Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung des Verfahrensbeistandes. Abrechnung nach Fallpauschalen. Keine Vergütung nach Zeitaufwand. Grundrecht der Berufsfreiheit
Leitsatz (amtlich)
a) Die Vergütung des Verfahrensbeistands ist in § 158 Abs. 7 FamFG abschließend dergestalt geregelt, dass seine Tätigkeit einschließlich sämtlicher Aufwendungen durch die in Satz 2 und Satz 3 vorgesehenen Fallpauschalen vollständig abgegolten wird.
b) Eine Abrechnung des Verfahrensbeistands nach Stundenaufwand ist auch nicht in Einzelfällen möglich, in denen die Abrechnung nach Fallpauschalen keine angemessene Vergütung für den tatsächlich geleisteten Aufwand darstellt.
c) Die durch § 158 Abs. 7 FamFG geregelte Abrechnung nach Fallpauschalen ist nicht mit Blick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG zu beanstanden.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1; FamFG § 158 Abs. 7
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Beschluss vom 06.11.2012; Aktenzeichen 2 WF 94/12) |
AG Hamburg-Barmbek (Entscheidung vom 29.06.2012; Aktenzeichen 892 F 7/10) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats des OLG Hamburg vom 6.11.2012 wird auf Kosten der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.
Verfahrenswert: 1.034 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
Die in einer Umgangsrechtssache zum Verfahrensbeistand bestellte Rechtsbeschwerdeführerin begehrt eine über die Pauschalvergütung des § 158 Abs. 7 FamFG hinausgehende Vergütung.
Rz. 2
Das FamG hat die Rechtsbeschwerdeführerin, eine Rechtsanwältin, in einem Umgangsverfahren zum Verfahrensbeistand des minderjährigen Kindes mit der Maßgabe bestellt, dass auch Bezugspersonen i.S.v. § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG in Gespräche mit einbezogen werden sollen.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerdeführerin hat noch während des erstinstanzlich anhängigen Umgangsverfahrens beantragt, die Vergütung für ihre bislang erbrachten Leistungen auf 1.583,96 EUR festzusetzen. Sie habe 39,73 Stunden aufgewendet, die mit 33,50 EUR je Stunde zzgl. Umsatzsteuer zu vergüten seien. Das AG hat ihr eine Vergütung von 550 EUR zuerkannt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat das OLG im Beschwerdeverfahren bestätigt. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerdeführerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Rz. 5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Fallpauschale sei aufgrund der umfangreichen Einzeltätigkeiten des Verfahrensbeistands im vorliegenden Verfahren zwar nicht auskömmlich. Die Vorschrift des § 158 Abs. 7 FamFG, die die Vergütung des Verfahrensbeistands abschließend regele, sehe jedoch eine Vergütung nach Zeitaufwand nicht vor. Ein Auslegungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestehe insoweit nicht. Dies sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber habe eine Mischkalkulation aus einfach und komplex gelagerten Fällen eröffnen wollen. Das Beschwerdegericht sehe aus seiner Praxis keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass die sich aus dieser Mischkalkulation ergebende Vergütung für den Verfahrensbeistand in der Summe nicht auskömmlich sein könnte. Dabei sei die Auslegung des § 158 Abs. 7 FamFG durch die Rechtsprechung zu berücksichtigen, die in verschiedenen Konstellationen dazu führe, dass trotz Synergieeffekten bei identischem Sach- und Streitstand die Pauschale mehrfach entstehe.
Rz. 6
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat zu Recht die von der Rechtsbeschwerdeführerin gewünschte Abrechnung nach konkretem Stundenaufwand abgelehnt und als Vergütung die Fallpauschale des § 158 Abs. 7 Satz 2 und 3 FamFG zuerkannt.
Rz. 7
a) Die Vergütung des Verfahrensbeistands ist in § 158 Abs. 7 FamFG abschließend dergestalt geregelt, dass seine Tätigkeit einschließlich sämtlicher Aufwendungen durch die in Satz 2 und Satz 3 vorgesehenen Pauschalen vollständig abgegolten wird. Eine Abrechnung des Verfahrensbeistands nach Stundenaufwand ist nicht möglich.
Rz. 8
b) Dies kann zwar in Einzelfällen dazu führen, dass die Abrechnung nach Fallpauschalen keine angemessene Vergütung für den tatsächlich geleisteten Aufwand darstellt. Das ist aber hinzunehmen.
Rz. 9
Der Gesetzgeber hat sich ganz bewusst gegen ein aufwandsbezogenes Vergütungssystem entschieden und die Abrechnung rein nach Fallpauschalen als vorzugswürdig angesehen, weil sie eine unaufwendige und unbürokratische Handhabung ermögliche. Sie erspare sowohl dem Verfahrensbeistand als auch der Justiz einen erheblichen Abrechnungs- und Kontrollaufwand und ermögliche es dem Verfahrensbeistand, sich auf seine eigentliche Tätigkeit, die Wahrnehmung der Kindesinteressen, zu konzentrieren. Außerdem bewirke sie eine wünschenswerte Annäherung der Vergütung von Verfahrensbeiständen an die gebührenorientierte Vergütung der Rechtsanwälte (vgl. BT-Drucks. 16/9733, 294).
Rz. 10
Es wäre mit dieser gesetzgeberischen Zielvorstellung unvereinbar, die Pauschalvergütung unter den Vorbehalt einer Billigkeitskontrolle im Einzelfall zu stellen. Dies würde die Verfahrensbeistände zu einer Einzelabrechnung veranlassen und für die Justiz zu einem erheblichen Kontrollaufwand führen.
Rz. 11
c) Die gesetzgeberische Entscheidung für die Abrechnung nach Fallpauschalen trifft auch nicht mit Blick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG auf Bedenken.
Rz. 12
aa) Zwar wäre eine Vergütungspraxis mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, die es dem Verfahrensbeistand nicht ermöglicht, die Interessen der von ihm vertretenen Kinder im Verfahren wahrzunehmen. Der Staat ist zu einer angemessenen Entschädigung privater Personen verpflichtet, die er für die Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Aufgaben in Anspruch nimmt. Eine Begrenzung der Vergütung ist verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1267, 1269 m.w.N.).
Rz. 13
bb) Dass die geltende Vergütung nach Fallpauschalen diesen Anforderungen nicht entspricht, wird aber weder von der Rechtsbeschwerde aufgezeigt noch ist dies anderweitig ersichtlich.
Rz. 14
(1) Der Gesetzgeber hat sich bei der Höhe der Fallpauschalen an den Gebührensätzen für einen in einer Kindschaftssache tätigen Rechtsanwalt unter Zugrundelegung des Regelstreitwerts von seinerzeit 3.000 EUR orientiert. Er wollte für berufsmäßig tätige Verfahrensbeistände eine Mischkalkulation aus einfach und komplex gelagerten Fällen eröffnen (vgl. BT-Drucks. 16/9733, 294).
Rz. 15
Vergütungspauschalen auf der Grundlage von Mischkalkulationen führen zwangsläufig dazu, dass die gesetzlich festgelegte Vergütung in einzelnen Fällen nicht leistungsäquivalent ist (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1642 Rz. 22; BVerfG FamRZ 2007, 622, 625). Diese Fälle werden durch solche ausgeglichen, bei denen die Pauschale den erbrachten Leistungs- und Aufwendungsumfang übersteigt.
Rz. 16
(2) Die Vergütungsregelung des § 158 Abs. 7 Satz 2 bis 4 FamFG ermöglicht eine für Verfahrensbeistände insgesamt auskömmliche Mischkalkulation.
Rz. 17
Die Pauschalen fallen für jeden Rechtszug gesondert (§ 158 Abs. 7 Satz 2 FamFG) und bei Vertretung mehrerer Kinder in einem Verfahren für jedes vom Verfahrensbeistand vertretene Kind an (BGH BGHZ 187, 40, 42 ff. = FamRZ 2010, 1893 Rz. 12 ff.; v. 15.9.2010 - XII ZB 268/10, FamRZ 2010, 1896 Rz. 13 ff.). Für die Tätigkeit im Eilverfahren und im Hauptsacheverfahren kann der Verfahrensbeistand ebenso jeweils eine Pauschale beanspruchen (BGH v. 17.11.2010 - XII ZB 478/10, FamRZ 2011, 199 Rz. 13 ff.) wie der für verschiedene Angelegenheiten bestellte Verfahrensbeistand, selbst wenn diese Angelegenheiten in einem Verfahren verhandelt werden (BGH v. 1.8.2012 - XII ZB 456/11, FamRZ 2012, 1630 Rz. 12).
Rz. 18
In all diesen Fällen sind die vom Beschwerdegericht angeführten Synergieeffekte naheliegend, schon weil der Aufwand für das Aktenstudium und für die Fertigung von Schriftsätzen oder auch die Zeit für die Wahrnehmung von Terminen nicht in vollem Umfang mehrfach anfallen. Hinzu kommt, dass der volle Vergütungsanspruch bereits in dem Moment entsteht, in dem der Verfahrensbeistand mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben begonnen hat, wofür genügt, dass er in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig geworden ist (BGH v. 19.1.2011 - XII ZB 400/10, FamRZ 2011, 558 Rz. 7 ff.). Dies kann auch bei einer Verfahrensbeendigung in einem frühen Stadium der Instanz und damit ohne erheblichen Arbeitsaufwand des Verfahrensbeistands der Fall sein.
Rz. 19
Es liegt mithin auf der Hand, dass § 158 Abs. 7 Satz 2 bis 4 FamFG in dieser Auslegung in einer namhaften Anzahl von Fällen eine Vergütung gewährt, die durch den tatsächlichen Aufwand des Verfahrensbeistands nicht geboten wäre.
Rz. 20
(3) Der von der Rechtsbeschwerde vermissten statistisch validen Darlegung, wie häufig die Vertretung mehrerer Kinder durch einen Verfahrensbeistand erfolge oder wie häufig ein Streit zwei Instanzen oder sowohl Eil- als auch Hauptsacheverfahren durchlaufe, bedarf es für diese rechtliche Würdigung nicht. Vielmehr ist insoweit der Befund ausreichend, dass die Konzeption einer Mischvergütung durch § 158 Abs. 7 FamFG in seiner durch die Rechtsprechung des Senats gefundenen Auslegung verwirklicht werden kann. Dies ergibt sich bereits aus den oben aufgeführten, in der Praxis regelmäßig anzutreffenden Konstellationen.
Rz. 21
(4) Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht mit Erfolg auf, dass § 158 Abs. 7 FamFG tatsächlich zu einer Vergütungsrealität führt, die für berufsmäßige Verfahrensbeistände nicht auskömmlich ist.
Rz. 22
Soweit sie sich hierzu auf eine von ihr vorgelegte rechtsgutachterliche Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit der Vergütungsregelung (vgl. zu dieser auch OLG Celle FamRZ 2010, 1182, 1183) und insb. auf die darin genannten durchschnittlichen Stundenzahlen für Verfahrensbeistandschaften beruft, kann das eine verfassungswidrige Vergütung nicht belegen. Zum einen werden dabei aus durch Umfragen ermittelten durchschnittlichen Vergütungsbeträgen für Verfahrenspfleger gem. § 50 FGG und dem in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG festgelegten Höchststundensatz Stundenzahlen ermittelt. Dies besagt aber nichts darüber, inwiefern es im Rahmen der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsprüfung auf diesen Höchststundensatz ankommen muss. Zum anderen bleibt offen, ob die vom Gesetzgeber vorgesehene Mischkalkulation unter Berücksichtigung der dargestellten Senatsrechtsprechung nicht letztlich durchschnittliche Vergütungen bewirkt, die über den in der rechtsgutachterlichen Stellungnahme genannten Werten liegen.
Rz. 23
Soweit die Rechtsbeschwerde ausführt, das gegenwärtige Vergütungssystem werde dazu führen, dass kein vernünftiger Akteur des Wirtschaftslebens mehr als Verfahrensbeistand aufzutreten bereit sein werde, stellt dies eine bloße, durch nichts belegte Behauptung dar. Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser These sind auch nicht anderweitig erkennbar.
Rz. 24
Schließlich weist die Rechtsbeschwerde zwar zutreffend darauf hin, dass der berufsmäßig tätige Verfahrensbeistand nicht selbst die von ihm zu übernehmenden Fälle auswählt, sondern an die Bestellung durch die Gerichte gebunden ist, und daher auch nicht selbst über die "Mischung" der Fälle bestimmen kann. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich bei einer mehrjährigen Tätigkeit als berufsmäßiger Verfahrensbeistand einfach und komplex gelagerte Fälle regelmäßig in einer Weise ausgleichen werden, die insgesamt eine auskömmliche Vergütung gewährleistet.
Rz. 25
(5) Auch im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass die gesetzgeberische Konzeption einer auskömmlichen Mischkalkulation ihr Ziel verfehlt.
Rz. 26
Zwar wurde nach Einführung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) von Teilen der Literatur bestritten, dass die Pauschalvergütung ausreichend sei, wenn der Verfahrensbeistand lediglich für ein Kind bestellt ist (vgl. die Nachweise im BGH v. 15.9.2010 - XII ZB 268/10, FamRZ 2010, 1181 Rz. 27). Dass dies aber auch unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung zur Auslegung von § 158 Abs. 7 Satz 2 bis 4 FamFG gelten soll, wird - soweit ersichtlich - in der Literatur nicht vertreten (sogar gegenteilig Prenzlow ZKJ 2013, 236 f.).
Rz. 27
3. Die weiter von der Rechtsbeschwerde erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Begründung wird gem. § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
Fundstellen
NJW 2013, 3724 |
NJW 2013, 8 |
EBE/BGH 2013, 363 |
FamRZ 2013, 1966 |
FamRZ 2014, 109 |
FuR 2014, 111 |
FGPrax 2013, 263 |
JurBüro 2014, 94 |
FPR 2013, 5 |
JZ 2013, 677 |
MDR 2014, 307 |
Rpfleger 2014, 81 |
AGS 2014, 11 |
FamFR 2013, 513 |
FamRB 2014, 6 |
RVGreport 2014, 40 |
ZKJ 2014, 21 |
FK 2014, 18 |