Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters gegen Amtsvorgänger. Schadensersatzanspruch der Massegläubiger
Leitsatz (amtlich)
Der Insolvenzverwalter ist nicht befugt, Schadensersatzansprüche der Massegläubiger aus § 61 InsO gegen seinen Amtsvorgänger geltend zu machen.
Normenkette
InsO §§ 61, 80 Abs. 1, § 92
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 22.12.2004; Aktenzeichen I-4 W 66/04) |
LG Duisburg (Entscheidung vom 06.09.2004; Aktenzeichen 12 O 55/04) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 22.12.2004 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren versagt.
Gründe
[1]I.
Der Antragsteller ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der F. GmbH & Co. KG, (fortan: Schuldnerin). Sein Vorgänger im Amt hatte im Rahmen der Fortführung des Betriebs der Schuldnerin Masseverbindlichkeiten begründet, die aus der Insolvenzmasse nicht erfüllt werden konnten. Nachdem er abberufen und über sein Vermögen ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, wurden Forderungen der Massegläubiger gegen ihn aus der Betriebsfortführung bei der Schuldnerin i.H.v. 193.790,61 EUR zur Tabelle festgestellt. Die Antragsgegnerin ist der Haftpflichtversicherer des früheren Insolvenzverwalters.
[2]Der Antragsteller beabsichtigt, von der Antragsgegnerin gem. § 157 VVG Ausgleich der den Massegläubigern gegen seinen Vorgänger im Amt aus § 61 InsO zustehenden Schadensersatzansprüche zu verlangen. Er hat deshalb um Prozesskostenhilfe für eine entsprechende Klage nachgesucht. Das LG hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren in vollem Umfang weiter.
[3]II.
Das gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
[4]Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, Prozesskostenhilfe könne dem Antragsteller nicht bewilligt werden, weil den Massegläubigern als wirtschaftlich Beteiligten die Aufbringung der Kosten der beabsichtigten Rechtsverfolgung zuzumuten sei. Auch wenn die Ansprüche der Massegläubiger auf Vorgängen zugunsten der Insolvenzmasse beruhten, die sich zum Vorteil der Insolvenzgläubiger auswirkten, handele es sich doch um normale Forderungen der Gläubiger, die diese einschließlich daran anknüpfender Schadensersatzforderungen grundsätzlich selbst zu realisieren hätten.
[5]Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
[6]1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts findet § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO allerdings keine Anwendung, weil der Antragsteller hier nicht als Partei kraft Amtes in gesetzlicher Prozessstandschaft klagen kann. Beabsichtigt der Insolvenzverwalter, Ansprüche geltend zu machen, die nicht zum verwalteten Vermögen gehören, ist § 116 ZPO nicht einschlägig; es gelten §§ 114, 115 ZPO (OLG Hamm JurBüro 1988, 1059, 1060; Saenger/Rathmann/Pukall, ZPO, § 116 Rz. 4; Zöller/Philippi, ZPO 25. Aufl., § 116 Rz. 3; Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl., § 116 Rz. 2).
[7]a) Bei dem Schadensersatzanspruch aus § 61 InsO wegen Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten handelt es sich um einen Individualanspruch, der während des Insolvenzverfahrens von den geschädigten Massegläubigern gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann (BGHZ 159, 104, 107 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 27.2.1973 - VI ZR 118/71, WM 1973, 556, 557; v. 10.5.1977 - VI ZR 48/76, WM 1977, 847, 848).
[8]b) Der Antragsteller ist nicht gem. § 92 InsO befugt, den Schaden, der den Massegläubigern durch die Betriebsfortführung entstanden ist, geltend zu machen. Der auf den Vertragsschluss mit dem früheren Insolvenzverwalter beruhende finanzielle Nachteil der Neugläubiger betrifft nur diese persönlich, nicht dagegen die Gesamtheit der Gläubiger. Daher fehlt ein Bezug dieses Anspruchs zur Insolvenzmasse. Da Ziel der beabsichtigten Klage nicht eine Anreicherung der Masse ist, fehlt dem Antragsteller insoweit die gesetzliche Prozessführungsbefugnis.
[9]2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klage gegen die Antragsgegnerin aufgrund gewillkürter Prozessführungsbefugnis zulässig ist; denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine solche Klage kommt nicht in Betracht.
[10]Macht ein Prozessbeteiligter im Wege der Prozessstandschaft oder der Inkassozession ein fremdes Recht oder das wirtschaftliche Interesse eines Dritten im eigenen Namen geltend, so kommt es für die Gewährung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich sowohl auf die Person des unmittelbar Prozessbeteiligten als auch auf die des Dritten an, in dessen rechtlichem oder wirtschaftlichem Interesse der Rechtsstreit geführt wird (BGHZ 96, 151, 153; BGH, Beschl. v. 20.12.1984 - IX ZR 132/84, KostRsp. ZPO § 114 Nr. 100; v. 16.9.1991 - VIII ZR 264/90, VersR 1992, 594). Bei den vom Amtsvorgänger des Antragstellers geschädigten Massegläubigern handelt es sich um Unternehmen und öffentlich-rechtliche Körperschaften, die die Kosten der Prozessführung nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen ohne Zweifel selbst aufbringen können.
[11]3. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bedarf es keiner Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes. Der Beschluss des BFH vom 9.12.2004 (ZInsO 2005, 1216) betraf einen Rechtsstreit, den der Insolvenzverwalter im Rahmen der ihm obliegenden Befugnisse als gesetzlicher Prozessstandschafter führen konnte, so dass sich die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO richtete.
[12]III.
Da es auf die Rechtsfrage, die das OLG veranlasst hat, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, nicht ankommt und die Entscheidung auch nicht auf der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen beruht, kann dem Antragsteller keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden (§ 114 Satz 1 ZPO). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht hindert den Senat nicht an einer abweichenden und zutreffenden Beurteilung der Schwierigkeit und Grundsätzlichkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2002 - VIII ZR 235/02, NJW-RR 2003, 130, 131; v. 30.1.2004 - IXa ZB 299/03, BGHReport 2004, 853, 854).
Fundstellen
Haufe-Index 1568652 |
BB 2006, 1989 |
DStZ 2006, 748 |
BGHR 2006, 1441 |
WM 2006, 1817 |
WuB 2006, 877 |
ZAP 2006, 955 |
ZIP 2006, 1683 |
DZWir 2006, 524 |
MDR 2006, 1427 |
NZI 2006, 580 |
NZI 2007, 19 |
NZI 2007, 21 |
ZInsO 2006, 936 |
ZfBR 2007, 43 |