Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 24. April 2001 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte in allgemeiner Form die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch wendet. Es beschwert den Angeklagten nicht, daß er im Hinblick auf die zum Eigenverbrauch erworbene Teilmenge des Heroins nur wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) und nicht wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) verurteilt wurde (vgl. BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 3).
Jedoch kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit es das Landgericht unterlassen hat zu prüfen, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist (§ 64 StGB).
Nach den Feststellungen ist der wegen unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes vorbestrafte Angeklagte langjähriger Betäubungsmittelkonsument, der seit 1990 zumindest drei Drogentherapien ohne Erfolg durchlief und sich seit 1994 in einem Polamidonprogramm und sodann ab 1996 in einem Methadonprogramm befand, daneben aber regelmäßig Heroin konsumierte. Seiner jetzigen Verurteilung liegt der Erwerb und die Aufbewahrung von 23,21 g Heroin zugrunde, das je zur Hälfte zum Eigenverbrauch und zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Danach liegt es nahe, daß die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB gegeben sind. Das Landgericht hätte daher die Anordnung dieser Maßregel prüfen müssen. Warum es dies unterlassen hat, läßt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Zwar könnten die mehrfachen erfolglosen Therapieversuche darauf hindeuten, daß es an der erforderlichen konkreten Erfolgsaussicht der Unterbringung mangelt (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.). Dem steht jedoch entgegen, daß das Landgericht in den Urteilsgründen seine Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 2 BtMG erteilte und somit ersichtlich Chancen für einen Therapieerfolg sah. Letztlich kann diese Frage aber ohne die Hilfe eines medizinischen Sachverständigen nicht beantwortet werden (vgl. § 246 a StPO).
Liegen die Voraussetzungen des § 64 StGB vor, ist die Anordnung der Unterbringung zwingend. Hiervon darf nicht etwa deswegen abgesehen werden, weil eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG ins Auge gefaßt ist (vgl. BGH bei Holtz MDR 1992, 932; BGH, Beschl. vom 16. Juni 1998 – 4 StR 235/98).
Einer Nachholung der Unterbringungsanordnung steht nicht entgegen, daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGHSt 37, 5). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f.).
Der Strafausspruch wird hierdurch nicht berührt. Der Senat kann hier ausschließen, daß im Falle der Unterbringung gegen den einschlägig vorbestraften Angeklagten auf eine geringere Strafe erkannt worden wäre.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Winkler, Pfister, von Lienen, Becker
Fundstellen