Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 28.05.2002) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 28. Mai 2002 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer das Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch weist das Urteil insofern einen sachlich-rechtlichen Mangel auf, als das Landgericht die Prüfung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen hat, obwohl sich dies aufdrängte.
Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte seit dem 16. oder 17. Lebensjahr Betäubungsmittel – zuerst Haschisch, zwei Jahre später auch Heroin. Seit der Vollendung des 20. Lebensjahres war er „hochgradig abhängig” und fuhr zum Zweck des Erwerbs von teilweise zum Weiterverkauf bestimmten Drogen nach Holland. Wegen Betäubungsmitteldelikten wurde er 1995, 1996 und 1997 jeweils zu Jugendstrafen verurteilt. Nach der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug begann er erneut mit dem Heroinkonsum und wurde im Jahr 1999 u. a. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Nach vollständiger Verbüßung dieser Strafe begann er alsbald wieder mit dem Heroinkonsum. Die verfahrensgegenständlichen Taten dienten der Erlangung von Geld zum Erwerb von Betäubungsmitteln. Dementsprechend begrüßt das Landgericht in der Strafzumessung, daß der Angeklagte sich nunmehr bereit erklärt hat, eine stationäre Therapie anzustreben, um seine Heroinabhängigkeit zu bekämpfen, und erklärt schon jetzt die Zustimmung zu einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG.
Angesichts dieser Feststellungen, die einen Hang des Angeklagten zu übermäßigem Rauschmittelkonsum und einen symptomatischen Zusammenhang zwischen den Taten und der Abhängigkeit belegen, hätte der Tatrichter prüfen und entscheiden müssen, ob bei dem Angeklagten die Gefahr besteht, daß er auch künftig in Folge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Unterbringung nach § 64 StGB ist zwingend anzuordnen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Hiervon darf nicht abgesehen werden, weil eine Entscheidung nach § 35 BtMG ins Auge gefaßt ist (vgl. BGH bei Holtz MDR 1992, 932; BGH, Beschl. vom 9. August 2001 – 3 StR 279/01). Erwägungen zu § 64 StGB waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Strafkammer von uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen ist. Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kommt es nicht darauf an, daß verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB besteht (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 64 Rdn. 3). Es ist schließlich nicht ersichtlich, daß es bei dem Angeklagten an der erforderlichen konkreten Erfolgsaussicht der Unterbringung mangelt (BVerfGE 91, 1 ff.). Dem steht schon entgegen, daß sich das Landgericht in den Urteilsgründen ausdrücklich positiv zu einer Zurückstellung der Strafvollstreckung geäußert und angesichts der vom Angeklagten erklärten Therapiebereitschaft Chancen für einen Behandlungserfolg gesehen hat.
Einer etwaigen Nachholung der Unterbringung steht auch nicht entgegen, daß ausschließlich der Angeklagte Revision eingelegt hat (vgl. BGHSt 37, 5). Im übrigen hat der Beschwerdeführer die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).
Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils, soweit eine Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Der Strafausspruch wird hierdurch nicht berührt. Der Senat kann ausschließen, daß im Falle der Unterbringung gegen den erheblich vorbestraften Angeklagten auf eine niedrigere Strafe erkannt worden wäre.
Unterschriften
Tolksdorf, Winkler, Pfister, von Lienen, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2559791 |
StraFo 2003, 100 |