuldspruch zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision der Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bleiben insbesondere die Verfahrensrügen und die sachlichrechtlichen Angriffe gegen die tatgerichtliche Beweiswürdigung erfolglos. Der Schuldspruch wegen schwerer Brandstiftung ist nicht zu beanstanden; auch der Senat entnimmt den Urteilsfeststellungen, daß die Tat zur Vollendung gelangt ist.
Allerdings wird der Tatbestand der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB durch denjenigen der schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB verdrängt (BGHR StGB § 306 Abs. 1 Konkurrenzen 1). Die vom Generalbundesanwalt deshalb zutreffend beantragte Schuldspruchberichtigung ist gemäß § 357 StPO auf den selbst nicht revidierenden Mitangeklagten zu erstrecken. Dessen vorheriger Anhörung bedarf es nicht, da die Schuldspruchberichtigung den Mitangeklagten lediglich begünstigt, den Strafausspruch gegen ihn indes unberührt läßt und daher keine neue Verhandlung, durch die er belastet werden könnte, nach sich zieht. Der individuelle Rechtsfehler im Zusammenhang mit § 21 StGB, der zur Aufhebung des Strafausspruchs bei der Angeklagten führt, berührt den Mitangeklagten nicht.
2. Die Angeklagte betreffend hat die verhängte Strafe keinen Bestand. Das Landgericht hat die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit der Angeklagten bei Tatbegehung im Sinne des § 21 StGB zumindest nicht ausgeschlossen. Gleichwohl läßt das Landgericht – das auch nicht erörtert, ob es diesen vertypten Milderungsgrund bei der Prüfung und Ablehnung eines minder schweren Falles nach § 306a Abs. 3 StGB mitbedacht hat – unerwähnt, ob es der Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zugebilligt hat. Der allgemein ausgeführten Berücksichtigung der erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit kann der Senat dies ebenso wenig eindeutig entnehmen wie der erkannten Strafhöhe, auch unter Berücksichtigung der gegen den Mitangeklagten verhängten Strafe. Ein tragfähiger Ablehnungsgrund für eine Strafrahmenverschiebung ist nicht ersichtlich. Danach führen die Zweifel an einer rechtsfehlerfreien Strafrahmenfindung zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Der Senat weist ergänzend für die nachträgliche Gesamtstrafbildung darauf hin, daß bei der Einbeziehung von Geldstrafen nach §§ 55, 54 StGB der maßgebliche Zäsurzeitpunkt vollständig – auch zur Frage etwa vorrangiger anderweitiger Einbeziehbarkeit der einbezogenen Strafen in eine vorausgegangene Verurteilung – zu belegen ist. Ferner ist die Vorschrift des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB zu bedenken; deren Anwendung wird freilich – sofern nicht nach der neuen Verhandlung eine Aussetzungsmöglichkeit davon abhängen sollte – besonders fernliegen, wenn eine auf die Gesamtstrafe anzurechnende weitgehende Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe vorläge (auch die vollständige stünde der erneuten Einbeziehung, sofern die bisherige rechtsfehlerfrei erfolgte, nicht entgegen; vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1 und 2).
3. Der Maßregelausspruch nach § 63 StGB hat schon deshalb keinen Bestand, weil das Urteil nicht, wie erforderlich (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 12; BGH NStZ 2004, 197 m.w.N.), deutlich macht, daß die Angeklagte die Tat mit Sicherheit im Zustand erheblicher Verminderung der Schuldfähigkeit begangen hat. Im Zusammenhang mit ihrer Alkoholisierung hat das Landgericht dies lediglich nicht ausgeschlossen (UA S. 8). Die Gesamtheit der Urteilsgründe legt zwar nahe, daß das Landgericht angesichts der festgestellten Persönlichkeitsdefekte der Angeklagten letztlich doch zu einer sicheren Feststellung der Voraussetzungen des § 21 StGB gelangt ist; die Urteilsgründe lassen jedoch die für die einschneidende Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unerläßliche Klarheit vermissen. Insoweit kommt hinzu, daß das Landgericht sich bei der Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB gegen die alkoholabhängige Angeklagte zwar im Ansatz zutreffend an den Kriterien der Rechtsprechung für Fälle einer die Alkoholsucht verstärkenden schweren anderen seelischen Abartigkeit (BGHSt 44, 338; BGHR StGB § 63 Zustand 12, 18) orientieren wollte, daß aber die eher allgemein gehaltenen Diagnosen des psychiatrischen Sachverständigen – durch den chronischen Alkoholmißbrauch hervorgerufene „psychische und Verhaltensstörung” sowie „emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ” – als Grundlage für die Annahme der Voraussetzungen des § 63 StGB jedenfalls hinsichtlich der Beschreibung des für eine relevante seelische Abartigkeit erforderlichen Schweregrades zu vage sind (vgl. BGHR StGB § 63 Zustand 34 und BGH NStZ 2004, 197).
Das neue Tatgericht muß die – gesicherten oder nur nicht ausschließbaren – Voraussetzungen des § 21 StGB und ihre Auswirkungen auf den Strafausspruch, gegebenenfalls auch auf einen Maßregelausspruch erneut mit sachverständiger Hilfe überprüfen. Für eine Maßregel nach § 63 StGB bedürfte es einer im Vergleich zu den zitierten Urteilsfeststellungen erheblich eingehenderen Diagnose über einen feststehenden Zustand gravierender psychischer Störung der Angeklagten. Mit Hilfe des Gutachters wird auch erneut die Frage einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht für eine Unterbringung nach § 64 StGB zu prüfen sein. Angesichts der zwischen der Angeklagten und dem bisherigen psychiatrischen Sachverständigen deutlich gewordenen Spannungen (vgl. UA S. 16), deren Einfluß auf die Vollständigkeit der zu erhebenden Befunde nicht ausgeschlossen erscheint, wäre es hier unter Umständen erwägenswert, einen weiteren psychiatrischen Sachverständigen zu Rate zu ziehen.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Raum, Brause, Schaal
Fundstellen