Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 01.02.2019; Aktenzeichen 2090 Js 77388/16 6 KLs) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 1. Februar 2019 im Schuldspruch dahin geändert, dass sie jeweils des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig sind.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von elf Jahren (T.), zehn Jahren und neun Monaten (M.) sowie acht Jahren und neun Monaten (Ts.) verurteilt. Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Der Angeklagte T. hat ferner Verfahrensrügen erhoben.
Rz. 2
I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen boten die bandenmäßig handelnden Angeklagten T. und M. in den Fällen II.1., II.2., II.3. und II.5. der Urteilsgründe einem vermeintlichen Kaufinteressenten, bei dem es sich in Wahrheit um einen verdeckten Ermittler der Polizei handelte, mehrfach jeweils ernsthaft und verbindlich an, zehn Kilogramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80% aus den Niederlanden zu liefern. Den Transport sollte der ebenfalls als Bandenmitglied agierende Mitangeklagte Ts. übernehmen. Im Einzelnen:
Rz. 3
Am 13., 24. und 29. Juni 2017 vereinbarten die Angeklagten T. und M. mit dem verdeckten Ermittler eine entsprechende Lieferung zum Preis von 33.000 EUR pro Kilogramm, sagten am 4. Juli 2017 das vereinbarte Betäubungsmittelgeschäft sowie den Übergabetermin für den Folgetag allerdings wegen Lieferschwierigkeiten ab (Fall II.1. der Urteilsgründe). Da sie an der Durchführung eines Kokaingeschäfts jedoch „weiterhin interessiert” waren, versprachen sie am 15. Juli 2017 eine Lieferung zu einem Preis von 33.000 EUR pro Kilogramm bis zum 20. Juli 2017, wobei auch dieses Geschäft letztlich nicht durchgeführt werden konnte (Fall II.2. der Urteilsgründe). Ende September 2017 boten die „weiterhin oder zumindest wieder” an einem Betäubungsmittelgeschäft interessierten Angeklagten dem vermeintlichen Abnehmer die genannte Menge Kokain zu einem Kilogrammpreis von 35.000 EUR an, die sie von einem anderen Lieferanten als bisher beziehen wollten. In dessen Beisein wurde am 28. September 2017 eine Übergabe am 5. Oktober 2017 vereinbart. Auch dieses Geschäft scheiterte indes, weil der Verkäufer den Verdacht schöpfte, bei dem Endabnehmer könnte es sich um einen verdeckten Ermittler handeln (Fall II.3. der Urteilsgründe). Am 7. und 13. Oktober 2017 sagten die weiterhin um die Abwicklung eines Kokaingeschäfts bemühten Angeklagten, die in den Niederlanden eine weitere Bezugsquelle aufgetan hatten, in Anwesenheit des neuen Lieferanten in R. die Lieferung einer entsprechenden Kokainmenge (Kilogrammpreis 32.000 EUR) am 18. Oktober 2017 zu. Unmittelbar nach der Übergabe in einer R. er Wohnung wurden sie festgenommen (Fall II.5. der Urteilsgründe).
Rz. 4
Entscheidungsgründe
II. Die revisionsgerichtliche Überprüfung des Urteils führt lediglich zu dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 5
1. Aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bleiben die Verfahrensbeanstandungen ohne Erfolg.
Rz. 6
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts tragen auch in den Fällen II.1., II.2., II.3. und II.5. der Urteilsgründe die Verurteilung der drei Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Insbesondere steht der Annahme eines vollendeten Handeltreibens nicht entgegen, dass als vermeintlicher Kaufinteressent ein verdeckter Ermittler der Polizei auftrat, der sich nur zum Schein an den Kaufverhandlungen beteiligte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Dezember 1981 – 3 StR 408/81, BGHSt 30, 277, 278; vom 2. Dezember 1999 – 3 StR 479/99, NStZ 2000, 207, 208).
Rz. 7
Allerdings hält die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, das in den Fällen II.1., II.2., II.3. und II.5. der Urteilsgründe von vier tatmehrheitlichen Fällen ausgegangen ist, der Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der Feststellungen liegt in diesen Fällen nur eine einheitliche Tat des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor.
Rz. 8
a) Die in den genannten Fällen beschriebenen Verkaufsangebote werden, da sie sich jeweils auf denselben Güterumsatz bezogen, zu einer Bewertungseinheit verbunden (Weber, BtMG, 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 593 ff., insbes. 608). Sie beruhten auf dem im Juni 2017 verabredeten Plan der Angeklagten, dem Kaufinteressenten eine einheitliche – noch zu liefernde – Menge von zehn Kilogramm Kokain zu verschaffen (vgl. II.1. der Urteilsgründe). Diesen Entschluss gaben sie nach den getroffenen Feststellungen zu keinem Zeitpunkt auf (und fassten ihn in der Folge nicht etwa neu), denn sie waren nach dem Scheitern der vereinbarten Lieferungen jeweils „weiterhin” an der Durchführung des Kokaingeschäfts interessiert. Dass sich dieses auf denselben Güterumsatz bezog, ergibt sich auch daraus, dass die Verkaufsangebote stets auf dieselbe Betäubungsmittelart (Kokain) und Menge (zehn Kilogramm) gerichtet waren, die vereinbarten Preise nahezu identisch blieben und das Kokain jeweils an denselben Abnehmer (den verdeckten Ermittler) verkauft und geliefert werden sollte. Dass sie über einen Zeitraum von mehreren Monaten verschiedene Angebote unter teilweiser Einschaltung wechselnder Lieferanten abgaben, steht der Annahme von Bewertungseinheit nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1999 – 3 StR 479/99, NStZ 2000, 207, 208).
Rz. 9
b) Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung der Annahme einer einheitlichen Tat entgegenstehende Feststellungen getroffen werden könnten. Der Senat ändert daher in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Schuldsprüche wie aus Ziffer 1 der Beschlussformel ersichtlich ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich die Angeklagten bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung des Tatgeschehens nicht wirksamer hätten verteidigen können.
Rz. 10
3. Infolge der Schuldspruchänderung entfallen die Einzelstrafen in den Fällen II.1., II.2., II.3. und II.5. der Urteilsgründe. Der Senat setzt in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO für die damit verbleibende Tat im rechtlichen Sinne bei jedem Angeklagten die jeweils höchste der in den vorgenannten Fällen verhängten Einzelstrafen (jeweils Fall II.5. der Urteilsgründe) von sieben Jahren und sechs Monaten (T.), sieben Jahren und vier Monaten (M.) sowie sechs Jahren (Ts.) als neue Einzelstrafe fest, weil auszuschließen ist, dass das Landgericht, wäre es bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung von einer Tat im Rechtssinne ausgegangen, für das Geschehen niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2020 – 3 StR 91/20, juris Rn. 9).
Rz. 11
Die Gesamtstrafenaussprüche werden hiervon nicht berührt. Angesichts der im Fall II.4. der Urteilsgründe festgesetzten Einsatzstrafen von neun Jahren (T.), acht Jahren und zehn Monaten (M.) und sieben Jahren und drei Monaten (Ts.) ist auszuschließen, dass das Landgericht allein aufgrund der geänderten Konkurrenzverhältnisse und des Wegfalls dreier Einzelstrafen auf jeweils niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen als die verhängten erkannt hätte, zumal eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Beurteilung bei – wie hier – unverändertem Schuldumfang regelmäßig kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. April 2020 – 3 StR 91/20, juris Rn. 9; vom 24. Juli 2018 – 3 StR 82/18, juris Rn. 10).
Rz. 12
Wegen des geringen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Angeklagten mit den Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Schäfer, Spaniol, Paul, Berg, Anstötz
Fundstellen
Haufe-Index 13953705 |
NStZ 2021, 52 |