Leitsatz (amtlich)
Nach dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes ist der Ehemann nicht mehr berechtigt, von dem verantwortlichen Schädiger Schadensersatz nach § 845 BGB wegen Behinderung der verletzten Ehefrau in der Haushaltführung zu verlangen.
Normenkette
BGB § 845
Tenor
Nach dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes ist der Ehemann nicht mehr berechtigt, von dem verantwortlichen Schädiger Schadensersatz nach § 845 BGB wegen Behinderung der verletzten Ehefrau in der Haushaltführung zu verlangen.
Tatbestand
I.
a) Der VI. Zivilsenat hat den Großen Senat für Zivilsachen gemäß § 137 GVG die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt,
ob … der Ehemann auch nach dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes wegen der Behinderung der verletzten Ehefrau in der Haushaltführung von dem verantwortlichen Schädiger Schadensersatz nach § 845 BGB fordern kann.
Der Vorlage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte hat im Jahr 1961 mit seinem Kraftwagen die Ehefrau des Klägers angefahren und erheblich verletzt. Die Landesversicherungsanstalt gewährt der Verunglückten bis auf weiteres wegen Hinderung ihrer Erwerbsfähigkeit eine Rente von rund 45 DM monatlich. Der Kläger begehrt vom Beklagten in Höhe von zwei Dritteln Schadensersatz wegen Ausfalls der Arbeitsleistung seiner Ehefrau im Haushalt. Landgericht und Oberlandesgericht haben den Klaganspruch dem Grunde nach (zu 2/3) für gerechtfertigt erklärt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klagabweisung weiter.
Der VI. Zivilsenat hält sowohl zur Fortbildung des Rechts als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Großen Senat für Zivilsachen für erforderlich, zumal die Vorlegungsfrage auch das Arbeitsgebiet des III. Zivilsenats unmittelbar berührt.
b) Die Voraussetzungen des § 137 GVG für die Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen sind gegeben. Die Vorlegungsfrage hat sowohl wegen der Häufigkeit der davon betroffenen Fälle als auch wegen ihrer rechtlichen Auswirkungen grundsätzliche Bedeutung.
Entscheidungsgründe
II.
Der Große Senat für Zivilsachen verneint die Vorlegungsfrage.
a) Grundlage des § 845 BGB, soweit er den Mannesanspruch wegen entgehender Haushaltsdienste bei Verletzung der Ehefrau betrifft, ist die ursprüngliche rechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Ehemann und Ehefrau im Bürgerlichen Gesetzbuch.
Danach schuldete und leistete die Ehefrau ihre Haushaltsarbeit nur dem Ehemann (§ 1356 a.F. BGB); er allein war nicht nur Gläubiger, sondern auch Leistungsempfänger. Infolgedessen wurde durch den Ausfall ihrer Arbeitskraft rechtlich in der Regel nicht die Ehefrau, sondern der Ehemann geschädigt. Da er jedoch nicht Träger des unmittelbar vorletzten Rechtsguts (Körper, Gesundheit, Freiheit) war, bedurfte es einer Vorschrift, die die Liquidation dieses Drittschadens ermöglichte.
Inhaltlich wurde ein Schaden bereits im Wegfall der Arbeitskraft selbst gesehen. Dabei spielte es keine Rollo, ob er zu Vermögensaufwendungen führte, etwa durch Entlohnung einer Ersatzkraft, oder ob dies nicht der Fall war, indem ein Ausgleich durch die unbezahlte Arbeit anderer Familienmitglieder oder überhaupt nicht stattfand. Der Schadensbegriff wurde hier also schon damals normativ aufgefaßt.
b) Spätestens mit dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes (vom 18. Juli 1957, BGBl I 609) am 1. Juli 1958 ist jene Grundlage des § 845 BGB weggefallen. Dabei ist maßgebend nicht, ob sich hinsichtlich der Tätigkeit der Ehefrau im Haushalt die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber früher geändert haben, sondern daß sich die Wertung und rechtliche Einordnung ihrer Tätigkeit gelindert hat.
Nunmehr hat die Ehefrau die Haushaltführung nicht nur dem Ehemann, sondern – als Unterhaltsleistung – der ganzen Familie zu erbringen (§ 1360 Satz 1, Satz 2 Halbs. 1 n.F. BGB). Die Haushaltführung der Ehefrau steht in dieser Hinsicht gleichberechtigt neben der Erwerbstätigkeit des Ehemanns. Die Annahme, durch ihren Ausfall sei allein oder auch nur in erster Linie der Ehemann geschädigt, ist damit unvereinbar. Stellt man auf die Person des Leistungsempfängers ab, so kommen als geschädigt alle Familienmitglieder einschließlich der Ehefrau selbst in Betracht. Dabei ist eine Gesamtgläubigerschaft zwischen ihnen nicht zu begründen. Am ehesten wäre Teilgläubigerschaft zu erwägen; sie läßt sich jedoch praktisch nicht durchführen. Sinnvoll ist vielmehr nur ein Schadensersatzanspruch in der Person desjenigen, der durch die unerlaubte Handlung in seinen Rechtsgütern unmittelbar verletzt ist, also in der Person der Ehefrau hinsichtlich des gesamten Schadens, der durch den Ausfall ihrer Arbeitsleistung hervorgerufen ist. Die neuere Rechtsprechung des VI. Zivilsenats bejaht einen solchen Anspruch der Ehefrau mit Recht (BGHZ 38, 55). Ein gleichgerichteter Anspruch des Ehemanns hat daneben keinen Platz. Dies ist auch die überwiegende Auffassung der neueren Untersuchungen im Schrifttum. Die Subjektbezogenheit des. Ersatzanspruchs findet zugleich ihre Rechtfertigung als Ausstrahlung des in der neueren Rechtsprechung entwickelten normativen Schadensbegriffs. Sie hat insbesondere eine Parallele in der eigenen Ersatzforderung wegen Arbeitsausfallschadens, die die Rechtsprechung dem verletzten Gesellschafter einer Personalgesellschaft auch bei Fortzahlung einer gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Tätigkeitsvergütung zuerkennt (Urt. v. 5. Februar 1963 – VI ZR 33/62 – LM BGB § 249 (C b) Nr. 11).
Inhaltlich gilt auch für den jetzigen Anspruch der Ehefrau der normative Schadensbegriff, wie er bereits für den früheren Mannesanspruch (§ 845 BGB) anerkannt war und inzwischen in Abkehr von der reinen Differenzhypothese sich auch anderweit durchgesetzt hat, insbesondere beim Schadensersatzanspruch des verletzten Arbeitnehmers oder Gesellschafters trotz Lohnfortzahlung (BGHZ 7, 30; 219 112; Urt. v. 5. Februar 1963 a.a.O.). Hiernach steht der Ehefrau, nicht dem Ehemann, wegen ihrer Behinderung in der Haushaltführung ein Schadensersatzanspruch unabhängig davon zu, ob sie tatsächliche Aufwendungen zur die Entlohnung einer Ersatzkraft hat. Zur Bemessung des Schadens können derartige mögliche Aufwendungen einen Anhaltspunkt geben.
Unterschriften
Dr. Fischer, Senatspräsident Dr. Hauß ist beurlaubt und deshalb gehindert zu unterschreiben Dr. Fischer, Dr. Kuhn, Johannsen, Dr. Heimann-Trosien, Dr. Kreft, Bundesrichter Dr. Hußla ist beurlaubt und des halb gehindert zu unterschreiben Dr. Fischer, Dr. Mattern, Mormann
Fundstellen
Haufe-Index 1502333 |
BGHZ |
BGHZ, 304 |
JR 1969, 100 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1969, 517 |
MDR 1968, 821 |