Entscheidungsstichwort (Thema)
besonders schwerer Raub
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 03.12.2010) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten W. und A. wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. Dezember 2010, soweit es sie betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revision des Angeklagten S.-G. gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. Dezember 2010 wird als unbegründet verworfen.
4. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten S.-G. die Kosten und Auslagen seiner Revision aufzuerlegen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes zu Jugend- und Freiheitsstrafen verurteilt. Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten Revision eingelegt und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Angeklagten W. und A. haben mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Die Revision des Angeklagten S.-G. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die von den Angeklagten W. und A. erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den von dem Generalbundesanwalt angeführten Gründen ohne Erfolg. Ihre Verurteilung wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB begegnet jedoch durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken, weil die Urteilsfeststellungen lückenhaft sind und nicht klar ergeben, dass die Angeklagten mit der erforderlichen Absicht rechtswidriger Zueignung gehandelt haben.
Rz. 3
a) Nach den Feststellungen der Kammer begaben sich die drei Angeklagten zu dem Anwesen des Zeugen Sa.. Nachdem sie an der Haustür geklingelt hatten, wurde ihnen zunächst von der im Erdgeschoss wohnenden Großmutter des Zeugen geöffnet, die ihren im Obergeschoss wohnenden Enkel herunterrief. Als sich der Zeuge Sa. weigerte, mit den Angeklagten zu reden, hielt ihm der Angeklagte A. ein sog. Überlebensmesser in kurzer Entfernung vor die Brust, das ihm zu diesem Zweck von dem Angeklagten S.-G. zugereicht worden war. Zugleich forderte der Angeklagte A. den Zeugen Sa. auf, „keine Faxen zu machen” und mit den Angeklagten in seine Wohnung im Obergeschoss zu gehen. Dieser Aufforderung kam der Zeuge Sa. unter dem Eindruck der Bedrohung mit dem Messer nach. In der Wohnung angekommen, zwang der Angeklagte A. den Zeugen Sa. dazu, sich auf eine Couch zu setzen. Der Angeklagte S.-G. verlangte nun von dem Zeugen die Herausgabe von Bargeld und begann ohne eine Antwort abzuwarten, den Wohnzimmerschrank zu durchsuchen. Nachdem er eine Geldkassette gefunden hatte, holte er diese heraus und entnahm ihr zwei Geldmappen, in denen sich Bargeld des Zeugen Sa. in Höhe von ca. 3.500 Euro befand. Während der Angeklagte S.-G. nach weiterem Geld fragte, bemerkten die Angeklagten, dass die Großmutter des Zeugen Sa. zur Wohnung ihres Enkels in das Obergeschoss gekommen war. Noch bevor sie diese betreten konnte, verschloss der Angeklagte W. die Tür. Anschließend veranlassten die Angeklagten A. und S.-G. den Zeugen Sa. „mit entsprechenden Drohgebärden” dazu, seine vor der Tür stehende Großmutter wegzuschicken, was dieser auch tat. Nachdem sich die Großmutter entfernt hatte, verließen die Angeklagten gemeinsam die Wohnung. Zuvor hatten die Angeklagten A. und S.-G. dem Zeugen Sa. noch angedroht, dass sie wiederkommen und „etwas passieren” würde, wenn er jemandem von dem Geschehenen erzählen sollte. Die Wegnahme des Bargeldes wurde von dem Zeugen Sa. nur unter dem Eindruck der vorherigen Bedrohung mit dem Messer geduldet. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, wurde die Tatbeute von dem Angeklagten S.-G. verbraucht. Die Angeklagten A. und W. erhielten für ihre Beteiligung später lediglich zwischen 40 und 60 Euro ausgehändigt (UA 20, 21, 22 und 29).
Rz. 4
b) Mittäter eines Raubes kann nach den § 249 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB nur sein, wer im Zeitpunkt der erzwungenen Wegnahme selbst die Absicht hat, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Dass ein anderer Tatgenosse von dieser Absicht geleitet wird, reicht allein nicht aus (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 1997 – 4 StR 410/97, NStZ 1998, 158; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 249 Rn. 19 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn ein Beteiligter erst später in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen in die bereits begonnene Tatausführung eintritt und eine Zurechnung der Gesamttat nur nach den Grundsätzen über die sukzessive Mittäterschaft erfolgen kann (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 1952 – 3 StR 48/52, BGHSt 2, 344, 346, und vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, 281). An der Absicht einer rechtswidrigen Zueignung fehlt es, wenn der Täter irrig davon ausgeht, er selbst oder – im Fall der angestrebten Drittzueignung – der Dritte habe ein Recht zur Zueignung der weggenommenen Sache (BGH, Urteil vom 12. Januar 1962 – 4 StR 346/61, BGHSt 17, 87, 91; Beschlüsse vom 26. April 1990 – 4 StR 186/90, NJW 1990, 2832, und vom 19. Oktober 1999 – 1 StR 528/99, BGHR § 249 StGB Zueignungsabsicht 10).
Rz. 5
Wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, haben die Angeklagten A. und W. übereinstimmend angegeben, auf Grund von entsprechenden Erzählungen des Angeklagten S.-G. davon ausgegangen zu sein, dass der Zeuge Sa. dem Angeklagten S.-G. noch 600 Euro schulde (UA 21 f.). Dies entspricht der ebenfalls im Urteil mitgeteilten Einlassung des Angeklagten S.-G., wonach man gemeinsam beschlossen habe, den Zeugen Sa. aufzusuchen, um von ihm die 600 Euro zurückzufordern, die er ihm – dem Angeklagten S.-G. – noch aus einem nicht realisierten Betäubungsmittelgeschäft geschuldet habe (UA 20). Zwar hat das Landgericht hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen, doch hat es die Einlassung des Angeklagten S.-G. in diesem Punkt an anderer Stelle für nicht widerlegt erachtet und ihm bei der Bemessung der Jugendstrafe ausdrücklich zugutegehalten, dass er von dem Bestehen eines Anspruchs gegen den Zeugen Sa. ausgegangen sei (UA 28). Im Rahmen der rechtlichen Wertung wird außerdem ausgeführt, dass der von den Angeklagten behauptete „Drogenhintergrund” – offenkundig die von dem Angeklagten S.-G. geltend gemachte Forderung – „allenfalls” ein Zurückverlangen des Betrages von 600 Euro gerechtfertigt hätte (UA 26).
Rz. 6
Danach ist nicht eindeutig geklärt, ob auch die Angeklagten W. und A. davon ausgegangen sind, dass dem Angeklagten S.-G. gegen den Zeugen Sa. ein Anspruch auf Übereignung von 600 Euro zusteht. Sollte dies – was hier nicht fernliegt – der Fall gewesen sein, käme eine Verurteilung beider Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Raubes (§ 249 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB) nur noch dann in Betracht, wenn sie ihre Tatbeiträge in Kenntnis und Billigung der Tatsache erbracht haben, dass dem Zeugen Sa. mehr als 600 Euro weggenommen worden sind. Hierzu fehlen tragfähige Feststellungen. Dem Urteil kann lediglich entnommen werden, dass der Angeklagte S.-G. zwei Geldmappen mit 3.500 Euro an sich nahm, die er zuvor bei der Durchsuchung des Wohnzimmerschranks in einer Geldkassette aufgefunden hatte. Dass die Angeklagten W. und A. noch am Tatort erkannt haben, wieviel Geld sich in diesen Geldmappen befand, ist nicht festgestellt und drängt sich unter den gegebenen Umständen auch nicht auf. Die Geldmappen selbst, auf deren Übereignung der Angeklagte S.-G. für alle Beteiligten ersichtlich keinen Anspruch gehabt haben konnte, waren lediglich das Behältnis, in dem sich das angestrebte Geld befand. Es ist daher nicht anzunehmen, dass sich die Zueignungsabsicht des Angeklagten S.-G. auch auf diese Mappen erstreckt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2000 – 4 StR 91/00, NStZ-RR 2000, 343; Vogel in LK 12. Aufl., § 242 Rn. 162 m.w.N.).
Rz. 7
c) Auf Grund der aufgezeigten Mängel ist das angegriffene Urteil mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben. Da die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hiervon nicht betroffen sind, können sie bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird ergänzend festzustellen haben, welches Vorstellungsbild die Angeklagten W. und A. hatten, als sie sich entschlossen, die von dem Angeklagten S.-G. bewirkte Wegnahme des Geldes abzusichern. Da weitere Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen möglich bleiben, soweit sie zu den bestehen gebliebenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, wird sich der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter zudem mit der Frage befassen müssen, ob dem Zeugen Sa. neben dem Bargeld auch Betäubungsmittel weggenommen worden sind. Der Angeklagte S.-G. hat entsprechende Angaben des Zeugen Sa. bestätigt (UA 20 und 23). Illegal besessene Betäubungsmittel können grundsätzlich taugliches Objekt eines Eigentumsdelikts und damit auch eines Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB sein (BGH, Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, NJW 2006, 72; Vogel in LK 12. Aufl., § 242 Rn. 31 m.w.N.).
Rz. 8
2. Die Revision des Angeklagten S.-G. ist als unbegründet zu verwerfen, weil die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Die insoweit getroffene Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf den §§ 74, 109 Abs. 2 JGG.
Unterschriften
Ernemann, Roggenbuck, Mutzbauer, Bender, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 2728871 |
NStZ-RR 2012, 297 |
NStZ-RR 2012, 298 |
NStZ-RR 2012, 299 |