Verfahrensgang
LG Mannheim (Urteil vom 08.10.2013) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 8. Oktober 2013
mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
aa) in den Fällen B. III. 2, 8, 14, 15 und 19 der Urteilsgründe,
bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
in den Fällen B. III. 1, 3, 4, 6, 7, 9-13, 17, 18 und 20 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte schuldig ist
- der gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck in drei Fällen,
- des gewerbsmäßigen Zuwiderhandelns gegen das Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, in acht Fällen,
- des jeweils tateinheitlichen gewerbsmäßigen Zuwiderhandelns gegen das Verkaufs-, Liefer-, Ausfuhr- und Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient,
- des versuchten gewerbsmäßigen Zuwiderhandelns gegen das Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) in 18 Fällen, davon in 2 Fällen versucht” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und gegen ihn den Verfall von Wertersatz in Höhe von 123.000 EUR angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der Angeklagte Ende des Jahres 2009 den Einkaufsleiter der iranischen Firma H. kennen. Dieser trat mit dem Ansinnen an ihn heran, formell über die H. … hochwertige Messgeräte für die Luftfahrtindustrie-Gruppe S. zu liefern. Dem Angeklagten war bekannt, dass hinter der letztgenannten Gesellschaft die I. E. stand, die für das iranische Ministerium für Verteidigung und Logistik agierte. Weiter wusste er, dass es sich bei den nachgefragten Gütern überwiegend um solche handelte, die aufgrund ihres potentiell auch militärischen Verwendungszweckes der Exportkontrolle unterlagen, wobei die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung angesichts der vorgesehenen Endkundin ausgeschlossen war. In der Folgezeit sagte der Angeklagte seine Kooperation zu. In Umsetzung dieses Entschlusses erwarb er bis zu seiner Festnahme im November 2012 von unterschiedlichen Firmen diverse Güter insbesondere der Satelliten- und Nachrichtentechnik, die er über die IM. GmbH, deren geschäftsführender Alleingesellschafter er war, pro forma entweder an die INGENIEUR-GESELLSCHAFT P. mbH (P.) oder die SI. (Si.) verkaufte. Die P. hatte ihren Geschäftssitz in Teheran/Iran; der Angeklagte hielt 97% der Anteile und fungierte als Generaldirektor sowie Mitglied des Vorstandes. An der Si., die ihren Geschäftssitz in Istanbul/Türkei hatte, hielt der Angeklagte 50% der Geschäftsanteile. In den Fällen B. III. 1-4, 6-15, 17-19 der Urteilsgründe trat im weiteren Verlauf die P. als Verkäuferin gegenüber iranischen Firmen bzw. Organisationen auf. Der Angeklagte brachte die jeweiligen Güter auf dem Luftwege entweder in seinem Reisegepäck in die Islamische Republik Iran oder begleitete deren Transport per Luftfracht. Anschließend hinterlegte er sie beim Zollamt der Islamischen Republik Iran am Flughafen Khomeini Teheran für die jeweilige Endkundin. Er beabsichtigte, sich hierdurch eine dauerhafte Einnahmequelle von einiger Dauer und Erheblichkeit zu verschaffen. Die dem Angeklagten jeweils bekannten Endempfänger der Güter waren entweder die I. C., ein Tochterunternehmen der I. E., oder die I. S., eine unselbständige Abteilung der I. E.. In den Fällen B. III. 1-4, 6-15, 17 und 18 der Urteilsgründe zahlten die Endempfängerinnen den jeweils vereinbarten Kaufpreis auf ein Bankkonto der P.. Von dort veranlasste der Angeklagte entweder die Überweisung auf Firmenkonten der IM. GmbH oder hob die Beträge in Rial ab, tauschte sie auf dem Schwarzmarkt in Euro und brachte sie sodann in bar in die Bundesrepublik Deutschland.
Rz. 3
Soweit für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung hat das Landgericht folgende weitere Einzelheiten zu den Handlungen des Angeklagten festgestellt:
Rz. 4
Fall B. III. 2 der Urteilsgründe:
Rz. 5
Am 28. April 2010 transportierte der Angeklagte in seinem Reisegepäck einen PSG Analog-Signal-Generator, Frequenzbereich von 250 kHz bis 67 GHz einschließlich Zubehör. Bei dem PSG Analog-Signal-Generator handelt es sich um einen universell einsetzbaren Hochfrequenz-Messsender. Neben dem Einsatz in kommerziellen Bereichen ist ein solcher auch bei der Entwicklung und Wartung von militärischen Gütern möglich. Hiermit reiste er über den Flughafen Frankfurt/Main nach Teheran/Iran, wo er die Ware ablieferte. Eine Ausfuhrgenehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle lag nicht vor.
Rz. 6
Fälle B. III. 8, 14 und 15 der Urteilsgründe:
Rz. 7
Am 21. April, 8. Oktober und 10. Dezember 2011 führte der Angeklagte jeweils ohne Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle insgesamt 1.215 weltraumgeeignete Solarzellen des Typs 3G28A mit einem Wirkungsgrad von ca. 28%, bestehend aus dem Verbindungshalbleiter Galliumsenid, nach Teheran/Iran aus. Den Lieferungen lag ein Gesamtauftrag über 2.000 Solarzellen zugrunde, den der Angeklagte in drei Teilaufträge gesplittet hatte. Endempfängerin der Solarzellen war die I. S..
Rz. 8
Fall B. III. 19 der Urteilsgründe:
Rz. 9
Am 26. Oktober 2012 führte der Angeklagte in seinem Reisegepäck zwei der Stabilisierung von Satelliten dienende Flight Model RWT-065 Reaktionsräder (FM 5 und 6) mit sich, „um sie über Istanbul/Türkei in den Iran auszuführen.” Endempfängerin der Ware sollte die I. S. sein. Die Reaktionsräder wurden bei einer Kontrolle des aufgegebenen Reisegepäcks am Frankfurter Flughafen sichergestellt.
Rz. 10
I. Die Verfahrensrüge ist aus den Gründen, die der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt hat, jedenfalls unbegründet.
Rz. 11
II. Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die von dem Angeklagten erhobene Sachrüge führt zur Aufhebung des Urteils in den Fällen B. III. 2, 8, 14, 15 und 19 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch und zur Änderung bzw. Neufassung des Schuldspruchs in den übrigen Fällen (B. III. 1, 3, 4, 6, 7, 9-13, 17, 18 und 20 der Urteilsgründe); im Übrigen hat sie keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Im Einzelnen:
Rz. 12
1. Zu den Fällen B. III. 2, 8, 14 und 15 der Urteilsgründe:
Rz. 13
In den Fällen B. III. 2, 8, 14 und 15 der Urteilsgründe genügen die Feststellungen nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO, wonach die für erwiesen erachteten Tatsachen anzugeben sind, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Hierzu hat der Tatrichter die Urteilsgründe so abzufassen, dass sie erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen können (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2005 – 3 StR 473/04, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 13).
Rz. 14
a) Im Fall B. III. 2 der Urteilsgründe hat das Landgericht angenommen, der Angeklagte habe entgegen Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 428/2009 (Dual-Use-Verordnung) ohne die erforderliche Genehmigung Güter mit doppeltem Verwendungszweck ausgeführt, die in Anhang I dieser Verordnung aufgeführt seien, und sich hierdurch (unter Beachtung des § 2 Abs. 3 StGB) gemäß § 18 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 2 AWG nF strafbar gemacht. Den in Fall B. III. 2 der Urteilsgründe betroffenen Analog-Signal-Generator hat das Landgericht der Listenposition 3A002d des Anhangs I der Dual-Use-Verordnung zugewiesen. Diese erfasst mit Frequenzsynthese arbeitende Signalgeneratoren, die Ausgangsfrequenzen erzeugen, deren Genauigkeit sowie Kurz- und Langzeitstabilität vom geräteeigenen Hauptreferenzoszillator gesteuert, abgeleitet oder geregelt werden, soweit sie die im Weiteren in den Unternummern 1-4 der Listenposition beschriebenen Eigenschaften aufweisen. Dass der gegenständliche PSG Analog-Signal-Generator diese Voraussetzungen erfüllt, lässt sich den schriftlichen Urteilsgründen nicht entnehmen. Dort wird lediglich mitgeteilt, es handele sich um einen universell einsetzbaren Hochfrequenz-Messsender, dessen Frequenzbereich von 250 kHz bis 67 GHz liege; auch eine Einordnung unter die einzelnen Untergruppen der Pos. 3A002d hat die Strafkammer unterlassen.
Rz. 15
b) aa) In den Fällen B. III. 8, 14, und 15 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen den Schuldspruch ebenfalls nicht. Das Landgericht ist davon ausgegangen, der Angeklagte habe sich in diesen Fällen nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 7 Nr. 2 AWG nF strafbar gemacht, weil er entgegen Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 961/2010 (Iran-Embargo-VO) i.V.m. Anhang I Iran-Embargo-VO und Anhang I Dual-Use-VO gelistete Güter mit doppeltem Verwendungszweck in den Iran ausgeführt habe. Die in diesen Fällen von dem Angeklagten ausgeführten Solarzellen hat die Strafkammer der Listenposition 3A001e Nr. 4 des Anhangs I der Dual-Use-Verordnung zugeordnet. Hierunter fallen aber nur weltraumgeeignete Solarzellen mit einem minimalen mittleren Wirkungsgrad größer 20% gemessen bei einer Betriebstemperatur von 301 K (28 °C) und einer simulierten ‚AM0’-Beleuchtung mit einer Strahlungsleistung von 1,367 Watt pro Quadratmeter. Zu diesen Merkmalen verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
Rz. 16
bb) Die Teilaufhebung des Urteils in diesen Fällen umfasst auch die in Tateinheit stehenden, für sich betrachtet rechtsfehlerfrei festgestellten Delikte des gewerbsmäßigen Zuwiderhandelns gegen das Bereitstellungsverbot des Art. 16 Abs. 3, Anhang VIII B Nr. 20 Iran-Embargo-VO i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 7 Nr. 2 AWG nF (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12).
Rz. 17
cc) Für den Fall, dass sich in der neuen Hauptverhandlung die Voraussetzungen der Listenposition 3A001e Ziff. 4 des Anhangs I der Dual-Use-Verordnung nachweisen lassen, gilt Folgendes:
Rz. 18
(1) Der Angeklagte hat nicht nur gegen das in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Iran-Embargo-VO enthaltene Ausfuhrverbot verstoßen, sondern auch gegen das hieraus folgende Verkaufsverbot. In Verbindung mit § 34 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 6 AWG aF bzw. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 7 Nr. 2 AWG nF verlagert das Verkaufsverbot die Strafbarkeit vor und knüpft – anders als etwa die Variante des Bereitstellens – nicht an einen Realakt an; sanktioniert wird bereits der Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages (MüKoStGB/Wagner, AWG, § 34 Rn. 119; Morweiser in Wolffgang/Simonsen, AWR, 40. Erg.Lfg., Außenwirtschaftsgesetz 2013 vor §§ 17, 18 Rn. 96, sowie 32. Erg.Lfg., Außenwirtschaftsgesetz § 34 Abs. 4 Rn. 77). Da die Güter tatsächlich an die I.E. gelangten und diese den vereinbarten Kaufpreis entrichtete, sind die einzelnen Verkaufsgeschäfte vollzogen worden. Die Abgrenzung des unerlaubten Verkaufs von Gütern zu straflosen Vertragsverhandlungen (vgl. Morweiser in Wolffgang/Simonsen aaO) kann daher dahinstehen.
Rz. 19
Zudem hat der Angeklagte dem aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Iran-Embargo-VO folgenden Lieferverbot zuwider gehandelt, indem er die Waren in die Islamische Republik transferierte und der I. E. zukommen ließ. Das Tatbestandsmerkmal des Lieferns ist weit auszulegen und umfasst jede Form der Zurverfügungstellung (Morweiser in Wolffgang/ Simonsen, AWR, 40. Erg.Lfg., Außenwirtschaftsgesetz 2013 § 18 Rn. 26, sowie 32. Erg.Lfg., Außenwirtschaftsgesetz § 34 Abs. 4 Rn. 78), wobei Voraussetzung der Tatvollendung ist, dass die Ware entweder die vom Embargo erfasste Person – unmittelbar oder mittelbar – oder zumindest diejenige Person oder Organisation erreicht, welche die Ware im Iran zu verwenden beabsichtigt (vgl. MüKoStGB/Wagner aaO, Rn. 120). Ob es bereits zur Tatvollendung ausreichen kann, dass die Ware im Embargo-Land ankommt (so MüKoStGB/Wagner aaO), kann vorliegend offen bleiben, da die iranischen Empfänger die Güter erhielten. Soweit in der Literatur vertreten wird, unter das Merkmal des Lieferns seien nur solche Transportaktivitäten zu fassen, die sich nicht als Ausfuhr darstellen (MüKoStGB/Wagner aaO) bzw. die Ausfuhr als Spezialfall des Lieferns gewertet wird (Morweiser in Wolffgang/Simonsen, AWR, 32. Erg.Lfg., § 34 Abs. 4 Rn. 78), ist dem nicht zu folgen. Ausfuhr- und Lieferverbot unterscheiden sich nicht nur aufgrund der Lieferwege, über die der Täter das Gut transferiert. Sanktionsgrund des Ausfuhrverbotes ist das rechtswidrige Umgehen der Exportkontrolle. Die Ausfuhr ist daher bereits vollendet, sobald die Ware die Wirtschaftsgrenze der EU überschreitet (Morweiser in Wolffgang/Simonsen, AWR, 40. Erg.Lfg., Außenwirtschaftsgesetz 2013 vor §§ 17, 18 Rn. 79; MüKoStGB/ Wagner aaO, Rn. 115), unabhängig von dem weiteren Schicksal der Lieferung. Für das Unrecht des Verstoßes gegen das Lieferverbot ist demgegenüber der Liefererfolg maßgebend.
Rz. 20
(2) Die Verstöße gegen das Verkaufs-, Liefer-, Ausfuhr- und Bereitstellungsverbot stehen in Tateinheit zueinander. Im Einzelnen:
Rz. 21
(a) Der Verstoß gegen das aus Art. 16 Abs. 3 Iran-Embargo-VO folgende Bereitstellungsverbot steht in Tateinheit zu den Verstößen gegen die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Iran-Embargo-VO enthaltenen Verbote, da sich in den Verboten unterschiedliche Unrechtsgehalte widerspiegeln. Das Bereitstellungsverbot ist personenbezogen und knüpft an die Listung des jeweiligen Empfängers an. Demgegenüber orientieren sich die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Iran-Embargo-VO aufgeführten Verbote an der potenziellen Gefährlichkeit der jeweiligen Güter (vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. Januar 2013 – StB 10/12 u.a., juris Rn. 34, zum konkurrenzrechtlichen Verhältnis zwischen dem personenbezogenen Bereitstellungs- und dem sachbezogenen Vermittlungsverbot).
Rz. 22
(b) Auch die einzelnen aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Iran-Embargo-VO folgenden sachbezogenen Verbote (Verkaufs-, Liefer- und Ausfuhrverbot) stehen im Verhältnis der Idealkonkurrenz zueinander. Schon die Klarstellungsfunktion des § 52 Abs. 1 StGB spricht dafür, den Verstoß gegen das Verkaufsverbot als in Idealkonkurrenz zu dem Ausfuhrdelikt stehend in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 – 3 StR 314/13, NJW 2014, 3047, 3048; MüKoStGB/von Heintschel-Heinegg, 2. Aufl., vor §§ 52 ff. Rn. 26 f.). Es ist auch ansonsten kein Grund dafür ersichtlich, von Gesetzeskonkurrenz auszugehen. Weder besteht außenwirtschaftsrechtlich ein allgemeiner Vorrang der Ausfuhrdelikte noch liegt in dem vorangegangenen Verkauf ein Fall der mitbestraften Vortat zu der nachfolgenden Ausfuhr (BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 – 3 StR 314/13, NJW 2014, 3047, 3048 mwN). Entsprechendes gilt für das Verhältnis von Verkaufs- und Lieferverbot. Da Letzteres auch nicht in dem Ausfuhrverbot enthalten ist, beide Tatbestände hinsichtlich ihrer Tatvollendung vielmehr an voneinander unabhängige Handlungserfolge anknüpfen, ist auch der in dem Verstoß gegen das Lieferverbot liegende Unrechtsgehalt im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen.
Rz. 23
(c) Die Urteilsgründe legen nahe, dass sich der Angeklagte mit seiner Kundin, der I. E., bereits im Rahmen des von der Strafkammer festgestellten „Gesamtauftrages” über die wesentlichen Vertragsbestandteile (vgl. Morweiser in Wolffgang/Simonsen, AWR, 40. Erg.Lfg., Außenwirtschaftsgesetz 2013 vor §§ 17, 18 Rn. 96, sowie 32. Erg.Lfg., § 34 Abs. 4 Rn. 77) geeinigt hatte, so dass der Verstoß gegen das Verkaufsverbot bereits zu diesem Zeitpunkt vollendet war und die den Fällen B. III. 8, 14 und 15 zugrunde liegenden Einzelakte Ausfluss desselben Verkaufsgeschäfts waren. Damit wären die diesen Delikten zugrunde liegenden Handlungen insgesamt zu einer einzigen Tat verbunden.
Rz. 24
2. Zu Fall B. III. 19 der Urteilsgründe:
Rz. 25
Im Fall B. III. 19 der Urteilsgründe hält der Schuldspruch wegen versuchten gewerbsmäßigen Zuwiderhandelns gegen ein Bereitstellungsverbot gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 7 Nr. 2 AWG nF i.V.m. Art. 23 Abs. 3, Anhang IX B Nr. 20 Verordnung (EU) Nr. 267/2012 (Iran-Embargo-VO) rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die Tat auf Grundlage der getroffenen Feststellungen noch nicht in das Versuchsstadium eingetreten war.
Rz. 26
Das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in einem Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur – vollständigen – Tatbestandserfüllung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet. Dabei muss das, was er zur Verwirklichung seines Vorhabens unternimmt, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden (BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296; Beschluss vom 12. Januar 2011 – 1 StR 540/10, NStZ 2011, 400, 401; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. März 2014 – 3 StR 424/13, NStZ 2014, 447, 448).
Rz. 27
Das Bereitstellungsverbot des Art. 23 Abs. 3 Iran-Embargo-VO bezieht sich auf den tatsächlichen Vorgang des Zur-Verfügung-Stellens, der dazu führt, dass der gelisteten Person oder Einrichtung ein wirtschaftlicher Vorteil zu Gute kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2010 – AK 2/10, BGHSt 55, 94, 101 mwN zum wortgleichen Art. 7 Abs. 3 Verordnung [EG] Nr. 423/2007). Da Anknüpfungspunkt der Realakt, also der materielle Transfer des Gutes, und es das Ziel des Bereitstellungsverbots ist, den gelisteten Personen oder Einrichtungen in tatsächlicher Hinsicht die materiellen Grundlagen ihrer Tätigkeit vorzuenthalten, hätte der Angeklagte zu einer Tathandlung im Sinne des Art. 23 Abs. 3 Iran-Embargo-VO nach seinem Tatplan frühestens dann unmittelbar angesetzt, wenn er die Reaktionsräder – ohne dass weitere wesentliche Zwischenschritte erforderlich gewesen wären – auf den Weg zum gelisteten Empfänger gebracht oder für diesen zur unmittelbaren Abholung bereit gestellt hätte. Dies belegen die Feststellungen, nach denen der Angeklagte die Waren über die Türkei in den Iran ausführen wollte, jedoch nicht. Es bleibt vielmehr offen, ob bzw. welcher weiteren Zwischenschritte es nach den Vorstellungen des Angeklagten noch bedurfte, um die Reaktionsräder von der Türkei in den Iran oder zu dem Empfänger zu bringen.
Rz. 28
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen B. III. 2, 8, 14, 15 und 19 der Urteilsgründe entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage und hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge.
Rz. 29
4. Zur Änderung und Neufassung des Schuldspruchs im Übrigen:
Rz. 30
In den übrigen Fällen (Fälle B. III. 1, 3, 4, 6, 7, 9, 10, 11, 12, 13, 17, 18 und 20 der Urteilsgründe) hat die auf die Revision veranlasste Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch waren die Schuldsprüche in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2011 – 3 StR 244/11, NStZ-RR 2012, 76; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 354 Rn. 12) zu ändern bzw. neu zu fassen. Im Einzelnen:
Rz. 31
a) Im Fall 13 der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte tateinheitlich zu den bereits vom Landgericht ausgeurteilten Verstößen gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 7 Nr. 2 AWG nF i.V.m. Art. 16 Abs. 3, Anhang VIII B Nr. 20 Iran-Embargo-VO Nr. 961/2010 (Bereitstellungsverbot) und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Iran-Embargo-VO i.V.m. Position 9A010c Anhang I Dual-Use-VO (Ausfuhrverbot) auch im Hinblick auf das in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Iran-Embargo-VO enthaltene Verkaufsverbot sowie das dort statuierte Lieferverbot strafbar gemacht, indem er die in Anhang I Dual-Use-VO gelisteten Magnetic-Torquer und Magnetometer an die I. S. veräußerte und an diese in den Iran transferierte. Die unter II. 1. b) cc) (2) zu den Fällen 8, 14 und 15 der Urteilsgründe in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen gelten entsprechend. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegenüber dem geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 32
b) Im Fall 4 der Urteilsgründe hat der Angeklagte neben dem Verstoß gegen § 18 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 2 AWG nF auch gegen das in Art. 7 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 423/2007 (1. Iran-Embargo-VO) enthaltene Bereitstellungsverbot verstoßen, weil die Empfängerin im Tatzeitpunkt bereits gelistet war, und damit auch den objektiven Tatbestand des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AWG nF verwirklicht. Da das Urteil aber keine Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten und der Frage einer etwaigen Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2012 – 3 StR 295/12, wistra 2013, 153; aA Diemer in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 197. Erg.Lfg., AWG § 34 Rn. 37) enthält, kommt eine Schuldspruchänderung durch den Senat insoweit nicht in Betracht. Eine (Teil)Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur weiteren Aufklärung scheidet aus, da die unterbliebene Ausurteilung des Verstoßes gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AWG nF den Angeklagten nicht beschwert.
Rz. 33
c) Die vom Landgericht im Urteilstenor verwendete Formel „wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz” reicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat (§ 260 Abs. 4 Satz 1 StPO) nicht aus (vgl. zum WaffG: BGH, Beschluss vom 17. Oktober 1989 – 4 StR 513/89, BGHR WaffG § 53 Abs. 1 Nr. 3a Führen 1; zum BtMG: BGH, Beschluss vom 12. Januar 1984 – 4 StR 765/83, juris Rn. 3; KK-Ott, StPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 29 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 260 Rn. 23 mwN). Aus Klarstellungsgründen hat der Senat die Schuldsprüche daher insgesamt neu gefasst. Die Kennzeichnung der Taten hatte sich dabei an den Tatbeständen des § 18 AWG nF zu orientieren, da – worauf auch das Landgericht zu Recht abgestellt hat – sich das Außenwirtschaftsgesetz in der Fassung vom 6. Juni 2013 angesichts des aus § 18 Abs. 7 AWG nF folgenden, gegenüber § 34 Abs. 6 AWG aF günstigeren Strafrahmens gemäß § 2 Abs. 3 StGB als das mildere Gesetz darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 – 3 StR 314/13, NJW 2014, 3047, 3048).
Unterschriften
Becker, Hubert, Schäfer, Mayer, Spaniol
Fundstellen
Haufe-Index 7618468 |
AW-Prax 2016, 171 |