Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 24. Januar 2024, soweit es ihn betrifft, aufgehoben
a) im Fall II.2 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten in einem ersten Rechtsgang wegen „bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Verabredung hierzu sowie wegen Beihilfe hierzu“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und einen Anrechnungsmaßstab für die in Ungarn erlittene Auslieferungshaft bestimmt. Der Senat hat durch Beschluss vom 11. Oktober 2022 - 2 StR 101/22 - das Urteil im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Verabredung zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt ist, und unter Aufrechterhaltung der Feststellungen aufgehoben im Ausspruch über die Einzelstrafen zu den Fällen II.2 und II.3 der damaligen Urteilsgründe (jetzt Fall II.2 der Urteilsgründe) sowie der Gesamtstrafe. Die im Fall II.1 zugemessene Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren erwuchs - bei gleichzeitiger Klarstellung des Schuldspruchs - in Rechtskraft.
Rz. 2
Das Landgericht hat nach erneuter Hauptverhandlung im Fall II.2 der Urteilsgründe mit Blick auf das vom Senat abgeänderte Konkurrenzverhältnis der Taten eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten festgesetzt und den Angeklagten wiederum zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
Rz. 3
1. Der Verurteilung liegen folgende rechtskräftige Feststellungen zugrunde:
Rz. 4
a) Im Februar 2020 verabredete der Angeklagte mit den gesondert verfolgten S. und F. sowie weiteren Tatgenossen den Betrieb einer Marihuanaplantage in Büllingen/Belgien, um das erwirtschaftete Marihuana zu verkaufen. Im August 2020 bestand Einigkeit, nunmehr den Plan umzusetzen und 300 Cannabispflanzen mit einem erwarteten Mindestertrag von 25 Gramm pro Pflanze und einem Wirkstoffgehalt von 10 % THC in einem zu diesem Zweck angemieteten Haus in mehreren Zyklen anzubauen. Unmittelbar vor der ersten Anbauphase wurde die Plantage durchsucht und umfangreiches Plantagenequipment sichergestellt (Fall II.1 der Urteilsgründe).
Rz. 5
b) Während die geplante Plantage in Büllingen/Belgien im Sommer 2020 brach lag und der Angeklagte bei anderen von der Bande betriebenen Plantagen Verluste erlitten hatte, investierte er in Absprache mit seinen Tatgenossen in den Aufbau und Betrieb einer Plantage in Euskirchen ohne partnerschaftliche Beteiligung 25.000 €. Im Gegenzug sollte er nach der ersten Ernte mit einem erwarteten Ertrag von mindestens 40 kg Marihuana 40.000 € zurückerhalten. An den beabsichtigten weiteren Ernten sollte er nicht partizipieren. Daneben war der Angeklagte in erheblichem Umfang auf dieser Plantage tätig. Er verhandelte mit dem Hauptmieter über die Zahlungsmodalitäten des Mietzinses, besorgte die Lebensmittel für das Plantagenpersonal und kaufte Equipment für die Plantage. Ferner nahm er größere Anlieferungen vor Ort in Empfang. Diese verbrachte er in die Plantagenräume. Bei der Durchsuchung des angemieteten Hallenkomplexes stellte die Polizei im Oktober 2020 in zwei Räumen 2.324 im Wachstum befindliche Marihuanapflanzen eines Anbauzyklusses mit einem Mindestertrag von 58,1 kg Marihuana und einem THC-Gehalt von 12,6 % sicher. In einem weiteren Raum befanden sich in einem mit passenden Leuchtmitteln ausgestatteten Aufzuchtzelt 2.024 in Düngeballen gesteckte Setzlinge, die dem zweiten Anbauvorgang dienten. Der Mindestertrag dieser Ernte hätte bei 50,6 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 12,6 % THC gelegen (Fall II.2 der Urteilsgründe).
Rz. 6
2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils führt zur Aufhebung des - rechtskräftigen - Schuldspruchs im Fall II.2 der Urteilsgründe.
Rz. 7
a) Der Angeklagte ist im Fall II.2 der Urteilsgründe aufgrund des eingangs genannten Senatsbeschlusses vom 11. Oktober 2022 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig. Am 1. April 2024 ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG) vom 27. März 2024 in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109). Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO auch dann zu berücksichtigen, wenn hinsichtlich des Schuldspruchs - wie hier - Teilrechtskraft eingetreten ist und die maßgebliche Strafdrohung während des Revisionsverfahrens gemildert worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2024 - 6 StR 117/24, Rn. 11; vom 10. Juli 2024 - 6 StR 283/24, Rn. 3 und vom 24. Juli 2024 - 6 StR 369/24, Rn. 10).
Rz. 8
b) Seit Geltung des Konsumcannabisgesetzes ist die Tat als bandenmäßiges Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG) in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG, § 27 Abs. 1 StGB) zu beurteilen. Bei Marihuana handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des Konsumcannabisgesetzes als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 KCanG). Die Tat bezog sich auf eine nicht geringe Menge, die auch für das Konsumcannabisgesetz bei einem Wirkstoffgehalt von 7,5 Gramm THC liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2024 - 2 StR 73/24, Rn. 5 mwN). Der Aufnahme des Zusatzes „in nicht geringer Menge“ in der Urteilsformel bedarf es nicht, da sich die bandenmäßige Begehungsweise im Konsumcannabisgesetz nur noch auf die nicht geringe Menge bezieht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2024 - 2 StR 522/23, Rn. 19).
Rz. 9
c) Ob das Tatzeitrecht nach dem Betäubungsmittelgesetz oder das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz für den Angeklagten milder und damit gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen ist, richtet sich nach dem konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2024 - 3 StR 201/24, Rn. 7 mwN). Das Ergebnis dieses Vergleichs hängt hier davon ab, ob die Tat nach dem Konsumcannabisgesetz als minder schwerer Fall des § 34 Abs. 4 KCanG zu werten ist (Strafrahmen Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) oder nicht (Regelstrafrahmen von zwei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe). Da die Strafkammer einen minder schweren Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG (Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe) zur Anwendung gebracht hat, wäre bei der erstgenannten Wertung das neue Konsumcannabisgesetz das für den Angeklagten mildere Recht und daher maßgeblich; andernfalls wäre das Tatzeitrecht - auch unter Berücksichtigung einer von der Strafkammer nicht erörterten und hier möglichen Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - günstiger und zur Anwendung zu bringen. Die Entscheidung, welcher Strafrahmen des § 34 Abs. 4 KCanG maßgeblich ist, obliegt als Strafzumessungsakt dem Tatgericht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2024 - 3 StR 201/24 aaO; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 354a Rn. 11).
Rz. 10
d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer entsprechenden Beurteilung einer Strafbarkeit nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG es beim Regelstrafrahmen belassen und die Annahme eines minder schweren Falles abgelehnt hätte. Denn es hat bei seiner Entscheidung unter anderem darauf abgestellt, dass es sich bei Marihuana um eine „weiche Droge“ handele. Diese Erwägung ist unter dem Konsumcannabisgesetz nicht mehr statthaft, weil die Strafbarkeit nach § 34 KCanG ausschließlich den Umgang mit Cannabis zum Gegenstand hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2024 - 6 StR 132/24, Rn. 5 und vom 16. Mai 2024 - 6 StR 116/24, Rn. 5). Eine Schuldspruchänderung durch den Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO scheidet daher aus. Die somit notwendige Aufhebung des Schuldspruchs zieht die des Einzelstrafausspruchs nach sich.
Rz. 11
3. Die Rechtskraft der Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe wird von der Einführung des Konsumcannabisgesetzes nicht berührt.
Rz. 12
a) Eine Überprüfung dieser Einzelstrafe ist dem Senat verwehrt. Art. 316p EGStGB i.V.m. Art. 313 Abs. 4 EGStGB, der vom Senat nach § 354a StPO im Revisionsverfahren zu beachten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2024 - 3 StR 147/24, Rn. 2 und vom 26. Juni 2024 - 3 StR 177/24, Rn. 12 mwN), setzt voraus, dass eine nicht vollstreckte rechtskräftige Strafe nach dem Betäubungsmittelgesetz in eine Gesamtfreiheitsstrafe vor dem 1. April 2024 eingeflossen ist und die entsprechende Tat nach dem Konsumcannabisgesetz nicht mehr strafbar und auch nicht mehr mit Geldbuße bedroht ist.
Rz. 13
Danach bleibt der Schuldspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe von der Einführung des Konsumcannabisgesetzes unberührt. Die ausgeurteilte Verabredung zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge wäre auch nach aktueller Rechtslage strafbewehrt. Denn das bandenmäßige Handeltreiben mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG ist weiterhin ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB), so dass die Verabredung hierzu nach § 30 Abs. 2 Var. 3 StGB weiterhin strafbar ist.
Rz. 14
b) Auch der Umstand, dass die gegen die Verurteilung geführte Revision sich auf die Gesamtstrafe erstreckt, eröffnet nicht den Anwendungsbereich des § 354a StPO, wenn neben dem Schuld- auch der Strafausspruch in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 2024 - 5 StR 68/24, Rn. 14; Beschluss vom 10. Juli 2024 - 1 StR 150/24, Rn. 3).
Rz. 15
4. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die (ergänzenden) Feststellungen sind von der Aufhebung nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO) und haben - ebenso wie die bereits durch den Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2022 aufrechterhaltenen Feststellungen - Bestand. Weitere Feststellungen sind möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Menges Meyberg Grube
Schmidt Zimmermann
Fundstellen
Dokument-Index HI16696531 |