Neue EU-Sanktionen gegen Russland
Hintergrund
Die EU hat vor dem Hintergrund der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und dessen fortdauernder Handlungen, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, sowie der Handlungen von Russland zuzurechnenden Personen oder Organisationen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, bereits seit März 2014 sukzessive Sanktionen gegen Russland erlassen bzw. verlängert. Als Reaktion auf die fortgesetzten Angriffe Russlands bzw. der russischen Streitkräfte in der Ukraine hat die EU – abgestimmt mit den USA, Großbritannien, Kanada und weiteren Partnerländern – seit dem 23.2.2022 in mehreren Schritten Wirtschafts- und Finanz-Sanktionen gegen Russland beschlossen. Diese neuen Sanktionen ergänzen und erweitern die seit 2014 bestehenden EU-Sanktionen.
Was gibt es für Sanktionen?
Der Begriff der Sanktionen lässt sich in vier Kategorien einteilen:
- Personenbezogene Sanktionen,
- Finanzsanktionen,
- güterbezogene Sanktionen und
- gebietsbezogene Sanktionen (Gebiete Donezk, Lugansk und Belarus).
Bei den Sanktionen gegen Russland und Belarus sind alle vier Kategorien von Sanktionen vertreten.
Da die russische Industrie auf westliche Technologie angewiesen ist, haben die EU-Staaten und ihre Partner deren Export nach Russland in weiten Teilen verboten (sog. güterbezogene Sanktionen). Unter das Exportverbot fallen z.B.
- Mikrochips und
- maritime Navigationstechnologie,
- bestimmte Software,
- Ausrüstung für den Öl- und Gassektor oder Luftfahrttechnik, inkl. Flugzeuge.
Darüber hinaus gilt aber auch ein Exportverbot für alle Dual-use-Güter – also Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden könnten. Ziel ist es, dass Russland damit keine Märkte für den Einkauf der betroffenen Produkte zur Verfügung stehen, vgl. Auswärtiges Amt.
Ein weiteres Mittel ist das sog. Bereitstellungsverbot, wonach den in Anhang I zu VO (EU) Nr. 269/2014 aufgeführten natürlichen Personen oder mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen, vgl. Art. 2 Abs. 2 VO (EU) Nr. 269/2014.
Außerdem wurden Finanzsanktionen z.B. gegen bestimmte russische Banken Vermögenseinfrierungen bzw. Transaktionsverbote verhängt und sie wurden vom internationalen Zahlungsverkehrssystem SWIFT ausgeschlossen.
Die Sanktionen treffen aber auch Einzelpersonen in Form von sog. Listungen.
Dabei haben Listungen grundsätzlich
- Einreisesperren,
- Einfriergebot und
- ein umfassendes Bereitstellungsverbot
zur Folge (sog. Personenbezogene Sanktionen).
Außerdem kommt für die Regionen Donezk und Luhansk ein umfassendes Handelsembargo (gebietsbezogene Sanktionen) hinzu.
Viertes Sanktionspaket seit 15.3.2022
Zuletzt hat die EU am 15.3.2022 ein viertes Sanktionspaket mit Sanktionen gegen bestimmte Wirtschaftssektoren und Personen beschlossen. Rechtsgrundlage ist die Verordnung (EU) 2022/428 des Rates vom 15. März 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren. Die neuen Maßnahmen umfassen insbesondere ein Verbot
- aller Transaktionen mit bestimmten staatseigenen Unternehmen
- der Erbringung von Ratingdiensten für russische Personen oder Organisationen
- neuer Investitionen in den russischen Energiesektor
- der Ausfuhr von Luxusgütern (gilt i.d.R. bereits für Güter, deren Wert 300 EUR je Stück übersteigt)
Der Rat erweitert die Liste der Personen mit Verbindungen zur verteidigungstechnologischen und industriellen Basis Russlands, die nunmehr strengeren Ausfuhrbeschränkungen unterliegt, und zwar für Güter mit doppeltem Verwendungszweck und für Güter (sog. Dual-Use-Güter) und Technologien, die zu technologischen Verbesserungen im Verteidigungs- und Sicherheitssektor Russlands beitragen könnten. Darüber hinaus führt die EU Folgendes ein:
- Handelsbeschränkungen für Eisen, Stahl und Luxusgüter
- Sanktionen gegen weitere 15 Personen bzw. Oligarchen (z.B. Roman Abramowitsch) und neun Organisationen
Eine Zeitachse und Einzelheiten zu den restriktiven Maßnahmen der EU gegen Russland, als Reaktion auf die Krise in der Ukraine, können Sie hier abrufen. Darüber hinaus hat die EU auch gegen Belarus, als Reaktion auf die Beteiligung an der militärischen Invasion der Ukraine durch Russland, ein Paket von gegen 22 Einzelpersonen gerichteten und von wirtschaftlichen Sanktionen sowie weitere Handelsbeschränkungen erlassen. Eine Übersicht zu den restriktiven Maßnahmen findet sich hier.
Was passiert mit Verträgen, die ein Unternehmen bereits verbindlich abgeschlossen hat?
Die neuen Sanktionen gelten grundsätzlich ab dem Zeitpunkt ihres jeweiligen Inkrafttretens für Bestands- bzw. Neugeschäfte. Zu beachten ist jedoch, dass einige der konkreten Verbotsvorschriften, (z.B. Verordnung (EU) 2022/328), sog. Altvertragsklauseln bzw. Abwicklungsfristen vorsehen. Dies ermöglicht Unternehmern in bestimmten (Einzel-)fällen, dass bereits vor Inkrafttreten der neuen Sanktionen abgeschlossene Verträge noch – zumindest bis zu bestimmten Stichtagen – erfüllt werden können.
(Strafrechtliche) Konsequenzen bei Verstößen
Die Vielzahl der verhängten Sanktionen bringt erhebliche Risiken für nationale Wirtschaftsteilnehmer mit sich. Bei Verstößen gegen die EU-Vorgaben drohen u.a. Geldstrafen (bis zu 10.000.000 EUR) oder Freiheitsstrafen (bis zu 15 Jahren). Zwar ergeben sich die Strafen nicht unmittelbar aus den EU-Verordnungen. Allerdings finden insoweit die allgemeinen Straf- und bußgeldrechtlichen Folgen aus dem Außenwirtschaftsgesetz (§§ 17-19 AWG) und dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (§§ 30, 130 OWiG) Anwendung.
Neben den straf- und ordnungsrechtlichen Konsequenzen gibt es für die Unternehmer aber noch eine weitere Ebene zu beachten. Bei Verstößen gegen die Sanktionen drohen Einträge in das Gewerbezentralregister, die eine Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen und Tenderverfahren im Ausland erschweren. Hinzu können kommen:
- der Widerruf von bestehenden Genehmigungen,
- der Verlust zollrechtlicher Bewilligungen auf Verfahrensvereinfachungen und
- negativen Darstellungen in der Presse.
Handlungsempfehlungen:
Die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine haben eine hohe Dynamik bei den derzeitigen Sanktions-regelungen zur Folge. Demnach muss auch kurzfristig mit Änderungen gerechnet werden, sodass die bekannten Regelungen regelmäßig auf ihre Aktualität hin überprüft werden müssen.
Insbesondere vor dem Hintergrund des strafrechtlichen bzw. ordnungswidrigkeitsrechtlichen Risikos sollte daher in Zweifelsfragen entsprechender Rat eingeholt werden. Hierfür stehen Ihnen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:
- Bei Fragen zu einem beabsichtigten Ausfuhrvorhaben, zu Empfängern in Russland oder zur Einstufung von Gütern sollten Unternehmen unbedingt das Formular „Sonstige Anfragen“ im ELAN-K2 Ausfuhr-System nutzen.
- Bei rechtlichen Grundsatzfragen können Sie auch eine E-Mail an „ru-embargo@bafa.bund.de“ senden. Die E-Mail kann insbesondere auch von Hilfsorganisationen und Privatpersonen genutzt werden.
- Telefonische Anfragen über eine Hotline des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA): +49 (0)6196 9081237.
- Kontaktierung eines Rechtsanwalts, der sich mit den entsprechenden Fragen auskennt.
Die zuvor dargestellte Dynamik verdeutlich einmal mehr, wie wichtig ein funktionierendes Compliance-System ist.
Hinweis: Nach unserer Erfahrung werden Systemfehler typischerweise härter sanktioniert, da nach Ansicht der Behörden ein funktionierendes Compliance-System zwingend erforderlich ist. Von Systemfehlern wird immer dann gesprochen, wenn eine Firma entweder kein oder lediglich ein unzureichendes Compliance-System zur Organisation des Außenwirtschaftsverkehrs implementiert hat.
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