Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 19.06.2019; Aktenzeichen 30 Js 11/18 2 Ks 7/18) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 19. Juni 2019 wird
- das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Verstrickungsbruchs in Tateinheit mit Siegelbruch verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
- das vorbezeichnete Urteil im Schuld- und Strafausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen besonders schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung und wegen Verstrickungsbruchs in Tateinheit mit Siegelbruch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision führt zur Teileinstellung des Verfahrens; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts aus prozessökonomischen Gründen gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Verstrickungsbruchs in Tateinheit mit Siegelbruch gemäß § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB verurteilt worden ist.
Rz. 3
Hinsichtlich der Verurteilung wegen Verstrickungsbruchs bestehen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Pfändung und Verstrickung des vom Angeklagten an sich genommenen Geldes, das sich in den Spielautomaten in der Spielothek des Angeklagten befand. Unabhängig davon, dass sich die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen allenfalls dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lassen, ist zweifelhaft, ob der Mitarbeiter der Stadtkasse G. das Geld durch Anbringen von amtlichen Siegeln an den Kassenöffnungen der Spielautomaten nach § 28 Abs. 2 VwVG NRW in Besitz nahm. Nach den Feststellungen waren die Spielautomaten weiterhin bespielbar, was auch im Interesse der Stadtkasse lag, so dass das darin befindliche Geld jederzeit berechtigterweise ganz oder teilweise als Gewinn an Dritte ausgeschüttet werden konnte. Dieser Umstand steht dem Erlangen einer tatsächlichen Sachherrschaft im Regelfall entgegen, was zur Unwirksamkeit der Pfändung und Verstrickung führt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 15. Juli 1958 – III B 293/58, NJW 1958, 1460; Würdinger in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 808 Rn. 31; Schmidt, MDR 1972, 374, 379; Grund, DGVZ 1958, 167; Förg/Walter, Praxis der Kommunalverwaltung, Kapitel 14.7 Pfändung des Geldinhalts bei Spielgeräten; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozessrechts, 9. Aufl., § 191 Ziffer I. 1. a.).
Rz. 4
2. Im Übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB i.V.m. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist nicht zu beanstanden.
Rz. 5
a) Der Angeklagte hat das teils gewerblich und teils zu Wohnzwecken genutzte Gebäude durch die Brandlegung teilweise zerstört (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Rz. 6
aa) Die Taterfolgsvariante des teilweisen Zerstörens liegt bei einem gemischt genutzten Gebäude vor, wenn ein zum selbstständigen Gebrauch bestimmter, dem Wohnen dienender Teil des Gebäudes nach den allgemeinen an die teilweise Zerstörung zu stellenden Anforderungen durch die Brandlegung zum Wohnen unbrauchbar geworden ist (vgl. BGH, Urteile vom 12. September 2002 – 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14; vom 5. April 2018 – 3 StR 13/18 Rn. 18, NJW 2019, 90; Beschluss vom 6. März 2013 – 1 StR 578/12, NStZ 2014, 647; Urteil vom 5. September 2017 – 5 StR 222/17 Rn. 12, NJW 2018, 246; jeweils mwN). Sie ist auch dann gegeben, wenn die Unbrauchbarkeit zu Wohnzwecken mittelbar auf die Brandlegung zurückzuführen ist, etwa auf eine erhebliche Verrußung (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 2018 – 3 StR 13/18 Rn. 19, NJW 2019, 90; Beschluss vom 6. März 2013 – 1 StR 578/12 Rn. 12, NStZ 2014, 647; Urteil vom 5. September 2017 – 5 StR 222/17, NJW 2018, 246; jeweils mwN). Für die Unbrauchbarkeit genügt grundsätzlich die Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit für eine nicht nur unerhebliche Zeit (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2002 – 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14).
Rz. 7
bb) Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Nach den Feststellungen entstand durch die Brandlegung im gewerblich genutzten Erdgeschoss eine erhebliche Rauchentwicklung. Der Rauch zog u.a. durch das Treppenhaus in das Obergeschoss, in dem sich eine vermietete und eine mietfrei überlassene Wohnung befanden. Durch den Rauch wurden die Wände beider Wohnungen stark verrußt. Die Bewohner konnten nicht mehr in ihre Wohnräume zurückkehren. Diese Räume waren wegen der starken Verschmutzungen renovierungsbedürftig. Sie konnten daher für eine nicht nur unerhebliche Zeit nicht mehr ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch dienen.
Rz. 8
b) Die Feststellungen ergeben ferner, dass der Angeklagte bei der Brandlegung in der Absicht handelte, betrügerisch unberechtigte Versicherungsleistungen zu erlangen (§ 306b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB). Danach war er insbesondere Repräsentant im versicherungsrechtlichen Sinne, so dass sich sein Sohn, der als Versicherungsnehmer das Gebäude gegen Feuer versichert hatte und nicht selbst in die Tatbegehung involviert war, die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Angeklagten nach § 81 Abs. 1 VVG zurechnen lassen musste.
Rz. 9
aa) Repräsentant im versicherungsrechtlichen Sinne ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist und die Risikoverwaltung übernommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1993 – IV ZR 34/92, BGHZ 122, 250, 253; Beschlüsse vom 15. März 2007 – 3 StR 454/06, BGHSt 51, 236, 238 f.; vom 5. Juli 2016 – 4 StR 512/15, NStZ 2017, 290, 291; Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 28 Rn. 99). Hierzu zählt der faktische Inhaber eines Betriebs, der nur formal die Unternehmensführung einem Dritten übertragen hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1991 – IV ZR 169/90, NJW-RR 1991, 1307; Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 28 Rn. 121).
Rz. 10
bb) Gemessen daran war der Angeklagte Repräsentant im versicherungsrechtlichen Sinn. Nach den Feststellungen erfolgte die Einsetzung des Sohnes als Geschäftsführer der Spielothek nur „auf dem Papier”. Der Angeklagte führte die Geschäfte alleine und war hierfür regelmäßig wöchentlich mehrmals vor Ort. Er traf alle wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen, war über alle Vorgänge informiert und entschied über die Verwendung der Einnahmen. Er war auch Mieter der Räumlichkeiten. Gegenüber der Feuerversicherung trat er als maßgeblicher Verhandlungspartner auf und kümmerte sich kurz vor der Tat um die Bezahlung einer rückständigen Versicherungsprämie, damit der Versicherungsschutz nicht entfiel. Nach der Tat meldete er den Brand der Versicherung und nahm an einem Ortstermin zur Schadensbesichtigung teil. Damit hatte er als faktischer Inhaber der Spielothek die Risikoverwaltung des versicherten Gebäudes übernommen.
Rz. 11
3. Mit der Einstellung des Verfahrens wegen Verstrickungsbruchs in Tateinheit mit Siegelbruch entfällt die insoweit verhängte Einzelstrafe von sechs Monaten sowie die Gesamtstrafe. Die wegen der verbleibenden besonders schweren Brandstiftung verhängte Einzelstrafe von sieben Jahren kann bestehen bleiben. Der Senat schließt auch aus, dass die Höhe dieser Strafe von der nach der Einstellung entfallenen Einzelstrafe beeinflusst ist. Es verbleibt mithin bei der für die besonders schwere Brandstiftung verhängten Strafe als nunmehr einziger Strafe.
Unterschriften
Sost-Scheible, Bender, Rommel, Lutz, Maatsch
Fundstellen
Haufe-Index 14255122 |
NJW 2021, 2449 |
NStZ 2021, 171 |
StV 2021, 500 |